13. Dezember 2010

Wetten dass…? Und wenig zu sagen

Als kleines Kind habe ich mir „Wetten dass…?“ zeitweilig ganz gerne angesehen. Wenn meine Erinnerungen mich nicht täuschen hatte das wenig mit der Sendung zu tun und sehr viel damit, dass Thomas Gottschalk die Sendung bekanntlich gerne überzieht. Damit überzog er auch meine Schlafenszeit und das war per se toll, unabhängig vom dargebotenen.

Später sah ich es immer seltener, zu letzt fast nie, zu eindeutig richtet sich die Sendung nicht an meine Altersgruppe, zu angegraut und verstaubt wirkte das Konzept, zu sehr ging mir Gottschalks Altherrenwitz gegen den Strich. Aber first of all die Sendung entertainte mich nicht und das ist schließlich der einzige Daseinsgrund einer Unterhaltungssendung.

Am Samstag aber doch…

Am Samstag habe ich den Unfall, der der Sendung zu einer Stellung verhalf den sie einerseits längst nicht mehr hat, andererseits aber scheinbar doch immer noch hat und sei es nur um als mediale Sau die man durchs glokale Dorf getrieben zu werden, aber doch gesehen. Während ich auf das Zwischenladen eines Streams wartete; nein natürlich kein urheberrechtlich geschützter Film, wo denkt ihr hin!; blieb ich beim zappen bei Gottschalk hängen.

Unfall und Abmoderation live!

Es ist ein beklemmendes Gefühl, wenn man einen Unfall sieht und alleine durch die mediale Übertragung desselben in einen Bann der Kommunikation und Metaeinordnung des gerade erlebten gezogen wird. Scheinbar live dabei über die ersten Twitter Meldungen aus Düsseldorf, konnte ich mich dem Phänomen des gebannten Zuschauens, genau dieses Verhalten, dass sich bei den ZuschauerInnen auch im echten Erleben so häufig einstellt, nicht entziehen. Genau dieses Verhalten von dem ich nicht mit Sicherheit sagen kann, ob es beweißt das sobald wir Involvierung spüren zur Anteilnahme fähig sind, wo uns ansonsten täglcihe Unfälle am A*** vorbei gehen, oder ob es nur das Stillen eines Bedürfnisses nach Voyeurismus ist. Es wird wohl beides sein.

Was außer Belangloses…

Das Handling der Abmoderation und des bewussten nicht-weiter –Sendens wurde allgemein als professionell und bemerkenswert zurückhaltend bezeichnet, so ist es mir auch ergangen. Danach setzte sehr rasch eine Debatte ein, ob mit dem Quotendruck ungerechtfertigtes Gefährden von Menschenleben einhergeht und was sich nun ändern soll/muss /kann.

Ganz ehrlich ich verstehe die scheinbare Erregung nicht ganz. Ein Mensch geht ein Risiko ein, über die Tatsache, dass er riskant handelt wird er bescheid wissen, davon müssen wir ausgehen und verunfallt tragisch. M.E. nach muss es möglich sein sich riskant zu verhalten, auch im Fernsehen, sofern die Sendungsleitung zum Schluss kommt, dass es sich „nur“ um ein Risiko und keine amateurhafte quasi Gewissheit handelt.

Die Involvierung naher Angehöriger in dieses riskante Projekt erscheint mir hingegen ethisch fragwürdig. Schließlich kann/darf/ soll uns niemand davon abhalten können uns selbst Risiken auszusetzen. Dürfen wir andere in dieses Risiko aufnehmen, als diejenigen die es mittragen und im Falle der Realisierung des Risikos wohl lebenslänglich Schuldgefühle haben? Ich denke nein, das dürfen wir eigentlich nicht. Aber auch hier fand ein freier Willensprozess statt. Darf/soll ein Sender in solch einem Fall einschreiten. Meine Antwort wäre ja, wo andere ein Risiko mittragen müssen, über dessen Realisierung sie selbst kaum oder keine Verfügungsgewalt haben, sollte gegen das Risiko entschieden werden.

