9. Mai 2013

Die Schatzkammer

Welches ist das teuerste Stück in der Schatzkammer?

In der offiziellen Antwort auf diese an sich sehr klare Frage schwingt etwas sehr Wienerisches mit: die Neigung zum Amtsprinzip. Außerhalb des Behördenalltags beantwortet der Wiener Anfragen gerne mit dem Drei-Schritt-Modell: 1. Belehrung: „Na, aber eigentlich geht des so net.“ Manchmal mit dem schmollenden Nachsatz: „Da könnt ja echt jeder kommen …“ 2. Begründung (aber nur wenn der Ansuchende dem Antwortenden jetzt nicht deppert kommt, also ruhig bleibt): „Weil wissen S’, wir hab’n da eh genug zu tun. Und so etwas könn ma gar net machen.“ 3. Lösung, gnadenhalber (wie gesagt: Der Ansuchende muss während 1. und 2. ruhig geblieben sein und demütig geschaut haben): „Na, also gut. Schau ma halt amal, ob’s geht.“

Innerhalb von Amtsgebäuden, amtsnahen Stellen und Einrichtungen im Bundesbesitz (wie Museen) gilt das Drei-Schritte-Modell nur bedingt. Hier beruft man sich lieber auf das Prinzip. Das wiederum sagt in Verbindung mit dem Zitat des österreichischen Psychiaters und Nobelpreisträgers Julius Wagner-Jauregg – „Wer einen Charakter hat, braucht keine Prinzipien“ – an sich eh schon ein bisserl was aus.

Denn: „Werte zu Kunstwerken dürfen und wollen wir aus Prinzip und aus verständlichen Gründen nicht bekannt geben.“ Das ist die offizielle Antwort. Schritt 2: „Das wichtigste Objekte der Kunstkammer ist die sogenannte ‚Saliera‘ des Benvenuto Cellini, jenes der Schatzkammer die Reichskrone.“ Kein dritter Schritt, sondern der neuerliche Verweis auf das Prinzip und die Homepage.

Also klammern wir uns an erwähntes Salzfass: Die Saliera, die einzig erhaltene Goldschmiedearbeit Cellinis, gab König Franz I. von Frankreich zwischen 1540 und 1543 in Auftrag. König Karl IX. schenkte sie 1570 Erzherzog Ferdinand II. von Tirol. Am 11. Mai 2003 beschenkte sich Robert Mang selbst, als er um 3 Uhr 55 nachts über ein Baugerüst in das Kunsthistorische Museum einstieg und die Saliera stahl. Erst am 21. Jänner 2006 stellte er sich den Behörden. Seitdem ist das Salzfass in der Kunstkammer sicher verwahrt.

Ebenfalls Teile des Kunsthistorischen Museums sind die Geistliche und die Weltliche Schatzkammer, wenn auch in der Hofburg angesiedelt. Die Weltliche stellt die Insignien und Kleinodien des Heiligen Römischen Reichs mit der Reichskrone und der Heiligen Lanze ebenso aus wie die Krone Kaiser Rudolfs II. – die spätere österreichische Kaiserkrone, den Messornat des Ordens vom Goldenen Vlies und einen der größten Smaragde der Welt aus dem ehemaligen Besitz der Habsburger. Als Schmankerl sieht man außerdem zwei „unveräußerliche Erbstücke des Hauses Österreich“: den Zahn eines Narwals und eine spätantike Achatschale. Den Zahn hielt man dereinst für das Horn eines Einhorns, die Schale für den Heiligen Gral.

„Darf’s a bisserl mehr sein?“

Weitere Fragen zu Wien und deren interessante Antworten findest du in Wann verlor das Riesenrad seine Waggons? von Axel N. Halbhuber erschienen im Metroverlag.

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