8. November 2010

Der Ottakringer Kirchenstreit

Früher waren die Menschen gottesfürchtig, bescheiden und gut, heute sind sie materialistisch, säkular und wertelos, oder so. Wie auch immer man selbst über den Niedergang des Christentums in Europa denken mag, ein Faktum ist er jedenfalls. Auch wenn gerade kein Missbrauchsskandal die Katholische Kirche erschüttert, werden die KatholikInnen tendenziell immer weniger und nicht mehr. Diesen Umstand teilt die katholische Kirche im Prinzip mit den meisten christlichen Kirchen, allerdings sind die verlorenen Schafe nicht für alle Kirchen allerorts ein gleich großes Problem.

So ergibt es sich, dass die orthodoxe und orientalisch-orthodoxe Kirche heute, laut einer Aussendung Kardinal Schönborns, in Wien rund eine halbe Million Gläubige vereint. Diesen fehlt es an Gotteshäusern, während die katholische Kirche in Wien große Probleme mit der Erhaltung ihrer teils (wirklich nur teils?) sehr schlecht besuchten Gotteshäuser hat.

Da man, was aus Sicht der Kirche durchaus verständlich ist, Kirchen nicht am freien Markt verkaufen will, um zu verhindern, dass sich wie in anderen Ländern möglicherweise Diskotheken oder Einkaufszentren in den Räumlichkeiten einmieten würden, bevorzugt man einzelne Kirchen lieber an andere christliche Kirchen übergeben.

Kirchenstreit

Momentan wird zwischen katholischer Kirche und der serbisch-othodoxen Gemeinde verhandelt, ob die Kirche Neulerchenfeld in Ottakring, an diese übergeben wird. An sich ist die Entwicklung logisch nachvollziehbar. Während für mittlerweile 200.000 serbisch orthodoxe ChristInnen in Wien nur drei kleine Kirchen zur Verfügung stehen, bekommt die katholische Kirche ihre Gotteshäuser längst nicht mehr voll. Letztlich um Instandhaltungen zu sparen und dennoch sicherzustellen, dass Kirche Kirche bleibt, übergibt die katholische Kirche seit einiger Zeit Kirchen an andere christlich Glaubensgemeinschaften, so eben aktuell auch die Kirche Neulerchenfeld. Die übrigens den tollen Namen „Schmerzhafte Mutter Gottes“ trägt.

Nun ist es aber so, dass sich in der Kirchengemeinde Neulerchenfeld eine relativ große Gemeinde polnischstämmiger KatholikInnen gebildet hat. Diese fühlen sich übergangen und protestieren gegen die Umwidmung „ihrer“ Kirche. Unter anderem haben sie ein Transparent „Diese Kirche soll katholisch bleiben.“ angebracht.

Nun kann man sich fragen, an wen genau sich ein Transparent welches an einer Kirche angebracht ist richtet. Aber das ist wohl letztlich die Entscheidung derer die es angebracht haben.

Am Sonntag den 7.November nahm Kardinal Schönborn an der Messe teil, um die aufgebrachten Gläubigen zu besänftigen. Dass das gelang ist wohl zweifelhaft, dennoch ist nicht mit Aufregung im größeren Stil zu rechnen.

Denn vorerst will die katholische Kirche ihre Gotteshäuser ja nur an ChristInnen verkaufen. Man stelle sich nur einmal vor, was in Wien los wäre, wenn auch nur die kleinste Kapelle deren letze/r BesucherIn in den 90er Jahren verstarb, in eine Moschee umgewandelt würde.

Den Proteststurm der sich darob entfachen würde, können, wollen wir uns aber nicht vorstellen. Der Untergang des Abendlandes wäre jedenfalls ein Lercherlschas dagegen. Auch Umwandlungen in Hindutempel oder Voodoo Kultstätten würden in der Bevölkerung wohl auf wenig Gegenliebe stoßen.

So betrachtet hat der Kardinal mehr Realitätssinn als seine Schäfchen bewiesen, als er in der Diskussion nach der Messfeier am 7. November meinte, dass die Wahrheit zumutbar sei. In den letzten Jahren habe es in Wien enorme Veränderungen gegeben. Die Zahl der angestammten Katholiken gehe zurück. Insofern ist wohl noch mit etlichen Kirchen die ihre Besitzerin wechseln zu rechnen.

Demonstration

Während die betroffenen KatholikInnen in Neulerchenfeld ernsthaft über eine Demonstration vor dem Stephansdom nachdenken, brauchen sie mit Hilfe von Seiten eines ansonsten verlässlich Empörten eher nicht zu rechnen. HC Strache wird sich wohl hüten, seine WählerInnen aus der serbisch-orthodoxen Community zu vergraulen.

Wer sich dennoch gerne empört, kann dies beispielsweise mittels eines Gebets für die Zukunft der Pfarre tun. Jeden Freitag für FrühaufsteherInnen bereits um 7:00 Uhr, oder jeden 1.Freitag im Monat zwischen 20:00 und 21:30 Uhr. Allen anderen empfehlen wir etwas Gelassenheit und dieses schöne Lied:

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

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