14. April 2015

Der Wiener Würstelstand

Würstelwaggon (c) STADTBEKANNT

Ein Stand für den Verkauf von kleinen Speisen und Getränken

Eine Eitrige und ein letztes Bier vorm Schlafengehen haben schon so manchem nächtlichen Wanderer das Leben verschönert. Ein Verdienst, dass den Wiener Würstelständen hoch anzurechnen ist und bleiben wird.

Eine Rettung ist nicht nötig

Als ein beherzter Würstel-Freund den 6. März 2015 zum Tag des Würstelstands erklärte, war das Medienecho groß. Allerorts wurde vom Sterben des Wiener Würstelstands berichtet, von der feindlichen Übernahme durch Asia-Fastfood oder Döner-Stände. Es roch gar verdächtig nach Populismus und teils hatte man den Eindruck, es ginge nicht bloß um die Wurst. Betrachtet man die Lage der Wiener Würstelstände hingegen objektiv, kann von einem großen Würstel-Sterben keine Rede sein. Im Gegenteil: Sie finden ihre Freunde bei Wienern aller Schichten und selbst in Gourmetmagazinen kommt man nicht ohne ein Ranking der Wiener Würstelstände aus.

Lebenshilfe für Kriegsinvalide

Historisch gesehen liegen Würstelstände und Trafiken in Wien nah beieinander. Beide wurden vor allem gegründet, um Kriegsinvaliden ein Einkommen zu sichern. Im Angesicht der aktuellen Gesundheits- und Wellnessbewegung entbehrt diese Gründungsgeschichte nicht einer gewissen Ironie. Gerade jene, die sich verstümmelt vom Schlachtfeld nach Hause retteten, waren darauf angewiesen, das Leben der Wiener durch fettige Kost und erhöhtes Krebsrisiko in Gefahr zu bringen. Dass es aber gerade die Tendenz zum unmittelbaren Genuss – ohne lästige Gedanken an Volksgesundheit oder eigene Gewichtszunahme – war, welche die Würstelstände so beliebt machte, gerät zunehmend in Vergessenheit.

Eine Raucher-Oase

Mit dem anstehenden Verbot des Rauchens in Lokalen und Restaurants obliegt den Wiener Würstelständen künftig eine große soziale Verantwortung. In naher Zukunft werden sie die letzten Oasen in einer Welt der Reglementierungen sein. Nur am Würstelstand wird man nicht schräg angesehen werden, wenn man sich nach einer deftigen Käskrainer eine Tschick genehmigt. Dass das so ist und bleibt, wird spätestens in den frühen Morgenstunden des Wochenendes gesichert. Bei den Mühen eines alkoholbeschwerten Heimwegs kapitulieren selbst die asketischsten Gestalten vor dem Sirenengesang des Würtelstands.

STADTBEKANNT meint

Der Würstelstand ist eine kleine Insel des Hedonismus, in einer Welt, die vom Genuss nichts mehr wissen will. Hier wird das gute Leben, das manchmal einfach aus einem halben Kilo fragwürdigen Fleischerzeugnis mit Bier und Tschick bestehen muss, hochgehalten und gegen die finsteren Schergen des Bundesministeriums für Gesundheit verteidigt.

 

Wir empfehlen

Zum kleinen Sacher, 1030 Fasanplatz, täglich von 7:00 bis 4:00 Uhr
Würstelstand Südtirolerplatz, 1040 Südtiroler Platz, täglich 8:00 bis 4:00 Uhr

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