23. März 2020

Covid-19 – Ein Stimmungsbild aus dem Literaturbetrieb

Auf Buchfühlung – Der erste Literatur Podcast Österreichs

Der Kulturbetrieb ist seit den Covid-19-Maßnahmen von umfassenden Einschränkungen betroffen. Lesungen sind abgesagt, Veranstaltungen werden auf unbestimmte Zeit verschoben, Buchhandlungen schließen ihre Pforten und Verlage müssen hinnehmen, dass Buchmessen nicht stattfinden. Im Podcast Auf Buchfühlung sprechen Diana Köhle (Veranstalterin), Linda Müller (Lektorin), Hansjörg Jehsenko (Buchhändler) und Robert Prosser (Autor) darüber, wie es gerade jetzt für AkteurInnen aus dem Literaturbetrieb weitergehen kann und was der „Lockdown“ für sie bedeutet.

Aufgrund der Corona-Krise wird aktuell viel über Maßnahmen zur finanziellen Absicherung von Kulturschaffenden diskutiert. Im Internet entsteht auf verschiedensten Plattformen auch ein reger „virtueller Literaturbetrieb“, der zwar den Leserinnen und Lesern Unterhaltung bietet, den Autorinnen, den Veranstaltern, dem Buchhandel und Verlagswesen aber kaum Einnahmen bringt – es sei denn, die Initiativen führen zu Buchkäufen. Im Moment befinden sich viele der Betroffenen noch in Schockstarre, es ist zu früh, um ein Resümee zu ziehen. Klar ist nur, COVID-19 zeigt – neben so vielem anderen – auch die Fragilität des Systems, auch des literarischen Systems.

Der Tagebuchslam ist zur Pause verdammt

Diana Köhle ist Veranstalterin und Moderatorin von zahlreichen Poetry Slam-Formaten. Ihren Tagebuch-Slam veranstaltet sie seit mehreren Jahren in Wien und seit einiger Zeit auch in den restlichen Bundesländern. Die Maßnahmen zur Corona-Eindämmung treffen die freischaffende Künstlerin sehr stark. Bereits im Jänner und Februar musste sie aufgrund gesundheitlicher Probleme Veranstaltungen absagen – ohnehin schwierig für freischaffende Künstler*innen. Im März wollte sie erneut durchstarten, für den aktuellen Monat musste sie jedoch bereits sieben Termine absagen. Für den April sind bereits 4 Veranstaltungen abgesagt. Einnahmen, auf die Diana eigentlich nicht verzichten kann. Die aktuellen Maßnahmen, auch wenn sie selbstverständlich sinnvoll sind, bedrohen ihre berufliche Existenz.

Diana Köhle (c) Anna Konrath
Diana Köhle (c) Anna Konrath

„Das TAG, das Theater an der Gumpendorferstraße, mit dem ich seit sieben Jahre zusammenarbeite und mit dem ich einmal im Monat den Tagebuchslam veranstalte, haben mir für die entfallenen Veranstaltungen Tantiemen angeboten. Weil Sie wissen, wie für mich als freischaffende Künstlerin die aktuelle Situation ist, weil sie selbst in der Situation sind angestellt zu sein und sie mir helfen wollen.“

„Was wichtig ist und was jetzt auch gerade passiert, ist aufzuzeigen, was es heißt, freischaffende Künstlerin zu sein. Ich werde immer wieder darauf angeredet, wie schön mein Leben ist, dass ich aufstehen kann, wann ich will und auf der Bühne stehe. Keiner sieht aber, was da sonst noch alles dran hängt, wenn man etwa krankheitsbedingt nicht arbeiten kann. Ich muss an und für sich immer funktionieren, jetzt ist es aber so, dass das ganze System nicht funktioniert.“

