3. Juli 2011

Berlin – Ein Heimaturlaub

Nach ein paar Monaten im Dschungel der deutschen Hauptstadt hat mich nun doch die Lust auf ein wenig Gewohnheit, auf eine bekannte Umgebung, bekannte Straßen, Gassen und Plätze, bekannte Lokale und bekannte Gesichter übermannt und infolgedessen zu einer Woche Heimaturlaub in Wien getrieben. Mit den psychischen Konsequenzen hatte ich zum Zeitpunkt der Organisation, Buchung und Vorfreude noch nicht gerechnet.

Psychisches Ankommen, Teil 1

Bereits kurz nach der morgendlichen Ankunft am Wiener Westbahnhof begrüßt mich am Bahnsteig der U3 ein Trupp vorbildlich zerknitterter, grantig in Falten gelegter und misstrauisch aus den Augenwinkeln schielender Wartender, der sich, noch bevor der Zug ganz eingefahren ist, bereits mit renommierter und Erfolg versprechender Ellbogentaktik über, unter und zwischen mir und meinem Koffer hindurch schiebt und mir dezent suggeriert, dass ich mit meinem Ungetüm an Gepäck sicher niemandem den wohl verdienten Sitzplatz stehlen werde. Nach einem Ellbogen in den Rippen und einer Achselhöhle im Gesicht bin ich nicht bloß physisch, sondern auch psychisch angekommen und genieße auf dem Weg nachhause die durchaus vermissten und brav in die Gespräche der Umstehenden eingebauten „Oidas“ und „urs“.

Psychisches Ankommen, Teil 2

Nachdem das Gepäck abgeladen ist, beschließe ich ob des strahlenden Sonnenscheins, meinen Tag mit einem Frühstück im Café zu beginnen. Vorbei am lieblichen Duft abgestandenen Schnitzel-Fetts und formvollendet beschrifteten Täfelchen, die mit Angeboten wie „Frittatensuppe und gebackene Champignons mit Sauce Tartar“ interessierte alte Herrschaften mit Gehstock und Hut anlocken, erreiche ich das Café meiner Wahl und werde vom freundschaftlich einladenden Blick des livrierten Kellners fast erschlagen. Als ich es nach der obligatorischen Viertelstunde gekonnten Ignorierens von seiner Seite dann doch wage, dezent meine Hand in die Höhe zu heben, um ein wenig Aufmerksamkeit zu erhaschen, ernte ich das wohlverdiente Kopfschütteln und noch immer kein Wiener Frühstück, bin dafür aber zum zweiten Mal wieder zuhause angekommen.

Psychisches Ankommen, Teil 3

Den Nachmittag mit freudigem Entzücken über die Schleichkolonnen grantiger alter Menschen (ja, irgendwie habe ich sie doch vermisst), über das entgegen Schmeißen des Zigarettenpäckchens in der Trafik, über das gelangweilte und gleichzeitig fast drohende „Kleiner haben’s es ned?“ im Supermarkt und über die trotz Sonnenschein und frühlingshafter Temperaturen nicht aufzuhellenden Mienen verbracht, überkommt mich gegen Abend hin der Hunger und wenige Minuten später die zu meiner eigenen Verwunderung tatsächlich verdrängte Tatsache, dass die Supermärkte nicht bis Mitternacht offen haben.

Psychisches Ankommen, Teil 4

Nach der Pizzaschnitte freue ich mich auf ein abendliches Bier, dessen Genuss sich jedoch aufgrund der etwas komplizierten Auswahl der Lokalität ein wenig herauszögert. Auch die Tatsache nämlich, dass es vor allem in Stenzel’schen Gefilden nicht unbedingt das Einfachste ist, ein nicht durch eine sterile Glastür getrenntes und entstelltes Lokal zu finden, ist vom Bewusstsein in den hinteren Bereich meines Kopfes gewandert. Schlussendlich doch nieder gelassen, und im Minutentakt durch den Raum schallende, erboste Schreie bezüglich der nicht durchgehend geschlossen gehaltenen Trennwand gekonnt ignorierend, erklingt nach dem heiß ersehnten Konsum zweier Zwickl und gefühlten zwanzig Minuten bereits wohl bekannte Melodie leise im Hintergrund.

Die Erkenntnis

Da selbst nach penibelstem Durchforsten sämtlicher zur Verfügung stehender iPhones noch immer keine vertretbare Möglichkeit zur weiteren Abendgestaltung (schließlich ist es Mittwoch!) entdeckt wurde, beschließe ich, den Heimweg anzutreten und falle, nachdem mir der Taxifahrer in völligem Bewusstsein meiner geistigen Abwesenheit und sadistischem Blick seine gesamte Lebensgeschichte erzählt hat, mit folgender wohliger Erkenntnis ins Bett:

Wienerin in Berlin (VI): Die sexy Berliner Mauer.

Wienerin in Berlin (VII): Wien, schnoddrige Hauptstadt des Zwergenstaates Österreich.

Wienerin in Berlin (VIII): Berlin, wo sind deine Alten hin?

Wienerin in Berlin (IX): Berlin – Was es braucht, um so richtig cool zu sein.

Wienerin in Berlin (X): Berlin – Abenteuer Tram.

Wienerin in Berlin (XI): Es geht in die Verlängerung.

Wienerin in Berlin (XII): Berlin – Adieu traditionelle Esskultur

Wienerin in Berlin (XIII): Wo die Retro-Armee marschiert

Wienerin Berlin (XIV): Berlin – Überforderung: Klappe, die zweite

Wienerin in Berlin (XV): Die etwas anderen Ausflugsziele

Eva Felnhofer

ist noch länger in Berlin.

3 Kommentare

  1. niki

    17. März 2011

    klingt nach
    kulturschock 😉

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  2. martha

    17. März 2011

    .
    Willkomen zurück!

    Reply
  3. marsbar

    31. März 2011

    ist noch länger in Berlin… Wien wartet auf dich
    diese schreibkralle, die mit solcher leichtigkeit alles auseinandernimmt und zusammenfasst… die im wortdschungel mit präzision das passende findet, um die gedanken interessanter und pikanter zu würzen… JA! es war mir eine große freude, die beiträge zu lesen! SUPER 🙂 und… weiter so!!!

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