4. Mai 2011

1. Mai: Gebt die Grenzen frei

Tag der Arbeit

Mehr Symbolik hätte nicht sein können. Der Tag der Arbeit war zugleich der Tag der Öffnung des Österreichischen Arbeitsmarktes nach Osten.

Seit dem 1. Mai dürfen nun nicht mehr nur handverlesene “Schlüsselarbeitskräfte” oder streng kontingentierte und übelst bezahlte Saisonniers  sondern alle Arbeitnehmer aus den Staaten der EU-Beitrittsrunde von 2004 (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn – für Zypern und Malta galt die Öffnung bereits vorher) in Österreich legal und unbegrenzt einer Tätigkeit nachgehen.

Vorher galt eine Sperrfrist von zwei Jahren (bis 2006), die Österreich und Deutschland wegen ihrer geographischen Nähe und der damit verbundenen Furcht vor zu vielen neuen Arbeitssuchenden  aus dem Osten Europas zweimal, zuerst um drei dann noch einmal um zwei Jahre, verlängern ließen.

Mit der Öffnung ist die europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit nun endlich auch für die EU-Länder Osteuropas (Ausnahme sind noch Bulgarien und Rumänien deren Frist erst 2013 abläuft) Realität. Eine Union mit verschiedenen Bürgerklassen macht nun einmal keinen Sinn, galt die Sperrfrist in die andere Richtung nämlich nicht.

 

Gesetzliche Mindestlöhne

Um der Gefahr entgegenzuwirken durch, dass der Eintritt osteuropäischer Arbeitskräfte auf den österreichischen Markt die Löhne hierzulande nach unten drückt beschloss die Bundesregierung bereits Ende März das so genannte Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz. Dieses schreibt unter anderem vor, dass der im jeweiligen Branchenkollektivvertrag vereinbarte Grundlohn für alle Arbeitnehmer einzuhalten ist. Arbeitgebern die dagegen verstoßen drohen im Wiederholungsfall bis zu 50.000 Euro Strafe.

Bizarr ist, dass für eine Regel, die mit der Entsenderichtlinie der EU (Arbeitnehmer aus anderen Staaten müssen inländischen Kollegen rechtlich, verwaltungstechnisch und finanziell gleichgestellt werden) bereits 1996 festgelegt wurde nun noch ein Extra-Gesetz gebraucht wurde. Es drängt sich die böse Vermutung auf: Vielleicht haben es da ein paar Arbeitgeber bis jetzt gar nicht sooooo genau genommen…

In jedem Fall ist durch die Arbeitsmarktöffnung mit keiner gewaltigen Verstärkung des negativen Lohnwettbewerbs in Österreich zu rechnen. Für Lohnabschlüsse zu Ungunsten der Arbeitnehmer in Österreich und insbesondere auch Deutschland brauchte es auch in den vergangenen Jahren schon keine bösen  Ausländer. Man schaffte das auch ganz gut mit dem Verweis auf die prekäre finanzielle Lage von Unternehmen die es gerade noch schafften eine ordentliche Dividende auszuschütten.

 

Wanderungspotential gering

Und auch in ihrer Quantität werden Arbeitskräfte aus dem Osten für den heimischen Arbeitsmarkt in der sich erholenden Wirtschaftslage keine allzu große Herausforderung darstellen. Eine Studie des WIFO beziffert den Anteil von in Österreich arbeitswilligen Menschen am Gesamtpotential der Menschen im  erwerbsfähigen Alter aus den Nachbarstaaten Slowakei, Tschechien und Ungarn mit gerade einmal 0,4 Prozent. Das entspricht 21.000 bis 26.000 Menschen (zum Vergleich: es sind in Österreich allein 86.000 Menschen aus Deutschland beschäftigt). Wer hier von Wellen spricht hält wahrscheinlich auch den Donaukanal für den Nil.

Diese Zahlen lassen sich schlicht und ergreifend mit drei Umständen erklären: Zum einen verbessert sich das Lohnniveau und Arbeitsangebot in den neuen EU-Ländern, zum anderen streben viele Arbeitsmigranten nicht unbedingt Österreich an und zum dritten ist ein großer Teil der in Österreich benötigten Arbeitskräfte schon hier.

 

Arbeitskräfte werden benötigt

Und an dieser Stelle zeigt sich schon das augenfälligste Argument warum alles andere als die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes nach Osten vollkommen absurd wäre. Die Arbeitskräfte die schon hier sind und noch nachkommen werden sind schlicht und ergreifend für den Systemerhalt und wirtschaftliches Wachstum notwendig. Und das nicht nur in Branchen mit hohem Qualifikationsbedarf sondern quer durch die Berufswelt. Wie beispielsweise Baubranche oder Pflegebereich ohne Arbeitnehmer aus dem Ausland überhaupt handlungsfähig sein könnten müssen die Hetzer und Grenzbalkenklammerer erst einmal erklären. Es wird wohl bald so weit kommen, dass ein Herr Kickl seine Volksreden im Pflegeheim vortragen muss und ein Herr Strache dem kleinen Mann am Bau hilft.

