17. Juni 2020

Buchtipp: Wir haben keinen Kontakt mehr

Wir haben keinen Kontakt mehr - Cover - Edtion Atelier

Erzählungen von Andreas Jungwirth

Die Regenbogenparade wird heuer nicht wie gewohnt stattfinden können, für den 27. Juni sind aber ein weltweites Stream-Event und ein Regenbogen-Corso um den Wiener Ring geplant. Wir wollen euch schon jetzt ein passendes Buch zum pride month ans Herz legen.

Es kommt auf die Perspektive an

Andreas Jungwirth, der sich bisher vor allem durch sein Engagement fürs Hörspiel und als Autor von Jugendliteratur einen Namen gemacht hat, lässt mit seinem ersten Buch für Erwachsene aufhorchen. „Wir haben keinen Kontakt mehr“ ist ein schmaler, sehr dichter Band, der es in sich hat. Auf nicht mal 80 Seiten lässt Jungwirth das Leben eines Menschen Revue passieren, der selbst nicht allzu aktiv auftritt. Das mag nicht weiter ungewöhnlich sein, die formale Konstruktion der Erzählung ist es allemal. „Wir haben keinen Kontakt mehr“ setzt sich aus 14 Episoden zusammen, die um den nur in den Erzählungen anderer vorkommenden Protagonisten David kreisen; wir lernen ihn als Teenager ebenso kennen wie als Mann um die 50 und viele Stationen dazwischen. Es sind subjektive Erlebnisse, Erinnerungen von 14 voneinander unabhängigen Menschen erzählt, die David zu jener Zeit mehr oder weniger nahe waren – Freunde, Bekannte, Liebhaber, die jeweils von einer markanten Begegnung erzählen.
„Wir haben keinen Kontakt“ mehr zeigt einen rastlosen Mann in verschiedenen Lebensphasen und -stationen. David verschlägt es von einer Stadt in die nächste, von der Uni bis in den Darkroom, wir begegnen ihm als jungen Raufbold auf dem Land, als Zoologie-Student in Wien, mal ist er in Berlin, dann in Leipzig zu Hause. Nach und nach formt sich so ein vielschichtiges, manchmal widersprüchliches Bild eines Mannes, der durchs Leben treibt, sich in oberflächliche Beziehungen stürzt, um sich nicht mit seiner Verletzlichkeit auseinandersetzen zu müssen, und dessen selbstzerstörerische Ader und Gewaltausbrüche lange unentdeckt bleiben – denn erst nach und nach offenbart sich, dass unter Davids vermeintlich so zwangloser Oberfläche etwas brodelt, das mit dem Verlust einer alten Liebe zu tun hat, mit unbewältigten Aggressionen, Scham und Schuldgefühlen …

Queere Literatur

Andreas Jungwirth verhandelt in „Wir haben keinen Kontakt mehr“ nicht nur große Themen wie Sexualität, Liebe und Freiheit, er geht auch auf das tabuisierte Thema Gewalt in schwulen Beziehungen ein.

Wir haben keinen Kontakt mehr
Andreas Jungwirth
Erzählung
80 Seiten, € 14,-
Edition Atelier

Bild: Wir haben keinen Kontakt mehr – Cover – Edtion Atelier

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