4. November 2010

Der Take Away Guide – Eine Gegendarstellung

Das Essen in Zeiten des Prekariats

Vorab: Ich bin keine anachronistische, elmayergeschädigte Ettikettenfaschistin.

Dass das sich über Stunden ziehende, manierliche Verzehren eines dreigängigen Mittagmenüs am gedeckten Tisch in Zeiten des Prekariats mitsamt einen Symptomen Zeitmangel, Stress und Hektik eine Illusion ist, spüre ich Tag für Tag am eigenen Leib. Dass der Bedarf an schnellem Essen daher groß ist merkt man daran, dass die Take Away Stände wie Schwammerl aus dem Boden sprießen. Das Angebot reicht von „der Eitrigen mit am Bugl“ bis hin zu Asiaspezialitäten – an nahezu jedem Straßeneck wird der hektisch Nahrungssuchende mit kosmopolitischen Gelüsten fündig. All das ist heutzutage notwendig und nicht mehr wegzudenken. Das Problem ist also nicht Fast Food an sich, sondern vielmehr die die Art des Verzehrens.

Essensakrobatik

Was mir nun aufstößt ist das Verzehren des „Food of your choice to go“ in öffentlichen Verkehrsmitteln, der Uni oder – die Kamikazeversion – den in Cellophan, Styropor oder Karton verpackten Fast Food Happen vor sich hertragend, freibalancierend zu essen, immer auf die Gefahr hin, entgegenkommende Personen mit dem eigenen Essen zu streifen, anzukleckern, an den Schuhen zu besudeln (Alles schon erlebt).

Neuerdings werden ja nicht nur belegte Brötchen, Sandwiches und Hamburger (die allesamt mehr oder weniger handlich und für Umstehende appetitlich zu verspeisen sind) angeboten, sondern ganze Hauptspeisen. Sei es nun Pasta oder asiatische Nudeln, alles wird in Boxen auf die Straße geschickt. Und dann kommen einem an einem Samstag Nachmittag auf der Mariahilferstraße, wenn man sich Schulter an Schulter durch die Menschenmassen wühlt, plötzlich eine mitstäbchenessende, in einer Kartonbox stierlende Person entgegen die keinerlei Rücksicht auf Menschenströme nimmt und kamikazeartig Leute anrempelt. Oder wenn man ohnehin schon in der U-Bahn eingeklemmt ist zwischen der alten Frau und dem Bierbauch von einem Mann, man kaum Luft zum Atmen hat, dann steigt jemand ein mit einem Döner Kebap? Man sitzt mit heller Hose im Unihörsaal und neben dir nimmt ein Student Platz, packt seine Pastabox aus und kleckert dir Tomatensauce auf die neue Hose?

Ich frage mich: Muss das sein? Wenn man sich schon nicht mal die 5-10 Minuten gönnt, sich irgendwohin zu setzen und das Kartonessen in Ruhe, ohne andere Menschen physisch und olfaktorisch zu belästigen, zu verspeisen, dann soll man doch bitte zu handlicheren, geruchsarmen und akrobatikfreien Fast Food Varianten greifen wie die fabelhaften Sandwiches bei Lena&Laurenz oder Elephant&Castle aber bitte, bitte verschont mich mit euren Nudelboxen und Stäbchenkämpfen in meiner unmittelbaren Umgebung.

 

Laura Windhager

Über das Leichte und das Schwere. Zwischen Kulturpessimismus und Poputopien.

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