28. Mai 2015

Buchtipp: Die gute Küche der Spartaner

Ein Sommer der Kälte

Wolf hat schwierige Monate hinter sich, als sein Leben endlich wieder ein Ziel und eine Richtung erhält: Sein neuer Chef ruft an, die Arbeitslosigkeit, das Bangen und Warten hat ein Ende. Parallel dazu erfährt man von Michael, einem Jungen, der mit seinen Verwandten in die Sommerferien startet. Bei beiden Strängen könnte es sich um Geschichten von Aufbruch und Freude handeln. Doch stattdessen führt der steirische und in Wien lebende Autor Paul Ferstl seine Figuren in einem intensiven Wechselspiel an deren Abgründe und Grenzen des Erträglichen.

Der Kampf mit sich selbst

Während der erwachsene Wolf trotz, oder gerade wegen, seiner neu gewonnen Chance an der Leere und Verzweiflung in sich selbst erstickt, wird der junge Michael von Fieber und grausamen Albträumen geplagt. Beide versuchen im Strudel der Ereignisse den Kopf über Wasser zu halten und sind dabei auf sich selbst zurück geworfen. Paul Ferstl zeigt in „Die gute Küche der Spartaner” wie es ist, wenn man im Innersten um sein Leben kämpft und das Außen nichts davon wahrnimmt. Die daraus resultierende Einsamkeit wird einem im kühl-erzählenden Ton ebenso nahe gebracht wie Angst, Schuld, Selbstekel und Hilflosigkeit der Figuren. Das Psychogramm einer Familie und der Hintergrund einer schwierigen Liebesbeziehung entfalten sich dabei abwechselnd und fast nebenbei in ihren vollen Ausmaßen für die Protagonisten dieser packenden Erzählung. Ob, wo oder wie die beiden schließlich auf einander treffen, bleibt lange Zeit offen. Paul Ferstl versteht es, seine Leser und Leserinnen Schritt für Schritt in die Gedankenwelt seiner Charaktere hineinzuziehen. Und gezogen wird man, denn es gibt weder für die Lesenden noch für Wolf und Michael Momente des Durchatmens.

Großes Erzählen bis ins Kleinste

Nach seinem Roman „Der Knoten” zeigt Paul Ferstl auch in seiner neuen Erzählung, wie nahe er Leser und Leserinnen aus einer erzählerischen Distanz an seine Figuren heranführen kann. Mit präziser Wortwahl und subtilen Aussparungen entfaltet sich ein Sog, dem man sich weder entziehen kann noch entziehen will. Ein fesselndes Buch, das nachdenklich und betroffen stimmt.

 

Die gute Küche der Spartaner
Paul Ferstl
db-Verlag Wien // 2015
156 Seiten
€ 11,95

1 Kommentar

  1. […] Nach seinem Roman „Der Knoten” zeigt Paul Ferstl auch in seiner neuen Erzählung, wie nahe er Leser und Leserinnen aus einer erzählerischen Distanz an seine Figuren heranführen kann. Mit präziser Wortwahl und subtilen Aussparungen entfaltet sich ein Sog, dem man sich weder entziehen kann noch entziehen will. Ein fesselndes Buch, das nachdenklich und betroffen stimmt. – stadtbekannt.at […]

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