23. November 2016

Das Schweigen der Nichtwähler

BPWahl2016 (c) STADTBEKANNT

Bundespräsidentenwahl 2016

Warum wir jeden Tag Kompromisse eingehen können, aber an der Wahlurne auf den perfekten Kandidaten warten.

Nach fast 11 Monaten Wahlkampf wurde zum nunmehr vierten Mal die finale Phase des Bundespräsidentenwahlkampfes eingeläutet. Mittlerweile erscheint ein Auftritt der beiden Kandidaten wie ein Wiedersehen zweier alter Pensionisten, die sich im Stiegenhaus treffen und gezwungenermaßen ein paar Worte miteinander wechseln müssen. Die Positionen sind längst bezogen, überraschen kann keiner der beiden mehr, weder den Gegner noch das Publikum. Der einzig verbliebene Fokus liegt nunmehr darin, potentielle Nichtwähler zu mobilisieren. Denn diese Gruppierung ist es, welche die Wahl entscheiden wird. Um deren (vergeudete) Macht in Zahlen zu setzen: Gerade einmal 58% aller wahlberechtigten Amerikaner haben vor zwei Wochen von ihrem Stimmrecht gebrauch gemacht. Donald Trump wird der 45. Präsident der Vereinigten Staaten, obwohl ihm nur ein Viertel aller Wahlberechtigten ihre Stimme gegeben haben.

Die einfachste Wahl aller Zeiten

Die Parallelen zum österreichischen Wahlkampf sind bemerkenswert: Auch hierzulande würde eine Partei der Nichtwähler sehr weit kommen – beim ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahl hätte sie es immerhin auf 31,5% geschafft. Genau wie in Amerika spalten hierzulande die beiden zur Wahl stehenden Kandidaten das Land, ein Vertreter der politischen Mitte existiert nicht. Dies hat jedoch einen Vorteil: Während es bei anderen Wahlen schwierig sein mag, sich zwischen ähnlichen Kandidaten zu entscheiden, kann es bei Hofer/Van der Bellen für keinen Menschen in Österreich Zweifel geben, wessen Gesinnung ihm eher naheliegt. Eine Wahl zu treffen, sollte ein leichtes sein, wenn schon nicht aus voller Überzeugung für den einen, dann zumindest um den anderen zu verhindern.

Österreich sucht den Superpräsidenten

Dennoch gilt nicht wählen zu gehen in vielen Kreisen als schick. Oft wird es als Protesthaltung verkauft gegen das Fehlen eines Kandidaten, mit dem man sich voll und ganz identifizieren kann. Es ist erstaunlich, wie viele Wähler sich dieser billigen Ausrede bedienen und ihre Stimme wegwerfen. Schließlich gehen wir alle jeden Tag Kompromisse ein, sei es bei der Wahl des Handyvertrages, des Waschmittels im Supermarkt oder unseres Lebenspartners. Keine Entscheidung macht uns zu 100% glücklich, dennoch treffen wir sie und hören nicht aus Protest damit auf unsere Wäsche zu waschen. Doch bei politischen Entscheidungen zieren wir uns plötzlich und warten auf einen perfekten Kandidaten, der in einer immer komplexer werdenden Welt nie kommen wird. Nicht wählen zu gehen ist kein Zeichen des Protests, sondern eine Kapitulation, ein Verstecken vor der Verantwortung.

Zeichen setzen

Nichtwähler gehen oft noch einen Schritt weiter und denken, dass es ohnehin egal ist, wer im kleinen Österreich Bundespräsident ist. Dass dem nicht so ist, zeigt allein das Interesse der weltweiten Medien am für ungültig erklärten ersten Wahlausgang. Wie die Geier wurde auf das erste westeuropäische Land gewartet, das einen rechten Politiker zum Präsidenten macht. Wer sich und seinem Land diese Schmach ersparen will und sich gleichzeitig gegen den Rechtsruck in ganz Europa stellen möchte, der sollte von seinem Stimmrecht am 4. Dezember gebrauch machen.

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