3. November 2021

Buchtipp: Wien. Legende und Wirklichkeit

Cover - Wien. Legende und Wirklichkeit Edition-Atelier

Ilsa Bareas fesselnde Kultur- und Stadtgeschichte

Vor 55 Jahren trug die Journalistin und Autorin Ilsa Barea zusammen, was die Wiener Gesellschaft, ihre Architektur, Landschaft, Kultur, Politik und Atmosphäre geformt hat. Liebevoll, aber auch kritisch schreibt sie über die Persönlichkeiten, die Wien so einmalig gemacht haben.

Das Leben der Autorin war so bewegt wie das ihrer Stadt: Ilsa Barea war eine unermüdlich kämpferische Frau, die mit nur wenig Sprachkenntnissen als Journalistin nach Madrid ging, um die spanische Republik im Kampf gegen die Aufständischen unter General Franco zu unterstützen. Danach lebte sie in England, wo sie ihre Erfahrungen in dieser Zeit im autobiografischen Roman Telefónica (Edition Atelier, Erfolgsausgabe 2021) niederschrieb. Im Herzen blieb sie aber immer eine leidenschaftliche Wienerin. 1966 erschien das Buch, das sich ganz ihrer Heimatstadt widmet, erstmals in England unter dem Titel „Vienna: Legend and Reality“ und feierte auf Anhieb immensen Erfolg. Bald erschienen Übersetzungen. Ihre Pläne, das Buch auch in einer eigenen deutschen Übersetzung zu publizieren, konnte sie leider nicht mehr umsetzen. Jetzt, fast fünfzig Jahre nach ihrem Tod, erscheint dieses Fundstück, das mehr und anders über Wien erzählt, als Wiener*innen selbst wissen, endlich auf Deutsch.

Vienna. Legend and Reality

Ilsa Barea spannt den Bogen vom 16. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg und arbeitet die historischen Schichten Wiens auf. Dabei führt sie vor Augen, »wie die erzählten und erdichteten Legenden die Wirklichkeit überlagerten und wie die Wirklichkeit umgekehrt die Legenden in der Geschichte Wiens zugleich hervorbrachte und nachahmte«. Neben dem kulturhistorischen Aufriss sind es vor allem die autobiografischen Anekdoten und Ilsa Bareas persönliche Perspektive, die ein authentisches und lebendiges Bild der Kulturstadt ergeben. Sogleich unterhaltsam als auch lehrreich schreibt Barea nicht nur über die bekannten Wiener Intellektuellen, Künstler*innen und Genies, sondern auch über die Massen von arbeitssuchenden Menschen und ihr Schicksal in der Stadt. Wer sich mit der Autorin auf die Zeitreise begibt, merkt, wie viel schriftstellerische Energie in die Arbeit dieses Wien-Buchs gesteckt wurde. Umso mehr wundert man sich, warum „Wien. Legende und Wirklichkeit“ nicht schon viel früher ins Deutsche übersetzt wurde, und freut sich gleichzeitig über die nun vorliegende akribische Übersetzung der Herausgeber*innen Julia Brandstätter und Gernot Trausmuth. Ein Sensationsfund für Wien-Fans!

Wien. Legende und Wirklichkeit
Ilsa Barea
Aus dem Englischen von Julia Brandstätter und Gernot Trausmuth
Nachwort von Georg Pichler
ca. 460 Seiten
38,- Euro
Edition Atelier

Bild: Wien. Legende und Wirklichkeit – Cover

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