6. Juni 2013

Vom Radio Sozialfriedhof zum Freien Radio

„Video killed the Radio Star“. Hört man dem Gehirnfasching auf so manchem öffentlich-rechtlichen Radiosender zu, scheint diese Boggles-Aussage traurige Realität. Ganz Österreich scheint von einem unerträglichen Radiofluch heimgesucht zu sein, fast scheint es als wollen sich manche Sender an Stumpfsinn und Dummheiten gegenseitig übertreffen.

Ganz Österreich? Nein, zum Glück gab und gibt es immer Radiostationen, die sich dem Mainstream verweigert haben – Piratensender heißt das Zauberwort. „Piratensender Powerplay“ heißt ein deutscher Spielfilm aus dem Jahre 1981 mit Mike Krüger und Thomas Gottschalk. Hier wird in bewährter deutscher Klamaukmanier die David gegen Goliath Geschichte eines kleinen Piratensenders erzählt, der einen großen BRD Sender zu Fall brachte. Das Phänomen Piratensender ist aber durchaus kein deutsches, gerade Österreich kann auf eine sehr bewegte Geschichte des Piraterie-Rundfunks zurückblicken.

Die Anfänge

Bereits in der 1. Republik gab es erste Ansätze, dem RAVG, dem Vorläufer des späteren Österreichischen Rundfunks (ORF), in Form von Piratenradios des sozialdemokratischen Freien Radiobundes zu trotzen. Die Wirksamkeit und Wahrnehmbarkeit der Piratensender dauerte jedoch eine Weile. Nachdem in der 2. Republik die Macher von Ö-Frei ab 1979 in Graz vier Sendungen zu je 15 Minuten gesendet hatten, gab es erst ab 1987 bemerkbare Piratenaktivitäten. Hauptmotivation der illegalen Radiosender war es, in Opposition zur Berichterstattung des ORF zu treten, der Monopolisierung des Österreichischen Rundfunks entgegenzuwirken. Radiosender mit klingenden Namen wie Radio Sozialfriedhof, Radio Sprint oder Radio Rücktritt berichteten fortan über eher marginal behandelte Ereignisse und sozialkritische Bewegungen wie Studentenstreiks, Demonstrationen gegen Sozialabbau oder über die Anti-Waldheim Demonstration 1988. Ziel war die Durchsetzung politischer Ziele wie die Liberalisierung auch nichtkommerzielle Radios und deren finanzielle Förderung.

Aber erst ab 1991 begann die „heiße Phase“ des illegalen Radios. Der 31.3.wurde zum Piratentag erklärt und war gleichzeitig der erste Sendetag. Neben den schon bestehenden Stationen folgten Radio Filzlaus, Radio Hotzenplotz und Radio Breifrei. 1992 gab es bereits 25 verschiedene Sender, die Frühstückssendungen, Gemeinschaftssendungen und Kulturprogramme ausstrahlten. Krass waren schon immer die rechtlichen Schritte von Seiten des Staates: So wurden bis 1993 insgesamt 34 Radiostationen beschlagnahmt, mit Hubschraubern nach Radiopiraten gesucht und die Höchststrafe für illegale Radioaktivität wurde auf ganze 100.000 Schilling beziffert.

Die Legalisierung

Aber die illegale Sendetätigkeit war nicht einziger Sinn und Zweck der Radiopiraten. Bereits 1991 wurde zusammen mit den Grünen ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet, der vorsah, dass die vorhandenen freien Frequenzen, die nicht vom ORF genutzt wurden, zu gleichen Teilen zwischen kommerziell-privatem und Freiem Radio aufgeteilt werden sollten. Finanziert werden sollten die Stationen über einen Fond, der sich aus Abgaben von Werbeeinahmen des ORF sowie der kommerziellen Radiostationen speisen sollte. Der Kampf um freie Sendefrequenzen, der in Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte endete, sollte sich jedoch ganze sechs Jahre hinziehen.

Es dauerte bis zum 20. März 1997, bis der Nationalrat die Novelle zum Regionalradiogesetzt beschloss. Bis Juni 1997 haben sich ganze 300 Bewerber für die Erwerbung einer Radiofrequenz angemeldet, von den zwölf Freien Radiobewerbern erhielten acht eine Sendelizenz oder wurden zumindest in Form eines Sendefensters integriert

Piratenradio, nun ganz legal

Am 17. August 1998 war es dann soweit, Radio Orange ging als erstes Freies Radio auf Sendung. Nicht länger mussten nun Freie Radiosender um ihre Existenz bangen (obwohl die finanzielle Situation der meisten Sender immer noch höchst prekär ist auf Grund fehlender Beischüsse durch Kommune und Land) oder sich vor Räumungen und Geldstrafen fürchten. Besonders wird die Partizipation gefördert, so sind sowohl Orange als auch Helsinki offen für jeden Interessierten: Willige Radiomacher erhalten eine Einschulung und bekommen die notwendige Infrastruktur vom Sender zur Verfügung gestellt und konzipiert eine eigene, neue Sendung oder man steigt einfach bei einer bestehenden Sendung mit ein. Besonders gefördert werden Themen die in den Mainstream-Medien nicht beziehungsweise nur marginal behandelt werden.

Mittlerweile sind Radiostationen wie Orange oder Helsiniki (und wenn man so will, Okto im Fernsehbereich) nicht mehr wegzudenken aus der Rundfunklandschaft. Mit ihrer Opposition zum Sendeprogramm der staatlichen wie privat-kommerziellen Sender bilden sie eine in einer auf Entertainment abzielenden Medienlandschaft notwenige Plattform für Menschen, Gruppen, Ethnizitäten und Problematiken, die anderswo nicht mehr zu Wort kommen würden.

Für mehr Information konsultiert man am Besten den Verband Freier Radios Österreich.

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