20. August 2014

Der Kampf ums Erholungsgebiet

Augarten Flakturm Park (c) STADTBEKANNT

Rettet den Augartenspitz!

Der Augarten liegt im Herzen der Stadt und gilt als Prunkstück des zweiten Wiener Gemeindebezirks. Einst von Joseph II. zur „Erlustigung des Volkes“ eröffnet, ist er aktuell Austragungsstätte eines nun schon sechs Jahre andauernden Konflikts.

Unter Denkmalschutz

Nach 225 Jahren im Dienste der öffentlichen Erholung wurden der barocke Garten, das Palais und ein Großteil der ursprünglichen Außenmauer mit der Jahrtausendwende unter Denkmalschutz gestellt. Diese Maßnahme sollte nicht nur den Erhalt der Erholungs-Oase gewährleisten, sondern auch etwaigen Verbauungsplänen durch Privatinvestoren den Wind aus den Segeln nehmen. Als 2007 erste Gerüchte kursierten, wonach eine Privatstiftung den ansässigen Sängerknaben einen Konzertsaal spendieren sollte, regte sich erstmals Kritik unter den Anrainern. Als die Baupläne konkrete Form annahmen, riefen die Grätzl-Bewohner zu einer Bürgerinitiative auf, die weit über die Leopoldstadt hinaus ging. Binnen kürzester Zeit wurden tausende Unterschriften gegen das Bauvorhaben gesammelt. Auf der Dammwiese zur Oberen Augartenstraße entstand ein improvisiertes Protestcamp, dessen Geschichte mir eine Passantin steckt, die sich als „besorgte Sympathisantin“ der Initiative sieht: „Im Sommer 2009 sind die Bagger aufgefahren. Die WEGA hat die Besetzer wie Terroristen behandelt, die haben sich aber nicht unterkriegen lassen.“

Augartenspitz Schild (c) Buchinger STADTBEKANNT
Augartenspitz Schild (c) Buchinger STADTBEKANNT

Jetzt-Erst-Recht-Mentalität

Trotz der Niederlage, die mit dem Bau des Konzertsaals besiegelt wurde, wollte man die Flinte nicht ins Korn werfen – im Gegenteil entstand eine Jetzt-Erst-Recht-Mentalität, die das Camp zu einem kleinen Dorf heranwachsen ließ. Richtiggehend bewohnt wurde es jedoch nur sporadisch. Der Verein „Freunde des Augartens“ errichtete einen Informationsstand, um die Anrainer am Laufenden zu halten. „Auch wenn der Protest in vielen Augen nichts mehr bringt, ist er weiterhin ein klares Signal gegen die Verbauung und für die Erhaltung des Erholungs-Gebiets Augarten“ erklärt die Passantin. Hilfe von offizieller Seite käme lediglich von den Grünen, die sich dafür umso aufopfernder für die Anliegen der Protestbewegung einsetzten. Argwohn von Seiten der Anwohner sei hingegen kaum zu spüren: „Die meisten begrüßen die Initiative, oder es ist ihnen wurscht. Diejenigen, die sich aufregen sind die üblichen Miesmacher, die bürgerlichen Protest gegen die Privatisierung des öffentlichen Raums als linkslinken Humbug abtun. So, als ginge sie das nicht das Geringste an.“

Feuer am Dach

Dennoch schienen sich die Aktivisten nicht nur Freunde zu machen. In den frühen Morgenstunden des 12. Mai 2014 musste die Feuerwehr einen Brand löschen, der das komplette Camp dem Erdboden gleich machte. Der Verdacht der Brandstiftung lag nahe, sollte sich aber nicht bestätigen. Mit der verbrannten Fläche jedoch hielten die Probleme mit den Anrainern Einzug. Wo man vorher noch vorbeischlenderte und über die Widerspenstigkeit der Bewegung staunte, war man nun erbost über die „Verschandelung“ des Bezirks. Das Camp geriet neuerlich in die Bezirks-Schlagzeilen und wurde einmal mehr zum Politikum. Einen Steinwurf entfernt bildete sich sogar eine Gegen-Initiative. Eine weiß lackierte Holzhütte, deren Aufschrift mich auf einen Weblog führt, auf dem das Protestcamp bezichtigt wird, seit Jahren das Versammlungsrecht zu missbrauchen. Auf dem eigens eingerichteten Blog werden die Geschehnisse rund um das Camp minutiös dokumentiert.

Protestcamp Augartenspitz (c) Buchinger STADTBEKANNT
Protestcamp Augartenspitz (c) Buchinger STADTBEKANNT

Entspannter Widerstand

Knapp drei Monate danach scheint sich die Lage wieder entspannt zu haben. Während von Augartenseite die juvenilen Klänge der güld’nen Kehlen über die Mauer schwappen, werden drüben die letzten Brandreste durch botanische Setzungen unkenntlich gemacht. Auf der Wiese wird indes ein Picknick vorbereitet. Oben am Infostand schlendert ein älterer Herr mit seinem Vierbeiner vorbei, grüßt und studiert die neuesten Aushänge. Auch wenn das Dörfchen wieder zum Camp schrumpfte, ans Aufgeben denkt man hier noch lange nicht.

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