12. Mai 2013

Wien sollte vielleicht London werden

Weil’s eh schon wurscht is …

Dass das Wiener Wetter manchmal Kapriolen schlägt und man auch sonst jede Menge an ihm zu benörgeln hat ist ja an sich nichts Neues. Kein Grund nicht trotzdem ausgiebig zu sudern.

Die STADTBEKANNT Redaktion zählt sich ja selbst zu den bekennenden und leidenschaftlichen Wettersuderanten. An anderer Stelle sind wir auch schon für eine neue Jahreszeitenteilung eingetreten: Die 10 bis 11 Monate währende „Große Finsternis“ und die „Große Verarschung“ dazwischen.

Schaut man aber heute Morgen aus dem Fenster, bietet sich einem ein Anblick der die Einführung einer dritten Jahreszeit suggeriert: Nennen wir sie „Die große Flut“. Mit Frühling hat das Wetter momentan nämlich genau gar nichts zu tun. Die Wunschvorstellung: Warme Sonnenstrahlen,  blühende Bäume, sattes Grün überall,  glückliche Menschen die sich am Wetter erfreuen. Die Realität: Ekelhafter Nieselregen, grau in grau, kalter Wind, Temperaturen die mindestens 10° Celsius unter dem Monatsdurchschnitt liegen und griesgrämige Passanten, die ihren Regenschirm als Augenausstechinstrument umfunktioniert haben. Das sind keine Wiener, nein das sind Londoner Zustände auf den Straßen.


Der Sommer ist ein scheues Reh

Es ist wirklich wie verhext: Kaum haben wir nach einem eisigen harten Winter und viel zu spät aufgetauchten Frühlingstagen, zusammen mit all den anderen sonnenhungrigen WienerInnen den Naschmarkt und das Museumsquartier gestürmt, um einen Platz in der Sonne zu ergattern, haben stolz unsere Sonnenbrillen spazieren geführt und uns am Vogelgezwitscher und den fast debil-glücklichen Gesichtern der Mitmenschen gelabt, folgt der Rückschlag: Trostloses Herbstwetter, Temperatursturz, Gummistiefel statt Leinenschuhen.

Und ja, es ist wahrscheinlich wirklich jedes Jahr dasselbe: Nach den durchfrorenen, dunklen Monaten der „Großen Finsternis“ folgen ein paar kurze, warme Tage, die uns in trügerischer Sicherheit wähnen, dass der Sommer hält was er verspricht – Diesen Lichtblicken folgt jedoch nur der unweigerliche Temperatursturz und weiteres Warten und Sehnen auf Sonne. Dennoch fällt man alljährlich zuerst auf die Sommerboten rein und danach in ein depressives Loch. Es ist erstaunlich, wie sehr man das Wetter an den Reaktionen seiner Mitmenschen ablesen kann. Begegneten einem vor einigen Tagen noch freudestrahlende Menschen, verliebte Pärchen und lachende Kinder (sogar die Hunde wirkten glücklich!) scheint mit dem Regenwetter eine kollektive Depression eingesetzt zu haben, überall nur lange Gesichter, grantige Menschen und in der U-Bahn stinkt es nach nassem Hund.


Grey Day – Mayday!

Die Stadt erinnert in ihrem Grau in Grau eher an die Inselmetropole London, in denen es 360 von 365 Tagen im Jahr regnet. Wie die Menschen dort überleben – ohne an chronischem Serotoninmangel zu sterben – ist uns hier in der Redaktion wahrlich ein Rätsel. Die Engländer haben gelernt, mit dem Wetter zu leben, vielleicht schaffen wir das hierzulande auch einmal. Aber die Evolution hat schon ihren Sinn, vermutlich müssen wir uns auch einfach ein paar Survival Tipps von den regenfesten Engländern abschauen: Sich öfter mal sinnlos zu betrinken, um das Grau in Grau zu vergessen. Oder sich in Etikette und Stoizismus zu üben, damit man sich die innere Frustration nicht anmerken lässt. Trenchcoats und Gummistiefel zum Fashion-Must-Have 2013 erklären. Abends ins Pub gehen und Fußballspiele schauen. Oder das Wetter einfach als das hinnehmen, was es ist: beschissen.

Egal ob man sich die britische Lebensart zu eigen macht oder nicht, einen Vorteil hat das Ganze schon: Während dieser trostlosen Tage vereint alle WienerInnen das leidenschaftliche, kollektive Raunzen und Sudern über das Wetter.

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