18. März 2011

Es gab nicht nur Tschernobyl…

Vor Fukushima war in der Öffentlichkeit vor allem die Atomkatastrophe in Tschernobyl bekannt, war sie doch bisher das größte Desaster dieser Art. Weit weniger geläufig sind andere, ebenfalls äußerst ernsthafte Havarien.

Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) kategorisiert diese Unfälle auf der achtstufigen INES-Skala (International Nuclear Event Scale):

0 – Ereignis ohne oder mit geringer sicherheitstechnischer Bedeutung
1 – Störung
2 – Störfall
3 – Ernster Störfall
4 – Unfall
5 – Ernster Unfall
6 – Schwerer Unfall
7 – Katastrophaler Unfall

Die höchste Einstufung INES-7 erreichte bisher nur die Katastrophe in Tschernobyl. Die Ereignisse im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi sind derzeit mit Stufe sechs bewertet, wobei die Gefahr eines Katastrophalen Unfalls noch besteht.

Hier eine Liste der gefährlichsten Atomunfälle der Geschichte:

Tschernobyl (Ukraine):
Der Super-GAU im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl ist bis heute die mit Sicherheit entsetzlichste Katastrophe in der Geschichte der zivilen Nutzung von Kernenergie. Am 26. April 1986 kam es in Block 4 des Kraftwerks zu einer Kernschmelze und anschließend zu einer unkontrollierten Kettenreaktion. Bei der Explosion des Kraftwerksblocks wurden große Mengen radioaktiven Materials bis zu 9 km in die Luft geschleudert und verteilten sich dann über die umliegende Region, sowie durch den Wind über die gesamte nördliche Hemisphäre.
Während die WHO 2005 von bis zu 4.000 Toten in Folge der Verstrahlung ausging, schätzt eine Studie der beiden britischen Wissenschafter Ian Fairle und David Sumner allein die Zahl der zusätzlich zu erwartenden Krebstodesfälle in der Region auf 30 bis 60.000. Daneben erkannten sie einen Anstieg von weiteren Krankheiten wie Grauem Star oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie einen negativen Einfluss auf die geistige Gesundheit und das Erbgut der betroffenen Menschen.
Durch den atomaren Niederschlag wurden ca. 3,9 Millionen km² (40 Prozent der Gesamtfläche Europas) mit radioaktivem Cäsium-137 kontaminiert.
(INES-7)

Kyschtym (UdSSR):
In der sowjetischen Kerntechnischen Anlage Majak, nahe der Stadt Kyschtym, explodierte am 29. September 1957 ein Lagertank für Rückstände die bei der Aufbereitung von spaltbarem Material anfielen. Passiert war dies wie in Japan wegen einer ausgefallenen Kühlung. Das ungekühlte und dadurch ausgetrocknete Material entzündete sich durch einen Funken und 250 m³ davon verteilten sich über eine Fläche von 20.000 Quadratkilometer in der Umgebung. Genaue Opferzahlen sind aufgrund der jahrzehntelangen Vertuschung des Unfalls durch die sowjetische Regierung nicht mehr zu erheben, die Menge und Radioaktivität des verteilten strahlenden Materials dürfte aber jener von Tschernobyl entsprechen. Eine Schätzung russischer Wissenschafter geht davon aus, dass eine halbe Million Menschen der Strahlung ausgesetzt waren. Das betroffene Gebiet dürfte auf zig tausende Jahre hinaus verstrahlt bleiben.
(INES-6)

Windscale/Sellafield (Großbritannien):
Ebenfalls 1957, am 10. Oktober, setzte ein Brand im britischen Atomkraftwerk Windscale (später aufgrund der schlechten Publicity in Sellafield umbenannt) eine große Menge an radioaktivem Material frei. Die Temperatur im Kraftwerk stieg aufgrund falscher Berechnungen beim Ausheizen (Verbrennung der zurückgebliebenen Ablagerungen im Reaktor) bis auf 1.300 Grad Celsius an. Der dadurch entstandene Brand und die Verdampfung des eingesetzten Löschwassers verteilten radioaktives Material über hunderte von Quadratkilometer. Eine heutige Schätzung geht von 240 Todesfällen allein durch Lungenkrebs in Folge der radioaktiven Verseuchung aus.
Die Reaktoren in Sellafield sollen bis 2012 abgebaut werden.
(INES-5)

Lucens (Schweiz):
Eine Kernschmelze gab es auch bereits in unserem Nachbarland Schweiz. Im unterirdischen Versuchsreaktor Lucens schmolz am 21. Jänner 1969 ein Brennelement, dass zu wenig gekühlt wurde. Bei der anschließenden Explosion wurden schweres Wasser (Sauerstoff wird durch Deuterium ersetzt; ermöglich die Kettenreaktion indem es die bei der Kernspaltung frei werdenden Neutronen abbremst die dann eine weitere Spaltung auslösen) und radioaktives Material im unterirdischen Hohlraum um den Reaktorblock verteilt. Durch schadhafte Dichtungen breitete es sich in die weiteren Reaktorhöhlen aus. An die Erdoberfläche entwich glücklicherweise nur wenig und die Radioaktivität in den umliegenden Dörfern stieg nur in einem geringen Maß an.
(INES-5)

Three Mile Island (USA):
In Block 2 des US-amerikanischen Kernkraftwerkes Three Mile Island in der Nähe von Harrisburg kam es am 28. März 1979 zu einer Kernschmelze. Auch hier kam es zu einer Störung im Kühlkreislauf, woraufhin die Brennelemente schmolzen und das verbliebene Kühlwasser sowohl kontaminierten als auch verdampften. Als der Unfall bemerkt wurde, pumpte man Wasser in das vollkommen unterversorgte Kühlsystem nach und konnte somit gerade noch eine schlimmere Katastrophe verhindern. In den darauf folgenden Tagen ließ man einen großen Teil des verstrahlten Wasserdampfs einfach in die Atmosphäre ab um den Druck im Reaktor zu senken. In einer Studie der University of North Carolina aus dem Jahr 1997 wurde festgestellt, dass die Rate der Krebserkrankungen in den in der Richtung des radioaktiven Windes gelegenen Gebieten um bis zu 150 Prozent höher war als in den Gebieten in der anderen Richtung. 
(INES-5)

1 Kommentar

  1. Fred

    18. März 2011

    AKW
    Und weitere Gründe um alle AKWs endlich zu schliessen.

    Reply

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