Kleine Buchhandlungen wie das Mio liefern ab sofort bis nach Hause

Hansjörg Jehsenko ist seit 20 Jahren im Buchhandel tätig. Vor etwa einem halben Jahr hat er die Buchhandlung Mio im Wiener Sonnwendviertel eröffnet. Heute ist seine Buchhandlung – wie alle anderen abseits der großen Online-Versandhäuser – aufgrund der Corona-Maßnahmen geschlossen. Im Grätzlrahmen haben sich kleine Buchhandlungen in den letzten Jahren einen kleinen Marktanteil von den großen Ketten zurückerobern können. Und auch für die Zeit während der aktuellen Schließungen ist Hansjörg Jehsenko nach wie vor optimistisch: „Ich habe zwar keinen Onlineshop, trotzdem kaufen meine KundInnen aktuell immer noch bei mir ein. Ich liefere die bestellten Bücher direkt nach Hause. So kann ich größeren Verlusten im kleinen Rahmen entgegensteuern. Direkt vor den Maßnahmen haben sich zudem viele LeserInnen mit Büchern eingedeckt.“ Wenn die Maßnahmen jedoch länger andauern, dann ist sich Hansjörg sicher, wird es nicht ohne finanzielle Unterstützung möglich sein.

(c) Linda Müller
(c) Linda Müller

Für Verlage war die Absage der Leipziger Buchmesse ein markanter Einschnitt

Der Aufruf, dass man bei den Kleinen kaufen soll, ist derzeit fast so laut, wie der Aufruf zuhause zu bleiben, scheint es. Aktuell sind fast ausschließlich Kinder- und Jugendbücher gefragt. Die Vertriebswege sind glücklicherweise offen. Damit sind BuchändlerInnen schneller als Amazon, da die Bücher meist gleich am Tag nach der Bestellung eintreffen und direkt geliefert werden können. Das gilt auch für die Haymon-Buchhandlung in Innsbruck. Auch hier werden aktuell Bücher nach Hause zugestellt, weiß Linda Müller, Lektorin im Haymon Verlag. Sie ist untere anderem auch für die Organisation von Veranstaltungen verantwortlich. Eine der ersten abgesagten literarischen Großveranstaltungen war die Leipziger Buchmesse und mit ihrer Absage gingen natürlich mehrere Konsequenzen einher. Einerseits sind es angefallene Kosten, auf denen der Verlag sitzen bleibt, denn zwar würden die Standgebühren rückerstattet, doch auf den Hotelkosten, den Reisekosten aber vor allem auf den Kosten der Arbeitszeit, die in die Vorbereitung geflossen sind, bleibt man sitzen. Die dürfe man eigentlich auch gar nicht näher betrachten, meint Linda Müller, denn die Arbeit für eine Messe beginne direkt nach Beenden der anderen. Am schwersten wiege jedoch der Verlust für die Autor*innen. Für sie ist die Buchmesse eine einmalige Gelegenheit, ihre Bücher in einem angemessenen Rahmen vorzustellen.

Robert Prosser (c) Dirk Skiba
Robert Prosser (c) Dirk Skiba

Der Autor Robert Prosser plädiert dafür, auch andere Krisen nicht zu vergessen

Auch Robert Prosser musste bereits mehrere Veranstaltungen absagen. Abzuwarten gilt für ihn vor allem die Frage, ob das Literaturfest in Salzburg, das er gemeinsam mit Joseph Kirchner vom 13. bis zum 17. Mai kuratieren würde, stattfindet. Für seine Arbeit als Autor hat das aktuelle Abgeschottet-Sein jedoch auch eine ganz besondere Qualität. Er sieht in ihr für sich aber auch für andere Autor*innen die Chance, sich der Arbeit, also dem Schreiben zu widmen. Was hinter all den Nachrichten zu Corona jedoch zu verschwinden droht, gibt er zu bedenken, ist eine andere Krise und zwar jene auf Lesbos und an den EU-Außengrenzen. Trotz der schwierigen Situation müssen wir diese radikale Abschottung, die wir gerade betreiben, sehr gut beobachten.

Linda Müller
Linda Müller ist Lektorin im Haymon Verlag in Innsbruck. Literaturmessen sind die Gelegenheit, mit Leserinnen und Lesern in Kontakt zu treten.
Foto Privat
Robert Prosser
Lesbos und die Außengrenzen der EU sind momentan ein blinder Fleck für die Medien, einer, den wir aber auf keinen Fall aus den Augen verlieren sollten.
Foto (c) Dirk Skiba
Hansjörg Jehsenko
Sollten die Maßnahmen länger andauern, dann sind kleine Buchhandlungen aber auch große auf Hilfe definitiv angewiesen.
Foto (c) F. Jana Madzigon
Diana Köhle
Es ist wichtig und gut, dass gerade jetzt vielleicht klar wird, was es bedeutet als freischaffende Künstlerin zu arbeiten.
Foto (c) Anna Konrath

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