12. Mai 2013

Streng vertraulich

Ein junger, afrikanischer Prinz treibt die Bürokraten des faschistischen Italien zur Verzweiflung. stadtbekannt hat das Buch von Andrea Camilleri für euch gelesen.

Es gibt die schöne Redensart "aus jemandem einen Narren machen". So etwa kann oft sehr lustig und kurzweilig sein. Doch was macht man, wenn man bereits ringsum von Narren umgeben ist und die einen auch noch auffordern in ihrer Clownerie den Zirkusdirektor zu geben? Was liegt da näher, als ihrem Wunsch zu entsprechen und sich einen ordentlichen Jux zu machen?


Einen Jux will er sich machen

Das oder etwas ähnliches muss sich der junge Prinz Grhane Solassie Mbssa, Neffe des Negus Negesti Haile Selassie, Kaiser von Äthiopien in Andra Camilleris neuestem Schelmenstreich "Streng vertraulich" gedacht haben. Zu Beginn des neuen Schuljahres 1929/30 kommt dieser afrikanische Prinz im sizilianischen Vigáta an, um die dortige königliche Bergbauschule zu besuchen. Mehr aber noch als berufliche Bildung soll er, nach dem Willen der faschistischen Machthaber, von den Segnungen und der Überlegenheit des glanzvollen Faschismus erfahren. Diese Kunde soll er anschließend brieflich seinem royalen Onkel übermitteln, um Schönwetter für die außenpolitischen Pläne des ruhmreichen Duce Benito Mussolini zu machen.

Ein Plan der leider fürchterlich nach hinten los geht. Denn der adelige Gast zeigt sich leider vor allem spielfreudig, streitlustig und wollüstig. Viel mehr ist er an seinem persönlichen Vergnügen interessiert als daran, den verlangten Brief zu schreiben und seinen Onkel zu beeinflussen. Weiß er doch, dass es eine ganze Kompanie von Schranzen gibt die im, Sinne des Duce und des faschistischen Staates, seine Scherben beseitigen und ihn bei Laune halten wollen. So macht er sich einen Spaß daraus mit seinen Taten und amourösen Abenteuern bei den überforderten Bürokraten der Region, die den hedonistischen Lebensstil des Bonvivants so gar nicht verstehen wollen, für rauchende Köpfe zu sorgen. Mit zunehmender Rat- und Hilflosigkeit bis hin zur Verzweiflung müssen sie den Eskapaden des schwarzen Prinzen zusehen, der nur darauf hinarbeitet zum finalen Streich auszuholen.

Hinters Licht geführt

Ein einziger junger Mann schafft es die faschistischen Übermenschen reihenweise hinters Licht zu führen. Er erobert reihenweise Frauenherzen und prellt alles und jeden, vor allem den Staat, um Geld. Und die Horde der ratlosen Bürokraten ergeht sich in ihrer Hilflosigkeit nur in einem Gewühl an blindem Gehorsam, persönlicher Feigheit und zügelloser Dummheit. Wie der schlaue Asterix im "Haus das Verrückte macht" (in "Asterix erobert Rom") lässt er den faschistischen Apparat an sich selbst verzweifeln.

Der Prinz Grhane Solassie konfrontiert ihn mit dem größtmöglichen Widerspruch: unbeirrter Individualität. Sakrosankt in seiner Rolle kehrt er damit gleichsam en passent die ganze Absurdität und Ignoranz dieses Systems hervor.

Die große Welt im Kleinen

Wie immer schafft es Camilleri seine Geschichte in eine wunderbare (nicht immer in der Bedeutung von wunderschön!) Umgebung einzubetten. Sein Sizilien ist schon ein ganz besonderer Flecken Erde. Zwischen Vigáta und Montelusa spannt er etwas auf, das für uns nur wie eine sonnige Twilight Zone wirken kann. Bekannt bereits aus seinen großartigen Comissario-Montalbano-Krimis bildet sie den idealien Hintergrund für die Geschichte der Tragikomik der großen Welt im Kleinen.

Während er hier auf die delikaten Rezepte des Salvo Montalbano verzichtet schafft er es mit seinen sizilianischen Dialekteinsprengseln, die auch in der deutschen Buchversion oft unübersetzt bleiben, viel am Flair der Insel zu transportieren. Gerade dieser Lokalkolorit ist des, der die oft sehr ernsten Themen seiner Bücher, wie hier der schreckliche Faschismus, erdet und für den Alltag herunterbricht. Denn bei all seiner Komik ist "Streng vertraulich" ein sehr engagiertes Buch über einen Apparat der tiefer in die Menschen eindringt als diesen bewusst ist und den oft nur ein dünnes Sediment der Geschichte bedeckt.
Es benötigt eben nicht nur die großen Schlächter, sondern auch die vielen kleinen Rädchen um das allumspannende Grauen in Szene zu setzten.

Wahrheit und Fiktion

Passend zur gesamten Eulenspiegelei des Prinzen ist es auch Camilleri der hier ordentlich lügt, genauer gesagt so stark, dass sich die Aktenschränke biegen. In den wahren Kern der Geschichte, dass nämlich ein Neffe des Kaisers Haile Selassie als erster schwarzer Schüler von 1929 bis 1932 die königliche Bergbauschule in Caltanisetta besucht hat, geheimnisst er eine ganze Kette von Ereignissen und Verwirrungen hinein.

Diese vermeintlichen Fakten unterfüttert er mit einem ganzen Schwall an Akten (Briefen und Gesprächsprotokollen), aus denen das Buch schlussendlich besteht. Die wild herumschießenden Nachrichten und Gesprächsfetzen lassen einen höchst unterhaltsamen Eindruck davon bekommen, wie sehr dieser eine junge Mann es geschafft hat die gesamte örtliche Nomenklatura in Aufruhr zu versetzen – ein Heidenspaß, der nicht einmal vor den verehrten Kirchenvertretern, vom Bischof abwärts, halt macht.

Damit ist "Streng vertraulich" ein leichter, aber trotzdem intelligenter Lesespaß für Strand und Liegestuhl. Und es soll einem vor allem Warnung sein, nicht so lange in der Sonne zu braten bis man aussieht wie wohl der Duce, als er gehört hat wie er so listig übers Ohr gehaut wurde. Krebsrot ist nämlich nie gesund.

Streng vertraulich
Andrea Camilleri
Nagel & Kimche

262 Seiten, geb.
Eur 20,50

1 Kommentar

  1. Rudl

    25. Mai 2011

    Flair
    Muss ich unbedingt lesen, ich finde auch die Montalbano-Krimis vor allem wegen des südlichen Flairs großartig.

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