3. Mai 2012

Die Betonküche – Guerilla cooking mal anders

Drei kreative Köpfe zeigen, wie man Wiens Gassenlokale aus dem Dornröschenschlaf wecken kann – mit einem Tischlein deck dich, viel Herzblut, einer Portion Wahnsinn und Ideenreichtum. Aufgetischt werden dabei nicht nur sensationell gute Küche, sondern auch ungewöhnliche Ideen im Umgang mit verwaisten Geschäftslokalen.

Wenn es um die Wiederbelebung von Erdgeschosszonen geht, sind in Wien normalerweise junge Künstler gefragt. Die Betonküche legt ein anderes Konzept vor. Hier wird aufgekocht, statt ausgestellt. Obwohl der siebente Bezirk als kreativer Knotenpunkt der Stadt gilt, wird dem einen oder anderen schon aufgefallen sein, dass es auch hier eine Menge leerstehender Geschäftslokale gibt. Das soll sich ändern, wenn das Konzept der Betonküche aufgeht. Ihre Idee: die Zwischennutzung von Lokalen, die leer stehen, um den Straßen der Stadt mehr urbanes Leben einzuhauchen. Das Rezept: Ideenreichtum, Fantasie, ein Betontisch, 24 Gäste, Liebe zum Handwerk, hervorragende Köche und Spaß am Experimentieren.

Die Macher der Betonküche

Die kreativen Köpfe, die hinter der Betonküche stehen sind Jonathan Aron Lutter, Martin Fetz und Javier Enrique Mancilla Martinez. Die Zusammensetzung des Trios könnte unterschiedlicher nicht sein: Hinter dem Projekt stehen ein Architekt, nämlich Jonathan Aron Lutter, der mit dem unkonventionellen Gemeinschaftsprojekt URBANAUTS schon über die Landesgrenzen hinaus bekannt ist für das Konzept eines Hotels im Gassenlokal (natürlich an wechselnden Orten). Außerdem mit von der Partie sind der Betreiber des Morrison Clubs, Javier Enrique Mancilla Martinez, und der Vorarlberger Martin Fetz, der schon bei der Feldküche ideenreich war. So unterschiedlich ihre Zugänge sein mögen, alle haben sie eines gemeinsam, nämlich, dass sie der Stadt und vor allem den Straßenlokalen ein wenig mehr Leben einhauchen möchten. Und gerade, weil jeder einen anderen Aspekt mit einbringt, ist die Betonküche nicht ein weiteres beliebiges kreatives Konzept, wo einmal geschaut wird, “was geht”, sondern eine wirklich spannende und gut durchdachte Angelegenheit mit viel Herzblut darin – die, auch wenn es erst der Anfang ist, zu funktionieren scheint.


Verderben zu viele Köche den Brei?

Das Konzept ist denkbar einfach: Man nehme verwaiste Erdgeschosslokale und stecke etwas Ideenreichtum hinein. Diesen bekommt man als Gast nicht nur in Form eines außergewöhnlichen Gestaltungskonzepts aufgetischt, wie in Form der Betontische, auf denen man speist, oder des bunt zusammengewürfelten Service, sondern auch in Form der Liebe zu hochwertigen, biologischen und nachhaltig produzierten Produkten, die Martin Fetz mit einbringt. Er ist einer der beiden Macher der Voralberger Feldküche, wo mit regionalen biologischen Produkten gearbeitet wird; bekannt ist er außerdem für sein anderes Projekt, das Landjäger Magazin. Diese Ideen fließen auch in die Betonküche ganz stark ein. Dass sein Großvater Senner war, merkt man etwa daran, dass er mit einer Leidenschaft über die Eigenschaften des Bergkäses – wie seinen Reifegrad oder seine Intensität – erzählt.

Enrique Mancilla Martinez ist ein wichtiger Teil der Clubszene am Naschmarkt und für seinen Morrison Club stadtbekannt. Er steht in dieser kreativen Melange für den spielerischen Aspekt: Auch, wenn ein altes Sprichwort besagt, dass zu viele Köche den Brei verderben, wird in der Betonküche genau nach diesem Prinzip gearbeitet. Abwechselnd bespielen unterschiedliche Köche an unterschiedlichen Orten den Abend, so wie man es aus der Clubszene von ihren DJs auch kennt.

