12. Mai 2011

Bob Dylan Konferenz – Organisator Eugen Banauch im Gespräch

"Refractions of Bob Dylan – Cultural Appropriations of an American Icon" heißt die dreitägige, mit Dylans 70er koinzidierende Konferenz im Amerika-Haus, die Eugen Banauch, Literatur- und Kulturwissenschafter auf der Amerikanistik der Uni Wien, organisiert. Ich treffe Banauch, der in diesem Jahr Dozent an der Universität in Jerusalem ist, in einem Café im 4. Bezirk, um über die Konferenz (die vom 19. bis zum 21 Mai stattfindet), über Dylan und dessen Aneignungen, Metamorphosen und die Gefahr, diese überzuanalysieren, zu sprechen.

Erzähl uns ein wenig über Idee, eine Konferenz zu machen die sich mit Aneignungen von Dylan beschäftigt.

Banauch: „Die Idee kam im Frühsommer 2010. Ich dachte mir, Dylan wird dieses Jahr siebzig und drum herum eine Konferenz zu machen wäre interessant – und würde dem, auch wenn es als akademische Konferenz geplant ist, eine größere Öffentlichkeit zuführen. Der zweite Grund war ein rein persönlicher: ich bin großer Dylan-Fan, was auch immer das genau bedeutet – und dachte mir, ich nutze diese relative Freiheit, die ich an der Universität habe, um ein spannendes Thema mit einem persönlichen Steckenpferd zu verbinden“.

Wie ging es dann weiter ?

Die Idee kam Ende Juni 2010 – ich habe dann relativ schnell einen Call for Papers geschrieben. Es kam neben der Idee, etwas über Dylan zu machen recht schnell eine inhaltliche Idee, und die hängt damit zusammen, wie mich das Thema allgemein interessiert: und das ist nicht unbedingt, wer jetzt Dylan genau ist, wie man dem auf die Spur kommen kann und was das für ein Universalgenie ist, das dahinter steckt. Nicht dass es nicht legitim und interessant wäre, diese Frage zu stellen: für mich war aber eben eher interessant was mit diesem Dylan, der uns ja eh bereits sehr repräsentiert erreicht, gemacht wird. Wie wird Dylan dargestellt, wie wird Dylan auch in divergenten kulturellen Räumen verwendet – auch im Wandel der Zeit: wie unterschiedlich Dylan 1966 oder 2010 rezipiert wurde und wird. Alles, was weniger statisch ist, das hat mich interessiert an der Sache.

Bei der Dylan-Sache haben wir es ja mit Dylan Industries zu tun, ich bin ja nicht der erste, der Idee hatte etwas über diesen Typen aus Hibbing, Minnesota zu machen. Es gibt viele Themen, die schon abgearbeitet worden sind: Dylan und seine Masken, seine Wandlungen. Bei mir war die Überlegung, wie es eben mit "appropriations" aussieht. Ich hab mir Anfangs gedacht, die ganze Sache "cultural translations" zu nennen, aber mir war eben diese Geschichte der Aneignung wichtig.

Weil du sagtest, Dylan erreicht uns immer repräsentiert: die Metamorphosen sind ja ein wesentlicher Punkt bei Dylan. Es gibt ja so gesehen nicht einen Dylan, sondern viele Dylans.

Ja, total. Das ist halt eine Sache, die recht oft behandelt wurde, diese Maskenidee, die Überlegung dass sich Dylan im Laufe seiner Karriere immer unterschiedliche Masken aufsetzte. Das stimmt ja auch, das passt ja auch. Andererseits taugt mir diese Metaphorik allerdings nicht so sehr: das ist dann ja auch immer ein Versuch, Dylan seine jeweilige Maske vom Gesicht zu ziehen und zu etwas Essentiellem zu kommen, etwas das man festhalten könnte. Darum hab ich das vermieden, das interessiert mich nicht so sehr. Natürlich ist es interessant sich anzuschauen, dass der Gospel Dylan ein anderer ist als der Theme Time Radio Dylan oder der 66er Dylan – aber irgendwann kommt man da nicht mehr weiter von dem, was einfach nur beschreibt. Deswegen wollte ich weg von dieser Maskenmetaphorik hin zum Thema, was mit Dylan gemacht wurde und wird.

