28. Juni 2011

Berlin – Hit and Run Kino

Der Geruch von frischem Popcorn oder wahlweise fettiger Käsesauce auf heißen Nachos, die aufgeregte, drängelnde Schlange an Wartenden vor den Kassen, die gepolsterten Sessel mit Ablagemöglichkeit für die Cola, die endlos lange, mit ohrenbetäubender Lautstärke abgespielte Werbehölle mit darauf folgender Filmvorschau, während der bereits jeder annähernd lustige Gag preisgegeben wird – alles mehr oder weniger klassische Konnotationen einer mehr oder weniger klassischen Kinobesuches.

Kino mal anders

Wer sich unter anderem an die Ausführungen zum Tod der traditionellen Esskultur und die hohen Anforderungen der durch Kreativität und Extravaganz verwöhnten Berliner Gemüter erinnern kann, den wird es nicht wundern, dass in der deutschen Hauptstadt auch im cineastischen Bereich Underground-Alternativen zur Multiplex-Vorstellung bevorzugt werden.

Multiplex war gestern

Hit and Run Kino lautet der Name des Konzeptes, welches sich der Berliner Verein zurmoebelfabrik e.V. für sein anspruchsvolles, vom Mainstream gelangweiltes Publikum überlegt hat, welches weder über ein Programm, noch über eine fixe, geschweige denn mit gepolsterten Sesseln oder Klimaanlage versehene Spielstätte verfügt, sondern „unbekannte Filme an unbekannten Orten in Originalfassung in einem temporär besetzten Ort“ zu seinem Leitsatz gemacht hat.

Um am Abenteuer Hit and Run Kino teilzunehmen, muss sich der interessierte Cineast erst für den Online-Newsletter des Vereins registrieren, der dann recht kurzfristig meist einen Tag vor der Vorführung mit spartanischen Angaben verschickt wird. Das Datum, die Uhrzeit, der Treffpunkt, meist ein U-Bahnhof am Rande der Stadt, sowie der Titel des Films mit einer kurzen Inhaltsangabe werden bekannt gegeben, den eigentlichen Zielort erfährt man jedoch erst, nachdem man mitsamt der restlichen Gruppe hingeführt wurde. € 5,- kostet die Teilnahme an dieser alternativen Abendgestaltung, und um trotz des Underground-Gedankens und –gefühls doch ein wenig Gemütlichkeit aufkommen zu lassen, werden am Zielort sogar Knabbereien und Getränke bereit gestellt.

Das Interessanteste und auch die eigentliche Idee hinter dem Konzept stellt dabei die Tatsache dar, dass Film und Location immer eine gewisse Symbiose bilden. Ein Film mit dem Titel „Supermarkt“ aus den 70er Jahren wird dann in einem alten, leer stehenden Supermarkt vorgeführt, für die Präsentation des argentinischen Films „Moebius“, in dem es um das Verschwinden eines Zuges im U-Bahnnetz von Buenos Aires geht, wird ein verlassener, überwucherter Bahnhof ausgewählt.

1:0 für Hit and Run

Die Frage außer Acht lassend, ob die Qualität der Filme den Reiz an der ganzen Sache ausmacht, beziehungsweise ob es nicht doch einfach bloß die Aufregung um den, im Vergleich zu einer regulären Filmvorführung, relativ elitären und geheimnisvollen Charakter ist, steht zumindest für mich fest, dass sogar das „reguläre“ Freiluftkino im direkten Vergleich mit dem Hit and Run-Konzept vor Neid erblassen könnte.

Eva Felnhofer

ist noch länger in Berlin.

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