29. Oktober 2017

Wien, die Spionagehauptstadt

Hotel Orient Spion (c) STADTBEKANNT Fontanesi

Spionage Stadt Wien

Spitzelwesen, Bestechung und ein bisschen Neugier – das sind Attribute, die man den Wienern durchaus zuschreiben könnte. Vor allem, wenn man sich die Geschichte unseres schönen Landes und allen voran auch Wiens genauer anschaut. Eine kleine Abhandlung der Wiener Spionage-Geschichte.

 

Spitzelwesen im Blut

Es beginnt schon bei den Grundsätzen. Und da müssen wir doch recht weit zurück in Österreichs Geschichte. 1490 eröffnet Kaiser Maximilian I. die erste standardisierte Postverbindung zwischen Innsbruck und Mechelen in Belgien. Die Strecke ist beliebt, weil ja auch praktisch – aber nur weil es praktisch ist, hat Maximilian die Post nicht eröffnet. Er nutzte die Poststellen um dort von seinen Spitzeln und Spionen verdächtige Briefe öffnen lassen zu können.

Wer Spitzelwesen und Österreich hört, der wird sofort an einen ganz bestimmten Mann denken. Er hat das Spitzelwesen auf die Spitze getrieben, wie man so schön sagt. Er hat den Wänden das hören beigebracht. Bei ihm blieb nichts vor den Behörden sicher und unter seinem Regime konnte man nie so recht wissen, was man sagen durfte und was nicht. Die Rede ist natürlich von Fürst Metternich, der besonders in den Jahren nach dem Wiener Kongress 1814/15 im gesamten Reichsgebiet recht präsent war.

Professionalisiert wurde die Nachrichtenbeschaffung aus dem In- und Ausland schließlich 1850 mit der Gründung des ersten „ständigen militärischen Geheimdienst” – dem Evidenzbureau. Die hier angestellten Spione sammelten anfangs hauptsächlich Informationen im Zusammenhang mit dem Sardinischen Krieg von 1859 und dem Preußisch-Österreichischen Krieg von 1866. Richtig interessant wurde es aber eigentlich erst dann, als Österreich-Ungarn in den ersten Weltkrieg startete. Ein wichtiger Spion dieser Zeit war Oberst Alfred Redl, der 1913 enttarnt wurde und sich daraufhin selbst das Leben nahm.

Während des 1. Weltkriegs hatten die Spione der beteiligten Staaten eine Hoch-Zeit. Etwa 150.000 Personen waren in dem Metier tätig und nicht wenige davon waren in Wien stationiert. Wien hatte die perfekte Lage – hier konnte man Informationen sowohl aus Ost als auch aus West aushorchen, ein Umstand, der bis heute der Spionage förderlich ist.

 

Operation Silver

Spannend war auch die Lage nach dem 2. Weltkrieg, als Wien von den 4 Großmächten besetzt war und sich quasi feindliche Lager auf engstem Raum aufhielten. Während Briten, Amerikaner, Russen und Franzosen grundsätzlich friedlich nebeneinander lebten, wurden die Geheimdienste ganz massiv aufgestockt. Besonders dem Amerikanischen und Britischen Geheimdienst gelangt 1949 ein aufsehenerregender Coup. Die Nachrichtendienste der beiden Staaten hatten sich zusammengeschlossen, um der Übermacht des sowjetischen Geheimdienst-Personals gegenüberstehen zu können. In einer Mission, genannt „Operation Silver”, gruben sie einen Tunnel zu einer sowjetischen Telefonschaltstelle in Schwechat, um das Kabel anzuzapfen und die Nachrichten mitzuhören.

Eine Wahnsinns-Aktion! Der britische Sektor in Simmering war ganz nahe an besagter Schaltstelle und so reichte ein etwa 21 Meter langer Tunnel schon aus, um die Stelle zu erreichen. Blöd nur, dass 1952 der Tunnel einstürzte nachdem die Straßenbahn mit zu viel Karacho darüber fuhr. Die Sowjets hatten bis dato jedoch nichts von der Abhöraktion bemerkt.