Es haben sich irrsinnig viele Leute gleich nach dem Call gemeldet, die diese "Appropriations" in beide Richtungen verstanden und für sich genützt haben. Es gibt Papers, wie Dylan angeeignet wurde, was aus ihm gemacht wurde – andererseits gibt es auch viele Papers, die sich ansehen, was Dylan sich selber angeeignet hat, was er selber verwendet hat. Das ist ja ein schon bisher stärker bearbeitetes Thema: der Dylan, der aus dem Blues geschöpft hat, der Dylan, der sich an Wodie Guthrie abarbeitet, der sich eben ständig Sachen angeeignet hat.

Die alte Folk-Ethik eben, man nimmt Stücke und stellt sie in einen eigenen Kontext.

Genau, und auch wo die Bruchlinie ist, wo das ganze Plagiarismus wird. Oder auch, und das finde ich noch spannender, wenn man in diese Richtung denkt: wie reagiert Dylan, wenn er selber appropriiert wird, bestes Beispiel ist das, welches du gerade angesprochen hast, von dieser Folkwelle. Dass er umarmt wird von einer doch eher dogmatischen, linken Protestbewegung der Sechziger, die aber doch sehr rigide agieren – und sein klarer Rebellionsgestus, 1965/66, zur Zeit als er beginnt elektrisch zu spielen. Das kann man auch ein Stück weiterdenken, nämlich diesen Verweigerungsgestus als Verweigerung von Aneignung: dass ihm diese Folk-Geschichten nicht nur einfach auf die Nerven gingen, sondern dass er sich ja einem recht strikten Authentizitäts-Korsett entzieht.

Also eigentlich eine Dreifachbedeutung von "appropriations".

Kann man so sagen. Allerdings war es nicht von mir vorgegeben, dass es genau jene drei Bedeutungen gibt, sondern dass ist von den jeweiligen Vortragenden so verstanden wurde. Diese groben drei Felder sind also da, innerhalb derer sich Konferenzbeiträge mit dieser kulturellen Aneignung auseinandersetzen.

Es hat sich ja eine Eigendynamik entwickelt, du hast irrsinnig schnell viele interessante Anmeldungen bekommen.

Ja, bis hin zu diesen drei großen Dylan-Namen, Stephen Scobie, Michael Gray und Clinton Heylin. Das sind drei der fünf ganz, ganz großen Dylanexperten der letzten Jahrzehnte, die den Call for Papers gelesen und mich angeschrieben haben, das fand ich schon super.

Was die klassische Dylan-Aneignung im divergenten kulturellen Raum betrifft, gibt es vier Regionen, die wir uns genauer anschauen Da haben wir, wie du es eben angesprochen hast, das Paper von Grabovski, „Like a Rölling Stön“, das sich die Aneignung von Dylan in der DDR anschaut. Das ist ja nicht nur dialektal gesehen lustig, sondern vor allem ideologie- und ideologiekritisch interessant sich das anzusehen. Ich war 2004 auf einem Flohmarkt in Dresden, und hab mir eine CCR Platte gekauft, die damals in der DDR erschienen ist. Die hatten durchaus amerikanische Popularmusik akzeptieren können, nur waren hinten auf der Platte didaktische Anweisungen drauf, wie man welchen Song zu lesen hat. Die haben CCR letztlich als eine in die Arbeiterbewegung einzugliedernde Band gesehen – und ich denke, dass Grabovski auf solche Sachen durchaus zu sprechen kommen wird.

Andere Räume sind Italien, Österreich und die Schweiz. Der Fokus Österreich ist mir wichtig, der Kontrast aber auch. Österreich als case study ist total spannend, als special wäre es aber lächerlich.

Weil man sich vieles aus dem Fingern saugen müsste und es gewissermaßen auch überakademisiert.

