7. Juni 2010

Ewald Tatar von Nova Music im Gespräch

Langweilig wäre Ewald Tatar dieser Tage sicher auch ohne Interviewtermine nicht. Der Festivalsommer steht an, Wetter hin oder her – und somit auch das von ihm ins Leben gerufene Nova Rock, das auch dieses Jahr, mit Headlinern wie Rammstein, Green Day und The Prodigy ein gewohnt hochwertiges Line Up bietet. Für die "Musikindustrie von Innen"-Serie von stadtbekannt nahm sich der symphathische Nova Music-Chef trotzdem Zeit.

Wir sollen einfach in den Gasometer kommen, er macht an dem Abend Cypress Hill, schreibt uns Ewald Tatar. Wir sind schon ein wenig früher als vereinbart da, und da er vor uns noch einen anderen Interviewtermin hat, spazieren wir ein wenig um den Gasometer herum, aus der Masse der auf den Konzerteinlass wartenden Menschen steigt ein wohlbekannter Duft von selbstgebauten Zigaretten mit dem gewissen Extra auf, dem Mainact angemessen, neben uns trinken Teenager Sangria aus dem Tetrapack, ein Fm4-Banner ist am Eingang aufgestellt.

Ewald Tatar empfängt uns im Catering-Bereich, fragt uns ob wir was trinken wollen.  Er hat ein bisschen was Surfer-archetypisches, mit seinen langen blonden Haaren, ist ein sehr entspannter, umgänglicher Gesprächspartner – ein wenig müde wirkt er, zu tun gibt es für den Geschäftsführer der Nova Music (nicht nur) im Sommer schließlich mehr als genug.

Begonnen hat er als DJ, unter anderem im Jazzpub Wiesen. Tatar: "Ich war damals schon Besucher vom Jazzpub und den Wiesen Festivals, und habe Ende der 80er schon begonnen, bei den Wiesen-Festivals mitzuarbeiten, als Stagehand, als Fahrer, als Plakatierer, was auch immer".

Nach der Matura begann er ein Betriebswissenschaft-Studium, ehe er zwei Jahre später zum ORF wechselte und dort als Journalist arbeitete. 1991 wechselte er fulltime nach Wiesen und arbeitete dort im Büro, ehe er, vier Jahre später, die Programmverantwortung für die damaligen Festivals übernahm, nämlich  für das Jazzfest und das Sunsplash. Zur selben Zeit entstand das Forestglade ("mein Kind"), später kamen dann noch Two Days A Week und das Sunsplash hinzu.

Tatar: "2004 war es dann so, dass ich mit der Wiesenfirma das Aerodrome in Wiener Neustadt gemacht habe, mit Red Hot Chili Peppers und Metallica – bis jetzt das größte Festival, mit 75.000 Leuten pro Tag. Dann hat’s mit dem Franz [Bogner, Wiesen-Chef, Anm.] thematische Meinungsunterschiede gegeben, wir haben uns getrennt und ich habe 2004 mit Kollegen die Nova Music gegründet. Das ist jetzt alles die nahe Geschichte".

Die Nova Music, deren Geschäftsführer Tatar ist, ist mittlerweile Teil eines Firmenkonstrukts, einer Holding bekannt unter dem Namen "Barracuda Gruppe". Zu dieser zählen neben der Nova Music Entertainment GmbH auch Music Net, die Skalar Entertainment GmbH und die FMS. Insgesamt 30 Leute arbeiten in diesem Konstrukt, wer genau was mache, sei irrelevant, so Tatar. 300-400 Shows pro Jahr veranstaltet die Barracuda, es kam auch schon vor, das bis zu 5 Shows gleichzeitig passierten. "Der Apparat an Mitarbeitern ist dementsprechend groß, dass wir dem Herr werden können". Die Diskussion, ob Nova Music mittlerweile eine Art Monopol hätte, verneint er, ein wenig genervt.

Tatar: "Was für ein Monopol? Von was? Im Gasometer spiel ich zwischen 40 und 50 Shows pro Jahr. Fehlen 310 Tage, wo anderer Veranstalter was machen können, wo ist da das Monopol. Festivalmäßig habe halt alles ich gemacht, aber es steht ja jedem frei, sein Festival zu machen. Ich mache ja nichts, das ich irgendwem wegnehme, sondern das, was ich mir vor 15 Jahren aufgebaut habe. Es kann jeder kommen und sich auch was aufbauen".