Hinter den phänomenalen Kreationen, die in der Betonküche kredenzt werden, steht übrigens kein Tischleindecktich, sondern abwechselnd jene Köche, die in Wien für innovative Küche stehen, wie beispielsweise Leo Calice vom Aromat oder Andreas Wallnöfer.

 

Zwischennutzung statt Leerstand

Jonathan Aron Lutter ist Teil des Trios URBANAUTS und umtriebig als Architekt bei Kohlmayr Lutter Knapp. Ihm geht es, wie seinen Kompagnons, auch darum, ein wenig mehr Dynamik in die Erdgeschosszonen der Stadt zu bringen. Deshalb werden von der Betonküche leerstehende Geschäftslokale nur temporär bespielt, um sie für potentielle NachnutzerInnen schmackhaft zumachen. Im Falle des Lokals im 7. Bezirk gibt es schon eine Nachnutzung. Auf die Frage nach der Motivation für das Projekt meint er, dass es dabei nicht nur um den Spaß an der Sache gehe, sondern natürlich schon darum, Prozesse in Gang zu setzen. Das Ziel sei es, Aufwertungsprozesse in den Vierteln, in denen die Betonküche gastiert, voranzutreiben.

Aufwertung oder Gentrifizierung

Auf die Frage, wie sie Gentrifizierungsprozessen gegenüberstehen, meint er, dass sie diese natürlich nicht in Gang setzen möchten, das wolle man vermeiden. Man möchte aber eben wieder eine Dynamik in die Straßen der Stadt bringen und ihnen etwas Leben einhauchen – aber eben abseits von Kunstprojekten, Kunstfestivals oder der Hausbesetzerszene, welche die Eigentümer von urbanen Brachen oder anderen Liegenschaften, aus rechtlichen Gründen und Angst vor Sachbeschädigung, nicht gerne sehen.

 

Die Betonküche im 7. Bezirk

Begonnen wird mit der Widerbelebung der Erdgeschosszonen im 7. Bezirk im 365 Fox House, wo die Betonküche für ein Weilchen gastiert, um nach einiger Zeit wie eine Prozessionsraupe weiter zu ziehen in ein anderes Stadtquartier, und andere Straßenzüge mit Leerständen aus dem Dornröschenschlaf zu erwecken.

Als stadtbekannt zu Gast bei der Betonküche war, bespielte Andreas Wallnöfer die Küche. Schon bei der Vorspeise hatte er uns alle vollends mit seiner Kreation überzeugt. Ein leichter Salat ohne Schnickschnack, aber gut komponiert und wunderbar abgeschmeckt. Die Ingredenzien waren u.a. Vogerlsalat mit Büffelmozzarella, Schinken, Pinienkernen und Rosinen. Darauf folgte eine Tomaten-Schafkäse-Suppe mit Brotcroutons. Ein Huhn mit einer Art indischem Gemüse mit Süßkartoffeln und Pita kam als nächstes, als Draufgabe gab es Scheiterhaufen mit Weichsel-Kompott und als krönenden Abschluss Bergkäse, Schnaps und Kaffee.

Unser Fazit:

Frei nach Karl Farkas können wir nur sagen: “Schau`n Sie sich das an!”  All jenen, die unorthodoxen kulinarischen Genüssen zugetan sind, sei empfohlen einmal die Betonküche auszuprobieren. Eine interessante Erkenntnis, die wir an diesem Abend jedenfalls auch mitgenommen haben ist, dass die Zwischennutzung von Erdgeschosslokalen nicht mehr ausschließlich von Kunstinitiativen oder kritischen Initiativen ausgeht, sondern nun auch neue Formen der Bespielung wie durch Gastronomie Platz greifen.

Cornelia Dlabaja

Kommentieren

Die Emailadresse wird nicht angezeigt