Ja. Wenn du dir kulturelle Aneignungen ansiehst, ist es spannend dir den divergenten Raum anzusehen, aber du musst da weitergehen und komparatistisch arbeiten. Dass man nicht glaubt, dass es ein Phänomen wie Ambros und seine Dylan Überetzungen nur hier gäbe, Ähnliches gab es beispielsweise in Israel ebenso. Man kommt nur zu einigermaßen relevanten Ergebnissen, wenn man vergleicht.

Gefällt dir die "Ambros singt Dylan" Platte eigentlich?

Ich mag die gern, ja. Ich muss aber sagen, dass ich sie noch nicht lange kenne, sondern eher im aftermath vom Call of Papers mir genauer angehört habe. Was der Platte vorgeworfen wird, ist dass er Dylans Ton nicht trifft, diesen New York Hipster, elektrischen, Warhol-Factory artigen Sound. Dass er diese Art von Boheme nicht trifft – die kann er aber auch nicht treffen, weil das in Österreich zu der Zeit nicht gab. Das geht einfach nicht. Insofern find ichs schon gut, dass er es in einen eigenen Kontext einbettet, wenn man so will, einen Strizzi-Kontext. Er musste ja irgendwo andocken, was er kulturell vorfindet, was vorhanden war.

Wir haben ja bereits einmal über die berühmte Pressekonferenz 1965 gesprochen, wo Dylan auf jede Frage, die ein wenig auf einer Metaebene daherkommen will, sehr lustig reagiert. Glaubst du besteht nicht die Gefahr, Dylan überzuakademisieren?

Ja, es gibt die Gefahr ihn überzuakademisieren, oder sich an einer Art Dylan-Hagiographie aufzuhängen. Die Gefahr ist sicher da, aber da hilft der Ansatz der Konferenz, sich anzuschauen, was mit Dylan gemacht wurde, wie er verwendet wurde – quasi eine Metareferenz drüberzustülpen und nicht zu einer Essenz kommen zu wollen. Ich glaube, durch die thematische Fokussierung werden sich diese Fragen nicht stellen.

Es werden also keine Metamorphosen seziert.

Nein. Metamorphosen kommen aber schon vor, im Sinne unterschiedlicher Spielarten der Abarbeitung. Es ist ja diese inszenierte Biographie die ich spannend finde, nicht nur bei Dylan.

Erzähl ein bisschen vom Rahmenprogramm.

Es ist eine schöne Geschichte, die sich da entwickelt hat. Wir haben zwei Rahmenevents, beides sind Dylan Tributes. Das eine ist ein Konzert am 20. Mai in der Bunkerei im Augarten, das andere ist eine Lesung von zeitgenössischen österreichischen AutorInnen am 21. Mai. Das macht Sinn, weil einige österreichische AutorInnen in den letzten Jahren Bücher geschrieben hat, in denen Dylan behandelt wird, oder in irgendeiner Art und Weise eine Rolle spielt. Mich freut das insofern sehr, weil ich dieses Thema nicht nur trocken akademisch behandelt wird, sondern dass es auch ein Rahmenprogramm gibt, das die Konferenz wirklich befruchtet. Das wird auch keine Konferenz zu, keine Ahnung, den Schnürsenkel bei Shakespeare in seinen frühen Tragödien mit einem Barockkonzert im Rahmenprogramm. (lacht).

Das genaue Programm der Konferenz ist auf der offiziellen Homepage der Konferenz, auf der man sich auch noch für die Konferenz anmelden kann: www.dylanvienna.at

Für das Dylan Tribute Concert am 20. Mai in der Bunkerei Augarten gibt es Tickets in der Jugendinfo, jeder Bank Austria Filiale, oder an der Abendkassa.

Die Lesungen finden am 20. Mai (20.00) in der Bunkerei Augarten statt. Bei freiem Eintritt können Doris Knecht, Bernhard Moshammer und Andreas Unterweger gehört werden.

Markus Brandstetter

Geschichten rund um den Song Noir. Von strauchelnden Protagonisten, Mythen und Mixtapes.

2 Kommentare

  1. robert

    12. Mai 2011

    yeah
    tolles interview!!!

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  2. Charles

    12. Mai 2011

    Ganz spannendes Interview
    gefällt mir sehr.

    Reply

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