31. August 2014

Der Nachbar

An dieser Stelle möchte ich Peter grüßen. Peter, den Opernsänger. Er wohnt jetzt statt Detlef hier. Detlef, dem Querulanten. Normalerweise rede ich nicht schlecht über Menschen. (Scherz) Aber Detlef ist eine Ausnahme. Detlef mochte uns nicht. Das bessere Drittel und mich. Weil er uns nicht mochte, hat er unseren Keller verwüstet und unser Namensschild abgerissen. Sagt doch alles, oder? Dabei sind wir einfach nur durch unsere Wohnung gegangen. Das war’s. Wir sollen aber bitte nicht so laut gehen, begrüßte er uns bald. Drei Tage nachdem wir eingezogen waren. Das Bitte hat er dabei weggelassen. Seine eigentlichen Worte waren: „Geht’s gscheit oder ich zeig euch an!“
Wir haben uns somit unsere Wohnung durch jahrelanges, smartes Gehen ehrlich verdient. Über fünf Jahre wohnen wir jetzt in diesem Haus. Die ersten drei gemeinsam mit Detlef. Detlef durch den Fußboden. Detlef die Wände hoch. Detlef im Keller. Detlef war nämlich um einiges lauter als wir. So laut, dass ihn alle rundherum kannten. Aber bei uns hat er sich beschwert. Über das Gehen eben. Was anderes haben wir uns schon gar nicht mehr getraut zu machen. Lachen zum Beispiel. Gelacht haben wir nur mehr auf der Straße. Oder Weinen. Geweint haben wir nur noch bei Oma oder Mama im Garten. Das bessere Drittel und ich sind in diesen drei Jahren erstaunlich leise Menschen geworden. Nur fliegen haben wir nicht gelernt. Schade eigentlich.
Detlef ist dann irgendwann ausgezogen. Ja. Oder. Er wurde ausgezogen. Irgendwann haben wir gehört, wie er seine Möbel einpackte und verschwand. Nicht freiwillig, wie es hieß. Wir haben den Friseur im Haus gefragt, wo Detlef eigentlich hingezogen wäre. „In den Süden“, hat er gesagt, „da irgendwo in die Nähe von Baden.“ Baden? Sehr schön. Genau dort wohnen meine Schwiegereltern. Aber das sind Gute. Einen Detlef wünsche ich ihnen also nicht. Lieber einen Peter. Unser Peter wurde selbst einst von seiner Nachbarin freundlich begrüßt. Durch die geschlossene Tür hindurch hatte sie ihm ein paar unfeine Worte zugerufen. Dabei hatte er nur seinen Fernseher um drei Uhr morgens auf die allerhöchste Lautstärke gestellt. Kann passieren, oder? Mittlerweile ist das Vergangenheit. Unlängst hat Peter seiner Nachbarin sogar eine Kiste Äpfel vor ihre Türe gestellt. Eigenhändig des nächtens im Wienerwald geklaut. Sehr aufmerksam. Als Dank hat sie ihm die Woche darauf einige Äpfel aus dem Garten zurück geschenkt. Er stellt sie zu den anderen, hat er zu ihr gesagt. Die vom Wienerwald waren ihm noch nicht ausgegangen. Geht klar. Peter darf jetzt alles!
Zwischendurch singt er auch. Natürlich, er ist ja Opernsänger. Darum hat ihn die nette Nachbarin auch gefragt, ob er ihrem Kind nicht ein paar Takte singen könnte. „ … damit es gleich von Anfang an eine positive Einstellung zu den Nachbarn erhält.“ Sollte es sich einmal behaupten müssen. „So wie wir, einst, gegen unseren Detlef. Zum Beispiel!“

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