17. September 2011

Das Wort zum Tatort vom 15.8.2011 – “Wunschdenken”

Endlich ist es so weit: nach vielen Problemen um das Schweiz-Bild im deutschen Fernsehen und mit der Synchronisierung geht der erste Tatort Luzern seit Ewigkeiten ein halbes Jahr später als geplant in den Äther. Was herauskam war eine Mischung aus CSI New York und Sat1 FilmFilm, der an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten war.

Meine Damen und Herren, der konstruierteste Fall in der Geschichte des Tatort.

Pascal Kreuzer, ein Luzerner Kantonspolitiker inszeniert seine eigene Entführung mit einem Ex-Häftling aus einem Gefängnis, dessen Direktor er mal war, um mit dem Mitleidsbonus die Wahl zu gewinnen. Beobachtet wird er dabei von einem Detektiv, der von einem Konkurrenten angeheuert wurde – und zusätzlich noch herausfindet, dass Kreuzer eine junge Geliebte hat. Damit geht er zu Kreuzers Frau, die daraufhin den Wunsch äußert, ihr Mann solle doch ermordet werden – und dafür bezahlt. Der Detektiv heuert für einen Teil des Geldes einen Auftragskiller an, den er über eine Fitnessstudio-Bekanntschaft kennt. Stimmt das so? Sieben Personen sind also beteiligt, eigentlich also alle, außer die Geliebte, die nur als zusätzliche Staffage diente.

Der Fall stand allerdings bei diesem Tatort sowieso nicht im Mittelpunkt des Interesses, und ermittelt wurde in der ersten halben Stunde überhaupt nicht. Personalreibereien und ein mehr als peinlich inszeniertes Techtelmechtel Flückigers (der übrigens auf der Suche nach der großen Liebe ist) mit der Austausch-Beamtin (die übrigens nicht aufs gemeinsam frühstücken steht) verzögerten die Ermittlungen, eine geplatzte Geldübergabe kann man noch als einzig spannende Szene des Film erwähnen.

CSI Luzern

Nicht nur die aus CSI Miami bekannte „Austauschkommissarin“ brachte „internationales Flair“ in den Tatort – auch die sehr holprige Neusynchronisierung erinnerte eher an US-amerikanische Produktionen und irritierte die gesamte Länge des Films über. Dass ein Wiener etwa Schweizerdeutsch nicht versteht ist klar, dass deshalb die Schweizer Nachrichtensprecherin Hochdeutsch reden muss oder die US-Schweizerin völlig akzentfrei deutsch spricht rüttelte allerdings doch erheblich an der Glaubwürdigkeit (das war vielleicht in der Originalfassung besser gelöst) – da war die operierte Nase der CSI-Kommissarin schon das glaubwürdigere Ami-Klischee.

Was man sich noch von CSI abgeschaut hat waren die sehr aufwändig hergerichteten Leichen – und das extra lange draufhalten dazu, der Höhepunkt an US-Zugeständnissen war dann gegen Ende noch die wilde Schießerei im Treppenhaus des Sozialbaus (Erkennungsmerkmal: viele ausländische Namen an der Gegensprechanlage), mit viel Kunstblut und Stunteinlage. Wenn man schon gerne CSI sein möchte, dann sollte man sich auch an die Formatvorlage halten: eine CSI Folge dauert nämlich nur eine halbe Stunde.

(Raphael Maria Dillhof)

4 Kommentare

  1. xpod

    15. August 2011

    ohmeingott
    unglaublicher mist. ich war peinlich berührt, vor allem von der affäre und dem darauffolgendem "schulhof-gespräch"

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  2. mela

    15. August 2011

    so ein…
    … extrem konstruierter käse! hätte lieber schlafen gehen sollen 🙂 !!

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  3. maia

    15. August 2011

    ganz schrecklich
    ist es gewesen. Zu erwähnen wäre noch, dass für den kommissar eine mutter als leitende mitarbeiterin ein problem darstellt. Die episode mit der Austauschskommissatin lässt sich gut als "Warum liegt hier eigentlich Stroh" zusammmenfassen.

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  4. raphael

    15. August 2011

    @maia
    absolut richtig!

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