In diesem Bereich offenbart sich die besondere Verlogenheit dieser „Österreicher-zuerst“-Rhetorik. Ohne die vielen Arbeitskräfte aus den östlichen Nachbarländern wären eben Bauwirtschaft oder Sozialbereich (aber nicht nur die) vollkommen aufgeschmissen. Trotzdem durften diese bisher in vielen Fällen wegen der Sperrfrist nicht einmal legal arbeiten und mussten ihrer Tätigkeit unangemeldet nachgehen. Ohne Sozialversicherung, ohne rechtliche Ansprüche und ohne Steuervorteil für den Staat. Arbeitgeber die ihre Beschäftigten vorher nicht legal anstellen durften sind nun auch endlich in der Lage diese Arbeitsverhältnisse zu legalisieren.

Wer es sich qua Qualifikation und Jobchancen aussuchen kann wo er hingeht wird weder aus Ost noch aus West mit Gewalt nach Österreich drängen, da seine Chancen auch anderswo gut (vielleicht sogar besser) stehen und der heimische Umgang mit Migranten oftmals nicht unbedingt Heimatgefühle aufkommen lässt.

8 Kommentare

  1. Olivia

    4. Mai 2011

    Und was ist mit den
    300000 Arbeitslosen im Land, darunter vielen ehemaligen Migranten. Wer sagt, dass man nicht auch die qualifizieren könnte? Gerade im Bau, aber auch in manchen Dienstleistungsbranchen geht es da jedenfalls auch um Lohndumping.

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  2. Joe

    4. Mai 2011

    ja was ist?
    @olivia: lohndumping wird nicht dadurch verhindert, dass man möglichst wenige menschen arbeiten lässt sondern eher indem man faire kv-löhne fordert, die sukzessive aushöhlung von arbeitnehmerrechten stoppt und es arbeitgebern verunmöglicht regelarbeitsverhältnisse zu unterlaufen.

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  3. stadtbekannt

    4. Mai 2011

    arbeitslosigkeit
    insofern die neu in den markt eintretenden arbeitskräfte, wenn überhaupt, vor allem arbeitskräfte aus drittländern ersetzen würden haben sie auf die arbeitslosigkeit in österreich weder einen positiven noch einen negativen effekt.

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  4. Olivia

    4. Mai 2011

    @stadtbekannt
    Das ist halt mal eine Behauptung und nciht mehr. Außerdem wäre es so ziemlich das einzigste auf der Welt ohne jeden Einfluss. In manchen Branchen, gerade im Niedriglohnbereich und da vor allem im grenznahen Bereich wird es sicherlich Auswirkungen geben.

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  5. stadtbekannt

    4. Mai 2011

    @olivia
    das ist eine behauptung die sich auf die wifo-studie stützt. auswirkungen in den grenzregionen kann es geben, jedoch weniger für die arbeitskräfte, die für österreichische firmen gleich teuer sind, sondern für firmen, die sich neuer konkurrenz gegenüber sehen.

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  6. andi

    4. Mai 2011

    und in 2 jahren?
    "notwendigkeit" besteht maximal für die industrie, die schon jetzt arbeitskräfte aus dem ausland ausbeutet, um ein überangebit zu schaffen, um letztendlich auch die inländischen Arbeitskräfte unter Druck zu setzen – aber dass die EU ausschließlich die Interessen der Bonzen fördert sollte mittlerweile auch der grünste Europäer geschnallt haben. Nun gut – jetzt kommen ein paar tausend arbeitnehmer aus dem osten, arbeiten 6 monate, werden arbeitslos – und kriegen Grundsciherung, ihre familien sind bei uns krankenversichert usw. ich hab keine angst vor den Arbeitnehmern – ich frag mich nur wer die Sozialleistungen für zigtausende neue arbeitslose aus BG, RO usw bezahlen woll. obwohl – die antwort kenne ich eh schon: wir, wer sonst

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  7. Charles

    5. Mai 2011

    @andi
    Ohne darauf jetzt überhaupt im detail einzugehen. Für Rumänien, Bulgarien gilt die Regelung nicht einmal.

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  8. Joe

    6. Mai 2011

    @andi
    man beachte nur einmal die perfidie, mit der diese menschen das augenscheinlich planen: kommen nach österreich, suchen sich einen job, arbeiten, kündigen dann aus bloßer gemeinheit um mindestsicherung zu kassieren, oder sie arbeiten ihre 52 wochen, kündigen dann aus gemeinheit und kassieren arbeitslosengeld oder vielleicht sind sie sogar so frech hier 45 dienstjahre runter zu reißen und erfrechen sich dann auch noch eine pension haben zu wollen… tsts

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