25. Januar 2016

aida

Ein Traum in Altrosa und Braun

Sie wird oft stiefmütterlich behandelt, die vor über 100 Jahren gegründete Konditorei.
 
Kaum etwas spricht auf den ersten Blick dafür, in die altrosa-braune Welt der aida einzutauchen: Nicht ganz so exklusiv und traditionsreich wie die altwiener Kaffeehäuser, welche bei Wienern und Touristen gleichermaßen beliebt sind; nicht hip und modern wie die neuen Bobo-Cafés, wie das Espresso oder das Halle Café im MQ; und es gibt weder Iced Caramel Latte Macchiato noch irgendeinen Kaffee „to go“. Die Imagewerte sind dementsprechend im Keller, aber irgendwie hat sie schon etwas, die aida. Nur ist sie jetzt Kitsch, Camp, Trash oder Kult – oder ist sie einfach nur eine langweilige Kuchen-Absteige für den Lebensabend?
 

Hofratswitwen und Mindestrentnerinnen

Denn hauptsächlich ältere Damen und Herren erwartet man in der aida, vielleicht noch das eine oder andere „Wiener Original“, welches Schnauzbart- und Vokuhila-tragend um elf Uhr das erste Bier bestellt. Doch weit gefehlt: gleich einem Mikrokosmos sind hier alle in Wien lebenden Schichten repräsentiert: Betuchte Hofratswitwen und ärmliche Mindestrentnerinnen, Schülerinnen die zum Lernen kommen und Handwerker in voller Montur, die sich die dritte Kaffeepause am Nachmittag mit einer Torte versüßen, gestresst telefonierende Anzugträger und augenscheinlich sozial Unterprivilegierte, die hier Zeit totschlagen.
Ein gefundenes Fressen für jeden Soziologen, gleicht die aida einer natürlichen Versuchsanordnung; und kaum zu glauben: es funktioniert. Beim Kaffeetrinken und Kuchenessen sind sie alle gleich, als würde die rosa-gesättigte Kitsch-Atmosphäre die Gemüter auf eine gemeinsame Wellenlänge schalten und alle Unterschiede vergessen machen. Und hat man einmal aida-Luft geschnuppert kommt man so schnell nicht mehr los. Laut aida-Magazin sind 80% der Besucher Stammgäste, die vom aida-Feeling nicht mehr genug bekommen.
 

Das süße Angebot

Doch nicht nur der Kultstatus und ein leichter Hang zum Voyeurismus locken in die aida, auch das süße und pikante Angebot kann sich sehen lassen. Eine fast unübersichtliche Auswahl an Torten, Kuchen, Schnitten, Strudeln, Pralinen und Mousses aller Art lassen keinen Wunsch offen, Klassiker wie die Sachertorte, der Apfelstrudel oder die Esterházy-Schnitte liegen neben Eigenkreationen wie der neuen Apfel-Zimt-Schnitte: dunkles Biskuit, Mürbteig-Boden, Preiselbeer-Marmelade, Apfelfülle, Zimt-Mousse und ein Hauch von Apfelgelee lassen wohl keine Fragen, dafür umso mehr Münder offen.
 

Der aida-Kaffee

Der herrliche aida-Kaffee soll hier natürlich nicht unerwähnt bleiben, gilt er bei Stammgästen doch als der Beste in Wien. Magenschonende Bohnen und Röstung, fruchtiges Aroma und leichte Säure-Nuancen charakterisieren ihn.
Pikante Kaffeehausklassiker wie die belegten Brötchen, Schinkenrolle mit Krenfüllung oder das Mayonnaise Ei dürfen auf der Karte auch nicht fehlen, besonders letzteres versprüht einen Hauch Skurrilität, verspricht es mit dem Mayonnaise-Dip und dem Mayonnaise-Salat doch den Ei-Overkill.
 

STADTBEKANNT meint

Also: die aida hat eine Chance verdient. Kommen Sie wegen der Mehlspeisen und bleiben Sie wegen der Atmosphäre – oder umgekehrt. Und wenn das alles nichts hilft: die geschmacklosesten KellnerInnen-Uniformen Wiens sind auf jeden Fall eine Besichtigung wert, eine der 29 Filialen in Wien ist bestimmt in Ihrer Nähe.

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