11. September 2012

Premiere: Anpfiff zum Sommergespräch – Finale: live!

Monologisieren können Politiker recht gut. Sie wiederholen sich ständig, antworten beinahe stereotyp und werden letztendlich einfach abgedreht – jedoch ohne, dass sich etwas geändert hätte. Warum also jährlich Ähnliches erleben und den Landesfrieden riskieren? Dachte sich wohl auch Armin Wolf, nachdem er via Twitter vergangene Woche bekannt gegeben hat, dass es tatsächlich seine letzten Sommergespräche gewesen sein könnten. Der Sommer ist nun vorbei. Die Sommergespräche sind zu Ende. Zukünftig wohl auch mit Armin Wolf.

All jene, die das fünfte und letzte Sommergespräch mitverfolgt haben, sahen erstmals eine Episode aus der Sommergesprächsserie: Politiker, die Rede und Antwort stehen können.

Die Teilnehmenden

Werner Faymann. Bundesparteiobmann der größten österreichischen Partei, der SPÖ, und Bundeskanzler, stellt sich Armin Wolf im Gartenhotel im 23. Wiener Randbezirk in Altmannsdorf. Am Rande erwähnt sollte die SPÖ jedoch nicht bleiben. Denn hier in der Wiener Vorstadt ist es sie, die regiert.

Öffentlicher Matchpoint

Von einem Kanzler wird erwartet, dass er eine Konfrontation mit einem Journalisten gekonnt besteht. Kann er auch. Hr. Faymann wollte sich als souveräner Politiker präsentieren. Und das tut er. Er scheint gut auf das Sommergespräch vorbereitet zu sein. Live vorgelegte Unterlagen und Antworten auf viele Fragen sind der Beweis dafür. Teilweise wirkt sogar A. Wolf ein wenig in die Defensive gedrängt und verunsichert. Ob es an der Uhrzeit liegt oder der viel zu kurz verfügbaren Zeit sei dahingestellt. 1:0 für Faymann. Allerdings sorgt auch der, wie immer bestens vorbereitete ORF Moderator, für die eine oder andere Falte auf W. Faymanns Stirn. 1:1. Ausgleich.

Einspielen

Der SPÖ Chef war und ist bis heute kein Revoluzzer. Und anders als seinerzeit im Schultheater gibt er sich im Sommergespräch dezent autoritär. Ohne jedoch auf den Tisch zu klopfen. Unnötig. Stattdessen präsentiert er sich mit dem bekannten Dauerlächeln von seiner professionellen Seite. Und hie und da schmunzelt selbst er über die ein oder andere gestellte Frage von A. Wolf.

Erste Spielhälfte

So auch über jene zu den Vorwürfen der aktuellen Inserate-Affäre. Die Stimme des sonst so konstant ruhigen und geduldigen Bundeskanzlers wird hier erstmals energischer. Faymanns Fazit zu den Anschuldigungen ist, dass es doch einen Sinn hat zu werben. Nämlich jenen, daraus einen positiven Nutzen für die jeweiligen Inserierenden zu ziehen. Punkt.

Halbzeit

Es scheint als wäre der Einfluss der Politik auf Medien in Österreich deutlich größer als im übrigen Europa. Allerdings wäre die Kronenzeitung auch ohne Faymann heutzutage genauso stark. Möglicherweise auch umgekehrt.

Zweite Spielhälfte

Nächster Diskussionspunkt: Die Volksbefragung zum Thema freiwilliges Berufsheer statt allgemeiner Wehrpflicht. Auch hierzu äußert sich der Sozialdemokrat ganz konkret: Es gibt niemand höheren als das Volk. Niemand kann gegen das Volk gewinnen oder verlieren. Das Ergebnis der Volksbefragung entscheidet. Ein Resultat, das vom Minister bestmöglich umgesetzt werden sollte. Und nein, es ist keine Schande, das Volk entscheiden zu lassen. Es ist auch nicht unbedingt die erfolgreichste Strategie, die gegnerischen Parteien zu beleidigen, um für seine Ideen zu werben. Kritik muss nicht herabwertend sein. Gewinnen wird schließlich derjenige, der die besten Argumente hat. Und eines trifft auf einen Regierungschef bestimmt zu: Er muss Entscheidungen treffen. Die Schwierigkeit dabei ist allerdings, die richtigen Kompromisse zu finden. Außerdem: Wer sich freiwillig und gesellschaftlich engagiert, nimmt persönlich sehr viel mit.

Endspurt

Die Studiengebühren sind kaum der Rede wert. Für Faymann gibt es keine Alternative zum bestehenden Modell. Aber darüber zu diskutieren wäre doch erlaubt gewesen! Die verbleibende Zeit lässt es auch kaum zu, länger über den U-Ausschuss zu diskutieren. Kurz und prägnant: Es ist die Aufgabe der Abgeordneten, die über die Vorladungsliste entscheiden – er, Faymann, übe selbst keinen Einfluss darauf aus.

Foul: In der Wiederholung erneut analysiert

Zum wohl tausendsten Mal erwähnten ESM antwortet der Bundeskanzler erneut, dass der Schutzschirm keine wesentliche Vertragsänderung bedeute. Das Problem: Im Falle eines EU-Austritts treffe es so oder so die Falschen. Die Lösung: Schneller und zukunftsorientierter agieren. Und hinter unserer Währung stehen. Mehr einnehmen als ausgeben. Geschickter Konter von A. Wolf: „Hr. Faymann, Sie machen’s sich’s zu leicht.“

Nachspielzeit

A. Wolf hat es nach sieben Jahre Pause in diesem Jahr erneut mit den Sommergesprächen versucht. „Persönlich sind sie ein schwieriges Format. Keine Pressestunde. Aber auch kein Geplauder. Kritisch. Aber kein Verhör. Persönlich aber nicht unpolitisch.“ Ob er diese 2013 mit voraussichtlich ähnlicher Besetzung wiederholt bleibt abzuwarten. Potenzieller Nachfolger – gesucht und gefunden? Obwohl Hr. Faymann seit langer Zeit in der Politik vertreten, ist er äußerlich nur eines geworden: grau. Und wäre er nicht Berufspolitiker geworden, dann wäre er möglicherweise beim ORF gelandet und würde eventuell anstelle von Armin Wolf durch die Sommergespräche führen. Ob Faymanns Worte beim ORF erhört werden oder gar mancher dort ergraut – es bleibt spannend.

Dieser Weg wird kein Leichter sein

Prinzipiell ist die Politik an jeder Misere Schuld. Ohne Ausnahme. Sie hat viele Ziele vor Augen. Und allzeit bekannt ist, dass der Weg das Ziel ist. In der österreichischen Politik stellt sich allerdings die Frage, die sich schon Alfred Dorfer gestellt hat: „Wenn der Weg das Ziel ist, ist dann das Ziel weg?“ Wir werden sehen.

Foto (c) ORF

Carmen Reiter

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