Aber Fensehen…?

In Unterhaltungsshows werden Menschen zu erhöhter Risikobereitschaft gedrängt, oder zumindest wird dieser nicht entgegengewirkt, um Quoten zu maximieren. Aber das alte Schlachtross „Wetten dass…?“ steht in diesem insgesamt wohl bedauerlichen Quotenkampf, ganz sicher nicht an der Stelle des Herausforderers, Wegbereiters und „immer weiter Gehenden“. Wenn überhaupt wird reaktiv aufgenommen, was andere bereits umgesetzt haben. In jedem Fall wird das öffentlich rechtliche ZDF immer strengere Regeln anlegen als das Privat-TV. Das ist auch gut und richtig so.

Darf man riskieren, auch vor einem Millionenpublikum?

Es gilt sicherlich abzuwarten, was die Untersuchungen für Ergebnisse bringen. Wurde im Vorfeld eine Risikoabwägung durchgeführt, hat man überprüft ob der Kandidat seinem eigenen Vorhaben gewachsen ist, wäre auch ein Abbruch möglich gewesen, wozu hat die Sendungsverantwortung ermutigt? Diese und viele andere Fragen werden in den kommenden Tagen ausführlich behandelt und untersucht werden. Unabhängig davon, ob es im konkreten Fall ein Verschulden der Sendungsleitung gibt, Änderungen im Show-Konzept wird es in jedem Fall geben, dafür ist der mediale Druck einfach zu groß.

Deshalb im Folgenden nur einige Überlegungen allgemeiner Natur:

Dürfen wir im Fernsehen unter strenger Anleitung riskieren, was auf YouTube und Co. jede/r AmateurIn tagtäglich vollführt? Dürfen wir in einer vollends medialisierten Gesellschaft tatsächlich annehmen, dass Fernsehen Menschen zu Aktionen verleitet, zu denen sie nicht auch eine Community auf YouTube und Co. motivieren könnte? Dürfen wir ein Risiko eingehen, weil wir uns ausreichend vorbereitet fühlen, um es selbst für vertretbar zu halten?

Ich meine ja, weil alles andere mit der Freiheit des Menschen nicht kompatibel ist. Ein/e ArtistIn im Zirkus gefährdet ihr Leben tagtäglich, dürfte sie dies in Zukunft nicht mehr, wenn Fernsehkameras dabei sind? Und wenn ja, wie ließe sich das argumentieren?

Jenseits des Einzelfalls, bei dem das tragische Ereignis und die Betroffenen zutiefst zu bedauern sind, möchte ich doch anmerken, dass ich glaube wir haben das Recht ein Risiko einzugehen, auch eines das unser Leben betrifft. Auch wenn es vor Publikum stattfindet.

Ohne Zweifel ist die Verantwortung bei einem medialen Großereignis größer als sonst, aber die Letztenstscheidung ein Risiko in Kauf zu nehmen – wenn eine Prüfung zum Schluss kommt, dass es sich um ein Risiko handelt und nicht um quasi Gewissheit durch mangelnde Übung und Beherrschung – muss dem Menschen selbst überlassen werden. Denn eine Gesellschaft die mit dem Risiko nicht mehr zu Recht kommt, weil sich hinter jeder Entscheidung potentiell so viele Risiken verbergen und nicht für jedes Risiko jemand als letztgültige Entscheidungsinstanz die haftet, festgemacht werden kann, ist nicht überlebensfähig.

Wenn wir das Risiko zur Gänze aus dem Fernsehen verbannen, müssen wir es konsequenterweise auch aus dem Zirkus und allen vergleichbaren Großveranstaltungen tun und uns dann wohl zu Recht fragen ob wir der Risikoprävention nicht unsere Freiheit opfern.

Verbleibend mit der Hoffnung nach einem glimpflichen Ausgang nach einem glimpflichen Ausgang des konkreten Unfalls!

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

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