 

„Diplomaten” und „Freunde”

Die Fülle an Geheimdienstpersonal wurde schon nach dem zweiten Weltkrieg als Diplomaten oder deren Mitarbeiter getarnt. Und wer sagt, dass das nicht auch heute noch so ist? Tatsächlich stehen hauptsächlich Russland und die USA in Verdacht, viele Spione in Wien stationiert zu haben. Sie beschäftigen verhältnismäßig auch die meisten Diplomaten und Vertreter in ihren Botschaften hier in Wien.

Aber man will ja niemanden übergehen. Auch unsere deutschen Nachbarn hegen und pflegen die Aushorcherei recht gewissenhaft. Noch Anfang 2017 wurde ein Eklat diskutiert, demnach der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) gemeinsam mit der bzw. auch für die National Security Agency (NSA) in den USA viele europäische Staaten ausgehorcht haben soll. Allen voran lag da auch Österreich im Fokus. Dazu kommt, dass die BND nicht nur im Auftrag der NSA gehandelt haben soll, sondern auch auf eigene Faust die österreichischen Ministerien ausgehorcht hat. Das ist alles andere als fein, Frau Merkel – so ein „Aushorchen von Freunden” wurde ja von der deutschen Bundeskanzlerin selbst schwer kritisiert.

Und auch, wenn immer wieder einmal eine kleine oder größere Spionage-Sensation durch die Medien geht – so richtig ändern wird sich an der Lage wohl auch nichts. Der damals noch Grünen-Abgeordnete Peter Pilz forderte 2014 etwa ein Spionageabwehrgesetz. Heute hört man davon nichts mehr. Wien und die österreichischen Behörden scheinen einfach zu gemütlich, um an fest eingefahrenen Sachen zu rütteln. Hat ja bis jetzt auch gut funktioniert.

 

Wien als perfekter Standort

In Zeiten der Digitalisierung wäre man ja nicht unbedingt an einen Ort gebunden, um Informationen zu beschaffen. Nach wie vor ist Wien jedoch eine Hochburg der Geheimdienste. Das liegt jedoch heute weniger an der geografischen Lage im Herzen Europas als an der Lage der Gesetze, die hier gelten. In Österreich ist es per Gesetz nämlich nicht strafbar, wenn ausländische Spione ausländische Staaten aushorchen. Nur gegen Österreich darf sich die Spionage nicht richten. Wer auf Österreichischem Boden also einen anderen Staat bespitzeln möchte, kann das nach Belieben tun. Kein Wunder also, dass sich bis heute um die 7.000 Geheimagenten in Wien aufhalten (Stand 2014).

Ein praktischer Nebeneffekt ist außerdem die Tatsache, dass in Wien der Sitz vieler international strategisch agierender Organisationen ist. OSZE, UNO, OPEC, OECD, IAEA – sie alle sind in Wien ansässig. In Wien werden Atomdeals ausgehandelt, es werden Weltmächte an einen Tisch geholt. Die OSZE veranstaltet Sicherheitskonferenzen, zu denen 57 Staaten geladen sind – man kann also getrost behaupten, dass Wien ein Hub für Informationsaustausch ist.

 

Die Wiener Wurschtigkeit

Aber wer nimmt denn das alles schon so streng? Wien ist und war immer schon ein Zentrum für Spitzeleien, kleine Bestechungen und ein reges Untergrund-Leben. Man muss nur so manche Spielfilme aus alten Zeiten anschauen – allen voran sei der Dritte Mann genannt. Wir Wiener lieben es eben, etwas gegen unsere Freunde in der Hand zu haben und dann nichts damit zu tun, außer sie dazu zu bringen, uns für Stillschweigen auf ein Glaserl Wein einzuladen. So nach dem Motto: „Sollen sie halt tun – solang sie uns damit in Ruhe lassen”, streifen wir durchs Leben und spechteln durch das offene Nachbarsfenster um vielleicht etwas Interessantes zu entdecken. Vielleicht fehlt uns Wienern ein gewisser Grad an Zivilcourage und Gerechtigkeitssinn im täglichen Leben, vielleicht haben wir einfach eine gehörige Portion „Wurschtigkeit” im Blut. Solang uns etwas nicht direkt betrifft, entsteht ja kein Schaden.

Kommentieren

Die Emailadresse wird nicht angezeigt