14. Dezember 2011

Das übliche Gesudere des Roland D.

Laut Wikipedia ist von einer „großen Suada“ eines Redners dann die Rede, wenn das Imponiergespräch gerade keinen Stachel hinterlässt. Das trifft auf Düringers Wurbürgerrede zu, die gekonnt emotionalisiert, aber weder AdressatInnen noch konkrete Ziele hat.

Vergleicht man das große WutbürgerInnendokument unserer Zeit, das Occupy Wallstreet Manifesto, mit Düringers Wutbürgerrede, so fällt folgender Unterschied auf. Das Manifesto ist kurz gehalten und löst somit ein, was Düringer selbst in seiner Rede („Karamelbonbons“) einfordert. Es hat AdressatInnen (die 99 Prozent) und neun klar umrissene Ziele (von der Wiederinkraftsetzung des Glass-Steagall Acts bis zum Verbot des High Frequent Trading). Zu jedem dieser Punkte kann man eine ablehnende oder eine unterstützende Meinung haben. Düringers Rede erlaubt das nicht, denn sie hat keine klar umrissenen AdressatInnen und vor allem keine Ziele. Gemeint sind alle und niemand und alles und nichts. .

Eine Rede sorgt für Furore.

Roland Düringers Rede beendete den letzten Dorfers Donnerstalk und wurde von ihm namentlich als Düringer gehalten. Sie will also ernstgenommen werden und fällt aus der Rolle, da sie von der Privatperson Düringers an ein Publikum gerichtet ist. Düringer spricht also selbst, und nicht in seiner Rolle als Kabarettist, und will in dieser Rolle auch erkannt und wahrgenommen werden – was ihm auch ohne Zweifel gelang, verbreitete sich das Video zur Rede doch über soziale Netzwerke in weiteste Kreise.

Erst zaghaft machte sich auch Kritik bemerkbar, am deutlichsten geäußert von Niko Alm in einem Blogpost. Meiner Meinung nach hängt die affirmative Begeisterung und die zögerliche Kritik eng mit dem Charakter der Rede zusammen: vermag diese doch gekonnt zu emotionalisieren, hat aber letztlich keine konkreten Forderungen. Am Ende fühlt sich fast jede/r in seiner/ihrer Wut, die zweifellos weit verbreitet ist, bestärkt, ohne auf irgendetwas verpflichtet worden zu sein, oder zu einer Handlung aufgefordert zu werden.

Wie bei jeder großen emotionalen Rede braucht es dann Zeit bis jenseits der Emotion klar wird, dass hier eigentlich wenig gesagt wurde .

Einige Passagen der Rede im Detail.

Wir sind keine Linken und wir sind natürlich auch keine Rechten“ so umschreibt Düringer das Publikum, das adressiert wird. Was aber sind sie dann. Postpolitische? PostmaterialistInnen? Unideologische? Die, die keine Meinung haben? Die die das links/rechts Schema der Politik für überholt halten? Es bleibt unerklärt und ungeklärt…

Wir sind keine wirklich Armen und keine wirklich Reichen“. Die Mittelschicht also, unter der sich Düringer, wie Alm so treffend anführt, auch subsumiert. Das Bruttomedianeinkommen lag in Österreich 2010 bei 1.902,- Euro, wenn man die Mittelschicht großzügig auslegt und – sagen wir- von 1.400 bis 3.500, vielleicht sogar 4.000 Euro ansetzt, dann hat man einen guten Teil der österreichischen Bevölkerung abgebildet. NationalrätInnen, das gehobene Management in Unternehmen und einer von Österreichs bekanntesten Kabarettisten zählen nicht dazu. Das wäre dann Oberschicht, macht ja nichts, aber irgendwie eben doch, denn die ganze Rede würde dann das einigende ökonomische Interesse zwischen dem Redner und den Adressierten in Frage stellen.

Die Karamellbonbons

Düringers erste konkrete Forderung (nachdem er vorher kurz über den nicht unbedingt glücklich machenden „Konsumwahn“ sprach) behandelt Karamellbonbons. Die betreffende EU Verordnung hätte sehr viele Worte, während die amerikanische Unabhängigkeitserklärung mit sehr wenigen auskommt. Das ist die vielleicht ärgerlichste Passage der Rede, bedient sie doch das als Gurkenkrümmungsproblem bekannt gewordene Dauer – Kronenzeitungsthema der österreichischen EU-Debatte (auf die Marmelade soll auch nicht vergessen werden). Die ständige Vertretung der EU hat sich einst die Mühe gemacht, diesen Unfug als Mythos zu enttarnen (im Bezug auf die Gurkenkrümmung), hier kann man es nachlesen. Ärgerlich an der Passage ist aber der Generalangriff auf die Moderne. Denn mit zunehmender differenzierter Arbeitsteilung werden Probleme im Detail sehr komplex und niemand ist voraussetzungslos in der Lage alles zu verstehen. Aber auch Herr Düringer wird froh sein, dass das Manual für ein Flugzeug umfassender ist, als die amerikanische Unabhängigkeitserklärung. Wo erstere sehr allgemein ist, beschäftigt sich das Manual mit einem sehr spezifischen, sehr konkreten Problem.

