6. September 2012

Das Brunnenviertel – ein Viertel im Aufbruch

Das Brunnenviertel ist schon seit Jahren ein multiethnischer Knotenpunkt in der Stadt und die beliebteste Baustelle Wiens. Denn es wird ständig am Brunnenviertel „gebastelt“. Egal von welcher Seite, sowohl die Stadtplanung, Kulturinitiativen wie SoHo in Ottakring, die Gebietsbetreuung, Bürgerinitiativen, die IG Brunnenmarkt, die Caritas oder in Form von Guerilla Gardening, hier wird umgebaut und verschönert. Fragt man die BesucherInnen des Grätzels, was sie sie am Brunnenviertel so lieben, kam und kommt immer wieder die Antwort: „Ich fühl mich hier wie im Urlaub!“ oder „Ich mag das mediterrane Lebensgefühl am Brunnenmarkt“. Spricht man mit den alteingesessenen BewohnerInnen des Quartiers, sind diese nicht alle so enthusiastisch und wünschen sich zum Teil in die „gute alte Zeit“ zurückversetzt wo alles noch besser und anders war. In den 60er und 70er Jahren sah es am Brunnenmarkt noch ganz anders aus. Der Markt wurde damals zum Großteil von österreichischen Geschäftsläuten betrieben. Diese zogen aber nach und nach ab und die türkischen Marktstandbetreiber fassten im Brunnenviertel Fuß. In den letzten zehn bis fünfzehn Jahren hat sich viel getan im Viertel.

Foto: STADTBEKANNT Mautner
Foto: STADTBEKANNT Mautner

Ein Viertel im Aufbruch

Im Rahmen von Beteiligungsverfahren und Sockelsanierungen durch die Stadt Wien wurde das Quartier Stück für Stück aufpoliert. Die Gebietsbetreuung Ottakring trieb dieses Projekt im Rahmen von mehreren Beteiligungsverfahren voran. Im Falter und dem Standard und auch auf stadtbekannt liest man in diesem Zusammenhang immer wieder etwas über Gentrifikation am Brunnenmarkt.
Ich bin diesbezüglich vorsichtig mit solchen Analysen, im Diskurs der Stadtpolitik spricht man in Wien eher von Aufwertungsprozessen, welche aber nicht so stark mit Verdrängungsprozessen verknüpft sind. Betrachtet man das Quartier genauer, sieht man den Wandeln natürlich vielerorts. Wie beispielsweise die Neubauten entlang der Brunnengasse oder die vielen schicken neuen Lokale am Yppenplatz, welche eine Klientel mit einem höheren Bildungsniveau und größerem Geldbörsel anlockt. Doch auf der anderen Seite betreiben noch immer dieselben türkischen, serbischen, indischen und chinesischen Geschäftsleute ihre Marktstände. Auch wenn man sich das Publikum am Brunnenmarkt ansieht, hat sich nicht so viel verändert. Frauen mit Kopftuch gehen am Markt genauso einkaufen, wie StudentInnen oder die alteingesessene Bevölkerung.

Foto: STADTBEKANNT
Foto: STADTBEKANNT

Die Geschäftsstruktur hat sich im Bereich der Brunnengasse und der Neulerchenfelderstraße nicht stark gewandelt. Ein Textilgeschäft reiht sich neben das nächste. Wer türkische Brautmode kaufen möchte, orientalische Teppiche oder schon immer einmal in ein türkisches Einrichtungshaus hineinschnuppern möchte, ist hier genau richtig. Das Stadtbild hat sich in den letzten Jahren schon gewandelt. Die Neugestaltung des Marktes und der Plätze hat das Gesicht des Grätzls verändert. Es haben sich in den letzten Jahren durch das Kunstfestival SoHo in Ottakring, viele Galerien und Ateliers in der Grundsteingasse angesiedelt und der alte Baubestand wurde und wird durch Neubauten ersetzt. Dies führt natürlich zu einer Steigerung der Mietpreise im Quartier.

Foto: STADTBEKANNT
Foto: STADTBEKANNT

Der Yppenplatz

Am stärksten ist der Wandel am Yppenplatz zu beobachten, dieser hat sich zu einem der „places to be“ in Wien entwickelt. Früher wirkten die alten Marktstände dort wie eine Geisterstadt aus einer anderen Zeit. Heute hingegen eröffnet ein hippes Lokal nach dem anderen seine Pforten. Man kann am Yppenplatz, auf Grund des Wandels der Lokalstruktur, auf jeden Fall von einer kulturellen Umdeutung des Platzes sprechen. Das Ando beispielsweise war früher ausschließlich in den Räumlichkeiten einer ehemaligen Fleischerei untergebracht. In den letzten beiden Jahren hat sich die Fläche des Ando vervierfacht und es wurde ein eigenes Fischlokal mit dem Namen Ando-Fisch eröffnet. Am Wochenende wird der Yppenplatz nun regelmäßig zu einer riesigen Frühstückslandschaft, in welcher sich die „alternative“, studentische und boboesk Gemeinschaft regelmäßig einfindet. Das altehrwürdige Cafe International wirkt in diesem Ensemble, wie ein Kind aus einer anderen Zeit. Es war das erste Lokal am Yppenplatz, welches das alternative Publikum ins Grätzl gelockt hat. Eine wunderbare Ergänzung sind auch das Dellago und das Rasouli. Auf der anderen Seite des Yppenplatzes haben sich einige neue boboeske Lokale angesiedelt, wie zum Beispiel das Feinkostgeschäft „La salvia“, welche auch eine Vinothek beherbergt. Das Modelable Yppig befindet sich in direkter Nachbarschaft zur der Bäckerei Gül.

Foto: STADTBEKANNT
Foto: STADTBEKANNT

In der Brunnenpassage ist das Projekt der Caritas beheimatet, welches unter dem Motto „Kunst für alle“ in vielfältigen Projekten Kulturvermittlung für Jugendliche macht, wie stadtbekannt schon berichtete. Die TeilnehmerInnen der Tanz- und Gesangsprojekte haben einen multiethnischen und sozialen Hintergrund. Dieses Projekt kann als eine Bereicherung für die Stadt und im Feld der Jugendarbeit gesehen werden.

 

STADTEBAKNNT meint

Der Brunnenmarkt ist im Aufbruch und bietet Raum für die bunte Mischung aus Kunst und Balkanfeeling. Es bleibt abzuwarten wie sich das Grätzel in den nächste zehn Jahren entwickeln wird und ob es zur von vielen Seiten beschworenen Gentrifikation kommen wird. Dies zu beurteilen bleibt schlussendlich die Aufgabe der Stadtsoziologie.

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