22. März 2012

Braunschlag ist überall

Wer nicht sein ganzes Leben in einer Großstadt verbracht hat – und in Österreich gibt es da eigentlich nur Wien – der kennt Braunschlag. Denn Braunschlag ist überall, kaum ein Dorf oder eine Kleinstadt in Österreich, in der man die Mechanismen der Serie nicht in abgeschwächter Form vorfinden würde.

Braunschlag ist die neue Serie aus der Feder von David Schalko, der ORF hat den Ausstrahlungstermin jedoch in den Herbst verschoben, weswegen die Serie, oder eigentlich Miniserie, denn Braunschlag hat nur acht Episoden, vorab als DVD erschienen ist. Klingt komisch ist aber so; und immerhin konnte ich so schon vorab alle acht Episoden ansehen.

Braunschlag das ist ein kleines Dorf im Waldviertel, dort wo nichts ist, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen und die Menschen von der Großstadt so weit entfernt sind, wie Saudi Arabien vom Frauenwahlrecht.

Dort regieren die üblichen Seilschaften, der Ort ist fest in ÖVP-Hand, noch mehr aber in der des Alkohols, der seuchenartig fast die gesamte männliche Bevölkerung in einem Zustand des dauernden Deliriums gefangen hält. Man kennt das, wenn man solche Orte kennt. Der Bürgermeister Tschach (Robert Palfrader) hat gemeinsam mit seinem Spezi, dem Wirten Pfeisinger (Ofczarek), das Geld der Gemeinde verspekuliert.

Wobei – verspekuliert ist zu viel gesagt, weil es eine böse Absicht voraussetzt, oder zumindest ein Plan, zu dem aber eindeutig die Gerissenheit fehlt: denn eigentlich hat man sich nur richtig blöd angestellt. Das Gemeindekapital wurde zur Finanzierung eines Casinos im tschechisch-österreichischen Niemandsland verwendet; natürlich hat das nicht funktioniert. Die Gemeinde ist Pleite, der Bürgermeister wird erpresst mit Fotos, die ihn beim Matratzensport mit der Frau seines Spezis (Nina Proll) zeigen. Auch dahinter steckt keine große Absicht, die Möglichkeiten in Braunschlag sind eben begrenzt und so hat sich das eben ergeben.

Ergeben hat sich auch, dass der Bürgermeister und der Wirt in ihrer Fetten die Idee haben, mit einer fingierten Marienerscheinung die Gemeindekasse und sich selbst zu sanieren. Ab da geht eigentlich alles schief. Ein Gesandter des Vatikans (Manuel Rubey) soll die „Echtheit“ des Wunders prüfen, St. Pölten schickt ebenfalls einen Gesandten, der im Auftrag des Onkels und Raiffeisens nach dem Rechten schauen soll. Man erlebt eine genial groteske Swingerclubszene mit Menschen im Kuscheltieroutfit; auch Braunschlag hat natürlich einen Keller nach dem Vorbild Amstettens und vieles mehr. Am Ende kommt es natürlich zur Katastrophe, die die ZuschauerInnen aber auch ratlos zurück lässt: denn ist die eigentliche Katastrophe nicht, dass in Gegenden wie Braunschlag die Katastrophe ausbleibt?

Schauen Sie sich das an!

Braunschlag ist ganz großes Kino. Natürlich ist die Szenerie ins Absurde übertrieben, die geistlose Hoffnungslosigkeit gottverlassener (im wahrsten Sinne des Wortes) Gegenden wird ins absurde überspitzt – und doch kann man sich des Eindruckes nicht erwehren, dass es all diese Charaktere irgendwo auch gibt. Den Wirten, der selbst sein bester Kunde ist, die gelangweilte Ehefrau, den gutmeinend-überforderten Bürgermeister samt duldsamer Ehefrau, den Dorftrottel, den strebsamen Bankbeamten, die abgründige Musterfrau-Nachbarin. All die Menschen, die es schon vor Jahren aufgegeben haben, miteinander zu reden, weil es ja doch nichts bringt und die zwischen Suff, Schweigen und den Versuchen, einander zu übertölpeln, scheitern.

Im Grunde sehnt man als Zusehender die Katastrophe herbei, denn so kann es nicht weitergehen. Das ist doch kein Leben, ist man versucht zu schreien. Mag ja sein, dass es kein richtiges Leben im falschen gibt, aber so falsch? Ein bisschen mehr Glücksversprechen dürfte schon sein… Doch gerade das schafft den gesellschaftlichen Kitt, der die Menschen an den Ort bindet und den Ort an sie. „Glaubst du denn ohne Probleme wäre es leichter“ fragt der Wirt seine Gattin und bringt damit den ganzen Fatalismus auf einen Punkt: es gibt kein Entrinnen aus Braunschlag, denn Braunschlag ist überall.

Die Handlungen der Protagonisten und viele Zufälle lassen die Szenerie am Ende kippen und ob es jetzt leichter ist, ist schwierig zu beantworten, aber vielleicht reicht es ja schon, dass es anders ist?

Österreich unter dem Brennglas

David Schalko ist mit Braunschlag eine Nabelschau des ländlichen Raums in Österreich gelungen, das er wie unter einem Brennglas auf einen Punkt, eben dieses Braunschlag konzentriert. Selbstverständlich ist Braunschlag in Niederösterreich, denn nirgends kumuliert dieser ländliche Raum so wie dort, wo die Leibeigenschaft als letztes abgeschafft wurde. Notgedrungen ist Braunschlag zu viel, so viel Österreich haut die stärksten ProtagonistInnen um, und muss in allgemeiner Auflösung enden.

Aber über Österreich kann man viel lernen in dieser Serie und in vielerlei Hinsicht ist sie ein echter Lichtblick in der tristen österreichischen TV Landschaft. Sei es nur wegen der Bilder all der traurigen Kuscheltiere im Swingerclub, die man wohl sein ganzes Leben nicht mehr aus dem Kopf bekommen wird.

Wer es nicht mehr erwarten kann, kann die DVD schon jetzt erwerben, erschienen ist sie bei Hoanzl. Kaufpreis 29,99 Euro zzgl. Versandkosten. Im Herbst ist es dann auch im ORF so weit, so Gott will!

Daniel Steinlechner

1 Kommentar

  1. da kowara

    17. September 2012

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