Wenn Herr Düringer im Falle der Karamellbonbons meint, dass die Materie zu komplex (zu umfangreich) abgehandelt wird, dann stellt sich die Frage was er will. Wenn alles für alle verständlich ist, wird die Arbeit sicher weniger entfremdend sein, sie wird aber auch sehr einfach sein. Möglicherweise gibt es zahlreiches zu kritisieren an der EU Karamellbonbon Richtlinie (wenn es diese überhaupt gibt), ihre Komplexität ist aber per se nichts Schlechtes. Düringer vermittelt hier die Sehnsucht nach einer Einfachheit der Dinge, die mir weder erfüllbar noch wünschenswert erscheint. .

Die Politiker müssen uns der Gemeinschaft dienen“, so meint Herr Düringer in seiner Rede. Doch wer ist diese Gemeinschaft? Was sind ihre Interessen und vor allem was sind ihre widerstrebenden Interessen? Wird hier nicht abermals eine antimoderne Bezugsgröße „die Gemeinschaft“ adressiert, die wieder nur unter Ausblendung aller komplexen Probleme der Moderne herbeikonstruiert werden kann?

Vergiftet… dahinvegetieren“. Deutlich wird der antimoderne Reflex dieser Rede in der Passage, in der es um die moderne Medizin geht. Abermals wird die Moderne wie das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Denn die Segnungen der Spitzenmedizin (unsere hohe Lebenserwartung) werden mitsamt den daraus resultierenden Problemen abgekanzelt.

Diese wenigen Beispiele sollen nur exemplarisch veranschaulichen was sich durch diese Rede zieht: Der großen Empörung über die Moderne und ihre Zumutungen, wird ein einfacheres weniger komplexes und harmonischeres Idealbild von Gesellschaft gegenübergestellt. Doch dieses ist antimodern, weil es sich nicht den Herausforderungen der Moderne stellt, sondern Zuflucht im Natürlichen sucht. Deswegen und weil Düringer zu keiner konkreten Handlung aufruft (die Stimme erheben, aber was heißt das schon…) und alles und nichts meint, dabei aber die Interessengegensätze unter den Tisch fallen lässt, ist das Dokument von Occupy Wallstreet ein Manifest einer politischen Bewegung und Düringers Wutbügerrede nur das übliche Gesudere.

Die Rede:

Ein Kommentar von Daniel Steinlechner

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

13 Kommentare

  1. Parzifal

    14. Dezember 2011

    Ich sehe das nicht so.
    Düringer ist halt kein Intellektueller aber er bringt die Dinge auf den Punkt die uns alle stören.

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  2. Oskar Werner

    14. Dezember 2011

    Mir ging der Düringer immer schon gewaltig am Keks
    er ist der "Proletenspieler" unter den österreichischen Schauspielern. Er spielt immer Proleten ohne eienr zu sein. Das steht weder ihm noch den Proleten gut.

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  3. Clarissa Kaktus

    14. Dezember 2011

    Strache gefällts auch
    siehe sein Facebook Kommentar, warum ist das wohl so?

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  4. Daniel Steinlechner

    14. Dezember 2011

    @Clarissa Kaktus
    Das war vermutlich nicht die Absicht von Herrn düringer, aber es spricht für die Substanzlosigkeit der Rede, dass sich jeder darin findet.

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  5. blabla

    14. Dezember 2011

    dampfplauderer!
    null politisches bewusstsein – da ist nix dahinter. seine stimme nicht mehr in die urne werfen? sagt ihm bitte dass jeder euro, den er ausgibt, ein stimmzettel ist.

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  6. Klug

    14. Dezember 2011

    Chips Werbung,
    Garten TV, Benzinbruder und jetzt Wutbürger. Irgendwie ja konsequent.

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  7. Kathi

    14. Dezember 2011

    Was ist mit dem Dorfer
    und dem Düringer. Was finden die nur aneinander. Ein Rätsel.

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  8. Clara

    15. Dezember 2011

    Oh no…
    Genau da hab ich aufgehört zu lesen: "Sie [die Rede] will also ernstgenommen werden und fällt aus der Rolle, da sie von der Privatperson Düringers an ein Publikum gerichtet ist. Düringer spricht also selbst, und nicht in seiner Rolle als Kabarettist."

    Bitte ein wenig, wenig Ahnung haben – das tut weh. Düringer steht auf der BÜHNE in der Rolle einer Figur. Schon im Gespräch mit Dorfer ist klar, dass er in einer Rolle ist (trinkt Spritzer, …). Düringer überzeichnet ("Karamellbonbons"), bleibt aber für Kabaret zu "ernst". Eine selbstsame Hybridstellung, warum ich den Auftritt nicht gelungen finde und auch gar nicht verstehe, was hier alle reden darüber. Als wär das so mutig und revolutionär… my ass!!?

