27. April 2016

Wahlkampf unter Gleichgesinnten

Facebook Daumen (c) STADTBEKANNT Hofinger

Wahlkampf auf Facebook

Wie war das eigentlich, als es noch kein Facebook gab? Bevor jeder dazu in der Lage war, seine ungefilterte Meinung zumindest an ein paar hundert Leute in seiner Freundesliste rauszublasen? Wie das Amen im Gebet folgten auf den Wahlerfolg Norbert Hofers die Reaktionen im sozialen Netzwerk. Der Ton ist manchmal verzweifelt, meist aber schon drohend. Jetzt wird Klartext gesprochen, einer muss sich ja mal trauen. Mit erhobenem virtuellen Zeigefinger und ernsten Worten bittet einer darum, dass jeder der blau gewählt hat augenblicklich die virtuelle Freundschaft aufkündigen soll. Sapperlot, das hat gesessen. Andere schreiben seit Sonntag täglich seitenlange Erklärungen, warum man doch endlich aufhören soll, dem Untergang des eigenen Landes so gleichgültig gegenüber zu stehen. Donnernder Applaus ist garantiert und „Like“ Jäger wittern ihre Chance – so einfach wie im Moment wird es erst wieder bei der nächsten Flüchtlingswelle werden, seinem Post die gebührende Anerkennung zu verleihen.

Wer kann lauter schreien?

Soziale Medien geben dem kleinen Mann die Chance, sich nicht nur zu artikulieren, sondern verleihen ihm auch das Gefühl, tatsächlich etwas getan zu haben. Seinen Beitrag geleistet zu haben und dem allen nicht mehr hilflos gegenüber stehen zu müssen. Wenn man tatsächlich so für die ins Netzwerk geschleuderten Worte brennen würde wie es der Tonfall andeutet, könnte man natürlich auch von Tür zu Tür gehen und tatsächliche Wahlhilfe betreiben – vielleicht am Reumannplatz oder in Simmering. Aber man muss es ja nicht gleich übertreiben. Vergessen wird dabei allerdings die eine nicht unerhebliche Tatsache: dass der eigene Rezipientenkreis zu 99% aus Gleichgesinnten besteht. Es geht nicht darum, WAS gesagt wird, sondern wer ein und dieselbe Botschaft lauter schreit und mit mehr Rufzeichen und Emoticons versieht. Das schöne alte Sprichwort des „zum Chor Predigens“ drängt sich hier geradezu auf: FPÖ Wähler ist zwar statistisch gesehen jeder dritte Bewohner dieses Landes – aber in den Freundeslisten der Wiener Bobos machen sie wohl doch eine verschwindend geringe Minderheit aus. Ich persönlich habe genau einen Blauwähler (von dem ich weiß) in meinem Netzwerk – und ja, ich bin immer noch mit ihm verbunden. In etwa wäre die Situation die sich momentan auf meinem Facebook Feed darbietet vergleichbar mit einem Präsidentschaftskandidaten Van der Bellen, der die nächsten vier Wochen ausschließlich in Wien Neubau auftreten würde.

FPÖ Wähler trinken auch gerne guten Kaffee

In der realen Welt (und im Netz verwurstet) wird seit dieser Woche in einem Wiener Café die Bedienung von FPÖ Wählern verweigert – augenscheinlich soll das Risiko für das Stammklientel minimiert werden, am Ende doch noch mit Leuten sprechen zu müssen, die eine andere politische Gesinnung haben. Im Internet kann jeder posten was er möchte, das Risiko, dass der Feind mitliest, ist dank eng abgegrenzter Freundeslisten gering. Dass es dann doch schnell gehen kann mit dem viralen Posting, zeigt eben jene Kaffeehausbesitzerin, der dann auch das reumütige Zurückrudern am Tag darauf nichts mehr bringt. Zum Glück für sie lässt der nächste Skandal sicher nicht lange auf sich warten und dann ist es wieder vorbei mit der Aufmerksamkeit. So, ich muss jetzt los und diesen Artikel auf Facebook posten.

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