12. Februar 2014

Buchtipp: Die Blickfängerin

Die Erzählung „Die Blickfängerin“ der Wiener Autorin Eva Schörkhuber folgt der Perspektive einer Frau, die die Blicke der Anderen einfängt, festhält und archiviert. Sie nimmt sie auf Video auf und befreit sie so von der Flüchtigkeit, die dem Augenblick in der deutschen Sprache seine doppelte Bedeutung verleiht. Ihre Sammlung hält sie „in größter Ordnung“, sie hat sich zahllose Kategorien einfallen lassen. Dazu gehören etwa provokante, panisch-suchende, ängstliche-und-daher-provokante Blicke. Diese Spannung aus beinahe manisch anmutender Sammelwut auf der einen und strenger Ordnung auf der anderen Seite ist eine der Eigenschaften, die die Blickfängerin zu einer so faszinierenden Ich-Erzählerin machen.

Die gesammelten und aufbewahrten Blicke gehören häufig Menschen, die sich an den Rändern der Gesellschaft befinden: Migranten, Asylsuchende, Ausgestoßene aus der Gemeinschaft des Mittelstands. Auch Demonstranten sind darunter. An solchen Passagen wird deutlich: Das dokumentarische Festhalten der Blicke ist nicht nur intim, keine reine Privatsache. Die Distanz, die durch den Blick durch die Kameralinse entsteht, wird gerade in der Begegnung mit Menschen gebrochen, die sich politisch äußern – oder gar äußern müssen, wie etwa eine Gruppe von Flüchtlingen.

In einer unbedingt poetischen, klangvollen Sprache erzählt die Blickfängerin ihre Geschichte, leise und zugleich eindringlich, subtil und abgründig. Die Textlicht-Reihe der Edition Atelier hat sich junger und experimenteller Literatur verschrieben. Für Eva Schörkhubers knapp 90 Seiten lange Erzählung ist das Format damit genau richtig.

Eva Schörkhuber
Die Blickfängerin
Erzählung Textlicht
92 S., € 7,95

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