29. Mai 2010

Wien, die Nummer Eins der Welt?

Fußballfans der zwei großen Wiener Klubs streiten seit gefühlten Jahrhunderten, wer die Nummer Eins in Wien ist, eine Frage die wohl für immer je nach persönlichem Gusto entschieden werden muss. Im Gegensatz zu dieser Frage scheint eine andere leichter beantwortbar zu sein. Die, welche Stadt die lebenswerteste der Welt sei, ein Thema dem sich zahlreiche Städterankings widmen. Allerdings scheint auch dieses Problem nur im ersten Moment leicht lösbar zu sein.

Gleich vorneweg, Städterankings gibt es zahlreiche und jede Metropoe sucht sich die jeweils passenden heraus, die möglichst gute Ergebnisse für die eigene Stadt bringen. Wien hat es da leicht, denn in so gut wie jedem Ranking landet die Stadt auf den vorderen Plätzen, so auch diesmal bei der jährlich durchgeführten Mercer Studie, bei der Wien souverän den ersten Platz verteidigen konnte.

Die Mercer Studie, angefertigt von der gleichnamigen Beratungsfirma, erhebt die Lebensqualität einer spezifischen Schicht von Personen, nämlich im Ausland tätige Geschäftsleute, die von Mercer befragt werden, wie sie die Lebensqualität in 221 Metropolen einschätzen. Nun sind im Ausland tätige Geschäftsleute in Punkto Verdienst, sozialer Status, Mobilität und Bildungsniveau mit der Gesamtbevölkerung nur schwer vegleichbar und dementsprechend auch die Bedürfnisse, die sie äußern und das Ranking bestimmen.

Unwahrscheinlich, dass sich zahlreiche der Befragten mit den sozialen Brennpunkten der Stadt beschäftigt, die mangelhafte Infrastruktur am Stadtrand oder die Verkehrshölle Gürtel näher betrachtet haben. Die Ergebnisse sind deshalb notgedrungen verzerrt, da die exzellente Infrastruktur im Zentrum (der natürliche „Lebensraum“ international tätiger Geschäftsleute), sowie rund um die Geschäftszentren der Stadt überbentont werden. Soziale Problemzonen, „Problem“grätzl, oder das stärker werdende Gefälle zwischen Arm und Reich hingegen unterbetont.

Mit einigem Vorbehalt sollte man die Studie also schon zur Kenntnis nehmen und nicht in exzessiven Überschwang verfallen. Denn nur weil die Stadt für eine bestimmte Schicht von Menschen ein Paradies ist, kann sie für einen illegal lebenden Migranten, eine alleinerziehende Mutter mit Existenznöten oder eine Obdachlose dennoch die Hölle sein.

Dennoch sollte man die Studie auch nicht vorschnell verwerfen, sondern sich die Ergebnisse im Detail ansehen. Insgesamt wurden 221 Städte bewertet. Am letzten Platz landete Bagdad – ein Ergebnis. das wohl nur wenig überrascht. Hinter Wien landen im Ranking Zürich und Genf. Auf den Plätzen vier und fünf finden sich Vancouver und Auckland (Neuseeland).

Josef Papousek, Geschäftsführer von Mercer Österreich betont in einer Aussendung, dass die Studie sich mit den Lebensbedingungen für Expatriats beschäftigt, nicht aber mit denen von WienerInnen selbst. In den vergangenen Jahren sei es in diesem Zusammenhang häufig zu Misinterpretationen gekommen. Der Zweck der Studie sei es, Unternehmen bei einer fairen Vergütung ihrer ins Ausland entsanden MitarbeiterInnen zu unterstützen. Die nicht vorhandene Allgemeingültigkeit der Ergebnisse, wird also auch von Mercer selbst betont.

In die Analyse fließen die Kategorien politische, ökonomische, soziokulturelle und soziale Bedingungen ein. Darüber hinaus das Bildungs- und Gesundheitssystem, der öffentliche Dienst und Verkehr, die Wohnsituation, die Freizeitmöglichkeiten, die Umwelt und die Konsummöglichkeiten. Als Basis dient New York, das 100 Punkte erhält und damit auf dem 49. Rang zu liegen komt, alle übrigen Städte erhalten mehr oder weniger Punkte. Wien belegt mit 108,6 Punkten den Spitzenplatz.

Ein zweites Ranking von Mercer beschäftigt sich mit der ökologischen Situation in Metropolen. Das Ergebnis sieht hier völlig anders aus, Wien landet nur auf dem 44 Platz. Nordische Städte wie Helsinki, Stockholm oder Oslo schneiden deutlich besser ab. Der erste Platz in diesem Ranking geht an die kanadische Stadt Calgary. Wien schneidet in den meisten Kategorien des Rankings gut ab, bei Luftverschmutzung und Verkehrsaufkommen jedoch nur durchschnittlich.

