4. Januar 2012

StudiVZ, Rest In Peace. Ein Abgesang.

Es hat sich ausgegruschelt. „StudiVZ vor dem Ende“, schreibt die Frankfurter Rundschau. Eine eigens installierte Homepage berechnet überhaupt das genaue Todesdatum des Social Networks, das gegen Facebook & Co nicht mehr so ganz anstinken kann. Den Mayakalendar wird also auch StudiVZ, dessen Todesdatum Mitte 2012 sein soll, nicht mehr überleben. Ein Befund digitaler Anämie.

Digitale Ghettos und die Kunst des Gruschelns

Während Myspace längst von einer globalen Community einerseits und einer omnipräsenten Plattform für Bands und Musiker andererseits zum digitalen Ghetto verkommen ist, erinnert das ehemals prominente StudiVZ ein wenig an das Szenario in der Verfilmung von Stephen Kings „Langoliers“. Geht man hin, fühlt man sich in einem Loch im Zeit/Raum-Kontinuum gefangen, die meisten Passagiere sind weg und diejenigen, die noch da sind, sind einem ziemlich suspekt. Wer heute noch jemanden gruschelt, gehört zu einer (vielleicht auch zu Recht) aussterbenden Spezies. (Sidenote: Wer übrigens auf Facebook Leute poked ist nicht minder suspekt!). Dabei hat das doch alles so schön angefangen.

Früher war alles anders.

2005 war StudiVZ noch ein eigener Staat, der auch Nicht-Studenten die Staatsbürgerschaft verlieh. Millionen und Abermillionen strömten dem Netzwerk zu, stellten Fotos online, addeten und gruschelten, was die Tastatur hergab und traten zahlreichen Gruppen mit lustigen Namen – Bekenntnisse zu banalen Angewohnheiten (alá „Ich dusche gerne warm“, „Frühstücken im Bett ist super“ oder „Ich habe dreimal im Jahr Durchfall und Kohletabletten helfen“ – quasi der Vorläufer der Statusmeldungen, die andere Menschen nicht wissen müssen) oder irgendwelchen Insiderjokes – bei. Da waren auch durchaus kreative Gruppen dabei: „Entschuldigen Sie, mir kam gerade etwas Kotze hoch“ – „Wer gruscheln will, muss auch ficken“, „Ich habe keine Lösung aber ich bewundere das Problem“ etwa. Man konnte auf StudiVZ auch ungestört Leute stalken, nicht so ganz ungestört wie bei Facebook zwar aber immerhin, und war 2009 beispielsweise noch einer von 6,2 Millionen gleichgesinnten. 85 Millionen Euro war der Verkauf damals wert, heute würde man es wohl eher auf einer Lost&Found Aktion ersteigern können.

Digitale Anämie.

Nicht nur, dass Facebook das StudiVZ – das mittlerweile auch um das SchülerVZ erweitert wurde – wegen Ideenklau angezeigt hat: an eigenen Ideen hat es seit jeher gemangelt. So ist die StudiVZ-Seite nahezu funktionstechnisch unverändert und bietet wohl auch dem mitteilungsbedürftigsten Pennäler nicht mehr den Appeal, den Facebook locker und immer wieder mit neuen Features aus den Ärmeln schüttelt.

Was 2005 von CEO Ehssan Dariani und Dennis Bemmann als CTO (quasi technischer Chef) gegründet wurde, liegt in den Endzügen digitaler Anämie. „Wannstirbtstudivz.at“ gibt dem Netzwerk hämisch (für genaues Datum siehe Link) noch bis Frühling diesen Jahres. Neue CEOs wollten Gewinn, aber keine großen Veränderungen. Und auch für die verpatzte Gelegenheit, als Facebook das VZ aufkaufen wollte, beißt man sich heute noch in den Allerwertesten.

Epilog.

Stadtbekannt sagt adieu, du Anachronismus. Auch wenn wir es nicht gedacht hätten, einige unserer Studien haben in ihrer Dauer nicht nur deinen Zenit, sondern auch deine Lebensspanne überdauert. Was weder für Dich, noch für uns spricht.

(Markus Brandstetter)

7 Kommentare

  1. StuuuuuuuudiVauZet

    4. Januar 2012

    ach
    schön war die zeit. lebwohl du geile plattform du!

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  2. richelieu

    4. Januar 2012

    goodbye studivz
    aka StudiFotze

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  3. Anna Chronismus

    4. Januar 2012

    gruscheln?
    wer gruschelt ist ein böser mensch bitte

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  4. camus strandpotter

    5. Januar 2012

    gegruschelt….
    ….wird der verfasser dieses sehr einseitigen artikels (markus brandstetter) auf studivz wie ein verrückter haben.
    aber sich deshalb gleich als dumm und anachronistisch bezeichnen?!

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  5. brandstette

    5. Januar 2012

    @camus strandpotter
    Touché – meine Einseitigkeit rührt daher, dass ich in der Kindheit zu wenig gegruschelt wurde.

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  6. anna

    5. Januar 2012

    autsch
    "einige unserer Studien haben in ihrer Dauer nicht nur deinen Zenit, sondern auch deine Lebensspanne überdauert."
    gaaahhh, bitte erinnert mich doch nicht an meine diplarbeit, von der ich mich auf stadtbekannt gerade so schön ablenken wollte…

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  7. brandstetter

    5. Januar 2012

    @anna
    habs deswegen geschrieben um mich selbst an meine diplomarbeit zu erinnern 😉

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