18. Mai 2011

Berlin – Diagnose: Burgerwahn

Was sich in anderen Großstädten Europas fast epidemiegleich und dem Blick kaum entziehbar in das Stadtbild eingebrannt hat wie die Menschen und die Autos, die sich darin bewegen, das hält sich in Berlin scheinbar zumindest ein wenig dezenter zurück:

Wenn ich an Filialen der Monster-Ketten McDonald’s oder zum Beispiel Burger King denke, dann fallen mir auf die Schnelle eigentlich nur die klassischen Standorte an den Bahnhöfen und vielleicht in ein oder zwei Einkaufszentren ein. Vor der Eröffnung der ersten McDonald’s-Filiale in Kreuzberg im Jahr 2007 mussten die Betreiber mit massiven Protesten der Kiez-Einwohner rechnen.

Mögen die denn keine Burger?

Diese nicht vorhandene Omnipräsenz der Fast Food-Ketten bedeutet aber keineswegs, dass nicht auch die Berliner hin und wieder die Lust auf einen saftigen Burger und mehr oder weniger vor Fett triefenden Pommes oder Wedges überkommt, hier bevorzugt man jedoch, was wieder einmal keine Überraschung darstellen dürfte, ein Alternativformat. Denke ich nämlich nur an Burger und nicht an große Fast-Food-Ketten, dann tummeln sich plötzlich unzähligen Namen in meinem Kopf: Kreuzburger, Berlin Burger International, Ketchup & Mayo, Rosenburger, Burgerie, Burgermeister, The Bird oder Dream Burger sind nur ein kleiner Auszug dessen, was in Berlin einen richtigen Hype darstellt.

Was mir bereits während meiner ersten Woche in Berlin dezent suggeriert wurde, zieht sich seitdem wie ein roter Ernährungsfaden durch meinen Aufenthalt und hat nicht nur in mir einen treuen Anhänger gefunden – in Anbetracht der Tatsache, dass sich alleine im Umkreis meiner Wohnung innerhalb von etwa zehn Gehminuten Läden mit den findigen Namen Kreuzburger, Dream Burger und Burgerie befinden, stellt es quasi ein Ding der Unmöglichkeit dar, nicht ebenfalls angefixt zu werden.

Fast food goes slow food

Der schnelle Cheeseburger für zwischendurch, dessen Verzehr ein Sättigungsgefühl von etwa zwanzig Minuten verspricht, wird hier abgelöst durch wahre Burger-Türme, nach denen man sich nicht vorstellen kann, während der nächsten Tage auch nur einen einzigen zusätzlichen Bissen zu sich zu nehmen, die dem Bauch aber dennoch das Gefühl vermitteln, man habe ihm etwas Gutes getan. Egal, wie klein oder groß der Burgerladen sein mag, sie alle werben mit selbst gemachten Wedges, frisch durch den Wolf gedrehten und direkt in Folge auf den Grill geschmissenem Fleisch mit Bio-Gemüse innen drinnen, ausgefallenen Saucen oben drauf und einem fast schon an einen ganzen Lifestyle grenzenden Ambiente.

So kann man sich im Neuköllner Berlin Burger International während des Essens von „sanften“ Technoklängen berieseln lassen und mit den Betreibern samt Burger-Glücksrad ihren ersten Geburtstag auf einem Open Air feiern. Das laute Aussprechen des Namens Burgermeister, der angeblich beste Burgerladen der Stadt unter der Oberbaumbrücke, Schmelztiegel für Horden an Touristen und alteingesessenen Berlinern, wo ob des Andrangs gar an ein Wartezimmer erinnernde Nummernschilder ausgegeben werden, ruft Reflexe Pawlow’schen Hunden gleich hervor und gleichzeitig den Streit darüber, ob nun tatsächlich der Burgermeister oder Berlin Burger International der bessere Burgerladen sei. Bei Dream Burger stellt man sich seinen Burger je nach Lust und Laune an der Theke selber zusammen, White Trash Fast Food hält, was der Name verspricht und wartet sogar mit eigenem DJ und € 3,- Eintritt auf, The Bird ist ein eher schickes Burger-Restaurant mit livrierten Kellnern.

We all scream for burger!

Und so kommt es, dass ganze Gruppen regelmäßig zu einem der unzähligen Burgerläden pilgern, um eine „Unterlage” für das darauf folgende Trinkgelage zu schaffen, Verwandschafts- und Freundesbesuche aus anderen Städten nobel zum Burger-Mahl statt in die Pizzeria ausgeführt werden und alle paar Tage, alle paar Meter ein neuer Laden mit noch kreativerem Namen und noch ausgefallenerem Konzept aus dem Boden schießt.

Eva Felnhofer

ist noch länger in Berlin.

1 Kommentar

  1. Nina

    12. Mai 2011

    Mal wieder
    sehr nett und witzig geschrieben. Ich freu mich jede Woche drauf.

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