30. Oktober 2014

Buchtipp: Quecksilbertage

In der blauen Morgendämmerung hängt eine Leuchtschrift: „Aufstehen!“ Vor den verdutzten Augen der Morgen- und der Spätnachtmenschen verwandelt sich die Schrift. Unzählige leuchtende Punkte wirbeln durcheinander und formieren sich neu. „Aufstand!“ schwebt jetzt in der morgenfrischen Luft über dem Höchstädtplatz im 20. Wiener Gemeindebezirk. Die Menschen reiben sich die versandeten Träume und den letzten Schnaps aus den Augen. Was soll das heißen?

Letztes Jahr hat die in Wien lebende Eva Schörkhuber mit der schmalen Erzählung „Die Blickfängerin“ ein atemberaubendes Buchdebüt hingelegt, nun folgt mit „Quecksilbertage“ ihr erster Roman.

Und erneut stellt sie eine Frau in den Mittelpunkt, die mit der Welt und den Menschen hadert. War es bei „Die Blickfängerin“ eine Migrantin, die zurückgezogen in einer Portiersloge die Blicke der Menschen aufzeichnet und analysiert und sich schließlich hinauswagt, so ist es im Roman „Quecksilbertage“ eine Akademikerin in den frühen Dreißigern, die versucht, aus einer Arbeitswelt mit prekären Verhältnissen auszubrechen. In beiden Büchern folgt man als LeserIn den weiblichen Hauptfiguren vor allem mithilfe ihrer Gedanken durch deren Alltag.
In „Quecksilbertage“ lässt Eva Schörkhuber ihre Protagonistin Valerie 200 Seiten lang durch Wien streifen und offenbart eine junge Frau, die sich weigert, ein Teil der sogenannten Generation Praktikum zu sein – und dabei immer politischer wird. Ganz sicher ist sie sich allerdings selbst nicht, was aus ihr werden soll, und so wird diese Rebellion immer mehr auch zu einem inneren Kampf Valeries mit sich selbst. Der Roman, der überwiegend in Rückblenden erzählt wird, zeichnet sich nicht nur durch die authentische Verarbeitung eines sehr aktuellen Themas aus, Eva Schörkhuber ist hier auch eine sprachliche Glanzleistung gelungen. Und nebenbei ist es auch eine schöne Hommage an Wien geworden.

Eva Schörkhuber
Quecksilbertage
Roman, 200 Seiten, € 17,95

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