WienerInnen sehen es anders

Interessant ist das Ergebnis der Mercer Studie, wenn man es mit den Ergebnissen einer aktuellen Eurobarometer Studie vergleicht, die im Auftrag der Europäischen Union alle drei Jahre von Eurostat durchgeführt wird. Die heurigen Ergebnisse liegen seit 5. Mai vor und resultieren aus der Befragung der Bevölkerung in den jeweiligen Städten. Insgesamt wurde die Bevölkerung in 75 europäischen Städten befragt, in Österreich waren dies Wien und Graz.

 Für die wichtigsten Probleme Wiens halten die WienerInnen laut der Studie die Schaffung von Jobs, die Sicherheit und Erziehung.

Die WienerInnen sind laut dieser Umfrage zu über 90% sehr zufrieden oder eher zufrieden mit der Gesundheitsvorsorge. Auch mit der Möglichkeit einen Job zu finden sind sie eher zufrieden. Insgesamt ist in diesem Bereich die Stimmung in Europa, Wirtschaftskrise sie Dank, schlecht. In Wien sind aber immerhin 37% der Meinung, dass sie der Möglichkeit gute Jobs zu bekommen,zufrieden sein können.

Ganze 95% der WienerInnen sind zumindest eher zufrieden mit den kulturellen Einrichtungen der Stadt, was den dritten Platz im Ranking ergibt.

Überzeugt sind die WienerInnen davon, dass man den EinwohnerInnen ihrer Stadt eher trauen kann, denn immerhin 74% sind nicht besonders mißtrauisch. Die EinwohnerInnen Istanbuls vertrauen ihren MitbürgerInnen am wenigsten.

Trotz jahrelanger medialer Kampagnen gegen „Ostbanden“, „AusländerInnenkriminalität“ und ähnliches, fühlen sich 82% der WienerInenn in ihrer Nachbarschaft immer sicher. Das subjektive Sicherheitsgefühl kann also, kurz nach seiner Entdeckung durch die Politik, im Grunde guten Gewissens wieder verräumt werden.

Der Sauberkeitsfimmel der WienerInnen zeigt Wirkung, denn 84% halten ihre Stadt für eher sauber, was einen absoluten Spitzenwert darstellt.

Immerhin 54% der WienerInnen glauben, dass Luftverschmutzung kein großes Prblem ihrer Stadt ist und auch der Lärm ist für 47% eher kein Problem. In beiden Kategorien schneidet Wien überdurchschnittlich ab.

Überdurchschnittlich ist auch das Ergebnis bei der Nützung des öffentlichen Verkehrs, den 42% der Bevölkerung täglich in Anspruch nehmen.

Im Mittelfeld landet Wien bei der Frage, ob es ein Problem mit Armut in der Stadt gebe. 34% sehen hier eher kein Problem, 59% eher schon. Ebenfalls nur im Mittelfeld landet Wien bei der Zufriedenheit mit öffentlichen Plätzen und Märkten, mit deren Qualität nur 28% sehr zufrieden sind.

Unzufriden zeigen sich die WienerInnen mit der Möglichkeit zu einem vernünftigen Preis eine gute Wohnung zu finden. Gerade einmal 19% sind damit sehr oder eher zufrieden, Wien landet auf den hinteren Plätzen. Unzufrieden sind die WienerInnen auch mit den Sportanlagen der Stadt, die nur 21% zufrieden stellen.

Extrem unzufrieden sind die WienerInnen mit der Schönheit der Straßen und Gebäude in der Umgebung. Nur 10% sind damit sehr zufrieden, was den vorletzten Platz im Ranking ergibt.

Beschämend ist, dass nur 13% der WienerInnen zu Fuß oder mit dem Fahrrad in die Arbeit kommen. Zum Vergleich: in Kopenhagen nützen 65% dieses Fortbewegungsmittel.

Deutlich durchwachsenere Ergebnisse also bei der Studie von Eurostat. Letztlich gilt es festzuhalten, dass man sich von einer guten Rankingposition als Stadtbewohnerin wenig versprechen sollte. Jede Stadt hat ihre Probleme und auch wenn diese im internationalen Bereich bescheiden sind, so gilt es sie jedenfalls zu lösen. Bei Wien fällt besonders auf, dass es im Umweltbereich Nachholbedarf gibt. Sowohl im Verkehrsbereich, wo ja gerade erst die Citymaut schubladiert wurde, als auch beim Ausbau von Radwegen und FußgängerInnenzonen.

 

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