    Nichtsdestrotrotz. Leider wieder in ein stadtbekannt-Text, den ich nicht weiterlesen kann, weil grundlegender Fehler.
    Es gibt doch z.B. auch in der Literatur ab und an Autoren, die sich selbst namentlich erwähnen – man hüte, sich davor, sie mit dem Autor, der Autorin gleichzusetzen. Das ist das 1×1 künstlerischer Beschäftigung.

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  9. familyguy

    15. Dezember 2011

    @clara
    clara, er hat in interviews gesagt dass er das ernst meint.

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  10. Daniel Steinlechner

    15. Dezember 2011

    @Clara
    Halte die Kritik für unsinnig, da Düringer mit dem Beginn der Rede aus der Rolle kippt. Maximal spielt er sich selbst als betrunkenen / angeheiterten Düringer. In allen folgenden öffentlichen Statements stellte Herr Düringerdie Ernsthaftigkeit seiner Rede klar. Wer selbst als Person spricht in einem Massenmedium und bewusst aus der Rolle tritt, muss es sich auch gefallen lassen, dass der Beitrag als das was er dann ist, ein Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs, kritisiert wird.

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  11. blackula

    20. Dezember 2011

    die Herausforderungen der Moderne
    Es ist ihrem blog zu entnehmen, dass eine Gesinnung "Zurück zur Natur" sowie eine Ablehnung gewisser Aspekte der von ihnen genannte "Moderne" unbedingt rückwärtsgewandt sein muss. Sie verabsäumen diese sogenannte "Moderne" auch nur im Ansatz zu definieren. Versuchen wir das nachzuholen: die "Moderne" in der wir leben ist eine immer wenig überschaubare, von intransparenz und dubiosen Geschäften geleitete Gesellschaft, die zumindest einen Hauptzweck erfüllt: denjenigen die sie lenken noch mehr Macht zu sichern. Die Großpolitik scheint die Kontrolle über die Finanzmärkte und Banken verloren zu haben, der Souveräne Volk, von dem ja die macht angeblich ausgehen soll, kann, gefangen in einem Dickicht an Gesetzten und Selbstregulierungen seine Kontrolle nicht mehr ausüben. Was liegt hier mehr auf der Hand, als dem Ganzen den Rücken zu kehren, in einer gewissen Autarkie zu leben und sich möglichst versuchen von diesem kranken System zu abspalten?

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  12. Uesp

    21. Dezember 2011

    Kritikanfällige Kritik
    Sie haben Teils gar nicht Unrecht, aber so manches kommt mir doch etwas tölpelhaft rüber:

    "Was aber sind sie dann. Postpolitische? PostmaterialistInnen? Unideologische? Die, die keine Meinung haben?…"
    – woher nehmen Sie das?! –

    "…Die die das links/rechts Schema der Politik für überholt halten? Es bleibt unerklärt und ungeklärt…"

    – also meiner Ansicht nach ist das links/rechts-Schema bei weitem nicht mehr ausreichen – es fehlen darin schlicht weitere Dimensionen.

    Ob bewusst oder nicht zeigt Düringer aber auf, dass Wählen vl. DAS demokratische Tool des 20. Jhdts. war, im 21. ist & wird es jedoch ziviler Ungehorsam.

    Zumindest trägt Düringer jedoch dazu bei, die Diskussion in auch in der Populärkultur ankommen zu lassen, wenn auch mit Schwächen, daber ich persönliche sehe in alledem mehr positive als negative Aspekte.

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  13. Pflichtfeld

    22. Dezember 2011

    Missverständnisse
    Der Kommentator zieht mehrere falsche Schlüsse:

    a) Düringer habe die Rede als Düringer, nicht als Kabarettist gehalten. Glaube nicht, dass das so ist. Erst die Social-Media-Erregungen rund um die Rede des Kabarettisten haben Düringer dazu gezwungen, sich als Düringer zu den Inhalten der Rede zu äußern.

    b) Die Wut richte sich nicht die Moderne. Sie richtet sich gegen die politischen, wirtschaftlichen Eliten. Sie richtet sich nicht gegen die Komplexität der Welt, sondern die Kompliziertheit, mit der Politik und "Experten" simpelste Ungerechtigkeiten glauben schönreden zu können.

    c) Es gebe keinen klaren Adressaten. "Weder die Armen noch die Reichen" genügt als klare Adressierung doch wohl: Eben all die, die erkennen, im selben Boot zu sitzen – für dumm verkauft zu werden von den Eliten – unabhängig von marginalen Einkommensunterschieden.

    d) Die Rede liefere keine Handlungsanweisungen. Eine Rede hat einen anderen Zweck als Positionspapiere und Forderungskataloge. Nämlich den, Menschen aufzurütteln.

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