3. November 2012

Vive la Révolution

Lange Haare, Rock ‚n? Roll, freie Liebe und ein bisschen Revolution. „Après Mai“ ist die persönliche Hommage von „Carlos“-Regisseur Olivier Assayas an die wilden 70er.

„Ich habe Angst meine Jugend zu verpassen“, sagt der 20-jährige Gilles gegen Ende des Films. Hat man das erlebt, was Gilles und seine Freunde im Frankreich der 70er Jahre erlebt haben, kann von „verpassen“ keine Rede sein. Zwischen Flugblatt-Aktionen, Straßenschlachten mit der Polizei, Brandanschlägen und Drogenpartys lässt sich der junge Gymnasiast durch die Wirren des Lebens treiben. Dennoch hat Gilles ein großes Ziel vor Augen: Er will Künstler werden. Von seiner ersten Liebe enttäuscht, treibt es ihn von der Kunstuni zum Dokumentar-Film, dann zur Musik und wieder zurück zum Film. Seine Freunde und Weggefährten stehen vor ähnlichen Entscheidungen. Über all dem schwebt das Ideal einer sozialistischen Revolution.

Eine Zeit des Ausprobierens

Olivier Assayas, der bereits den Linksterroristen „Carlos“ imposant in Szene gesetzt hat, schießt dem erfolgreichen Politthriller von 2010 mit Après Mai einen persönlicheren, teils autobiographischen Film hinterher. Klar kommt die Politik in dem Film nicht zu kurz, dafür war die Jugend 70er zu politisiert. Dennoch stehen vermehrt die Liebschaften des jungen Gilles, die Sinnsuche einer ganzen Generation und der „Style“ der 70er im Mittelpunkt. Die Atmosphäre war Assayas diesmal wichtiger, als historisch korrekte Verwicklungen. So gesehen hat Après Mai auch keinen klar erkennbaren Handlungsstrang. Die Orte wechseln, die Protagonisten wechseln, Alles wechselt. Dabei ist es gerade diese Haltlosigkeit und Verwirrung, die diese bewegte Zeit auszeichnet und dem Film Authentizität verleiht. Das Jahrzehnt nach `68 war eine Zeit, in der sich die Jugend Alles zutraute, selbst mit dem Risiko, dass nichts davon funktionierte. Eine Zeit des Ausprobierens, des Aufbegehrens und auch des Scheiterns. Eine Unangepasstheit, die man der Jugend von damals leichter verzieh, als man sie der heutigen Jugend verzeihen würde.

Was von Après Mai trotz aller Verirrungen bleibt, ist das wunderschöne Bekenntnis einer Generation, die von sich behaupten kann, nicht Nichts getan zu haben. Und die Ästhetik einer Zeit, in der Gitarre und Lederjacke noch den Hauch der Rebellion versprühten.
Von Après Mai können Alte träumen und Junge lernen.

Foto (c) Viennale

Stefan Weiss

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