Zur Konkurrenz habe man prinzipiell ein gutes Verhältnis und stehe in freundlichem Kontakt, mit manchen mehr, mit manchen eben weniger.
Direkter Kontakt mit Künstlern auf den Festivals ist eher die Ausnahme. Einerseits, weil geschäftliches privat nicht besprochen wird ("Business läuft über den Computer und übers Telefon, das Zwischenmenschliche passiert face to face"), andererseits ist auch privater Kontakt aus anderen Gründen die Ausnahme:

"Ich reiß mich nicht drum. Mir ist es lieber ich seh keinen. Für die ist es ja auch eine Art von Small Talk, die sie nicht so brennend gern machen, und ich muss sagen: ich versteh es. Umgekehrt ist es genauso. Was nutzt mir das wenn ich hingeh und sag "gefällts dir eh so?", und der denkt sich "schon wieder ein Veranstalter". Außer ich kenne sie, und sie verlangen nach mir und sagen "ich möchte dich jetzt sehen", oder "komm nachher auf eine Flasche Sekt vorbei". Es gibt schon Hausbands, wo man weiß das wird am Nova Rock passieren. Zum Beispiel Prodigy, das sind mittlerweile Freunde. Wenn man die sieht freut man sich, nicht weil man Prodigy sieht sondern weil man die Typen sieht, mit denen man schon viel erlebt hat, und schon viel Kopfweh am nächsten Tag gehabt hat."

Spezielle Kopfweh-Anekdoten ? "Das erzähl ich nicht, das is besser so", lacht Tatar.

Bei bis zu 400 Shows und jährlichen Festivals stellt sich natürlich die Frage, inwieweit die Veranstaltungsarbeit aus Routine, aus einfach abgespulten Abläufen besteht.

Tatar: "Routine in dem Sinn wird es nie. Man lernt jedes Jahr was dazu, man kann jedes Jahr was besser machen. Aber es wird jedes Jahr leichter – wenn du jedes Jahr auf dem selben Gelände bist, dann sind das Dinge, die sich einfach schon eingespielt haben in den letzten Jahren… Insofern kann man es natürlich Routine nennen.

Raum für Expansion sieht Tatar bei den Festivals keinen ("Kapazitätsmäßig das, was es haben soll") auch kann er sich nicht vorstellen, neben den bereits bestehenden etwas neues zu machen."Eher noch, dass eines wegfällt, als das eines dazu kommt. Das Nuke, zum Beispiel, ist jetzt weggefallen, dazu ist Forestglade dazugekommen. Forestglade ist halt mein Kind, das heuer 15 wird und jetzt 4 Jahre nicht stattgefunden hat".

Das Nuke hat venuetechnisch, so Tatar, nie seine Heimat finden können – einmal war es im Billachtal, einmal in St. pölten, dann in Wiesen. "Weder Fisch noch Fleisch", sei es gewesen, so dass man gesagt hat, okay, das hat so keinen Sinn, wir lassen das jetzt".

Das Wichtigste auf Festivals und Konzerten, so Tatar, sei stets die Sicherheit. "Es gibt soviel unvorhergesehen Dinge, die du eh nicht beinflussen kannst, darum solltest du jene Dinge, die du beinflussen kannst, im Vornherein auf jeden Fall im Griff haben".

Die größte Angst?

"Dass sich wirklich jemand wehtut, oder schlimmeres. Wenn irgendetwas kaputt wird, mein Gott, das kann man zahlen, das ist mir wurscht. Geld ist nicht die Welt. Am meisten Angst habe ich, dass jemand etwas gröberes passiert. Man muss sich aber auch klarmachen, dass bei soviel Besuchern jedes Jahr irgendwann etwas passieren wird, da braucht man sich nichts vormachen. Vor dem Tag habe ich sicherlich Angst. Das einzige, das ich hoffe, ist dass ich nicht in irgendeiner Art und Weise mir Schuld zuweisen muss, sondern mich damit auseinandersetzen muss, wie man das in Zukunft verhindert".

Einen unerfüllten Wunsch gibt’s in punkto Veranstalten für Tatar nicht mehr, den hat er sich mit dem anstehenden Prince-Konzert in Linz erfüllt. Dass er, wie er es früher immer gemeint hat, in Pension geht, wenn er Prince auf Liste abhaken kann ("vielleicht ist das jetzt mein letztes Interview", lacht er), muss man dennoch nicht wirklich befürchten. "Ich wüsste nicht, was ich machen würde", bis auf vielleicht Restaurantbesitzer mit Haubenkoch, dessen besten Kunde er wäre, wie er lachend meint. Auch wenn’s oft mehr Stress ist als es Spaß macht:

"Momentan ist es Stress. Das Problem ist, dass du manchmal keine Zeit hast, Spaß daran zuhaben. Andererseits: es ist nicht mein Hobby, ich bin nicht Konzertbesucher sondern Veranstalter, es ist mein Job. Da macht dir ein Tag eben Spaß, und der nächste Tag eben nicht. Tatsache ist aber, ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht. Mein Hobby war Musik,  – insofern habe ich es unabsichtlich zu meinem Beruf gemacht. Was kann man sich schöneres wünschen".

Was jetzt ansteht für den Nova Music-Chef?

"Viel regentanzen, damit es nicht mehr regnet. Also den Anti-Regen Tanz. Sonst is mir alles recht momentan, es muß nur zum Regnen aufhören". Sonst zufrieden? "Sonst zufrieden".

Wir wünschen alles Gute, auf dass der Anti-Regentanz Wirkung zeigt, und bedanken uns für das symphatische Gespräch.

(Text: Markus Brandstetter, Gespräch: Markus Brandstetter & Lara Chhatwall)

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