22. Dezember 2011

The U-Bahn never sleeps

Die emsigen Bienen der Wiener Linien

Morgens halb neun in Wien, ein neuer Arbeitstag beginnt für die stadtbekannt Redaktion – die Weihnachtsfeier und ein Nachteinsatz bei den Wiener Linien stehen auch noch auf dem Programm. Wir scheuen weder Kosten noch Mühen für unsere LeserInnen und gehen auch nach der Weihnachtsfeier noch in den Außendienst. Statt Firmenfeier No-Gos gab es, zumindest für mich, Gestern nur Warnhinweise zum Selbstschutz vor den schweren Geräten der Wiener Linien Arbeiter.

U-Bahn Nachtarbeiten Foto STADTBEKANNT
U-Bahn Nachtarbeiten Foto STADTBEKANNT

Die Arbeit der Nacht

00:30 Uhr an einem ganz normalen Werktag: die letzten Passagiere verlassen die U-Bahn Station Hütteldorf. Es ist eine kalte Dezembernacht, Nieselregen lässt das individuelle Wohlfühlbefinden in den Keller sinken. Während die Passagiere den Heimweg antreten, nehmen jetzt 150 Mitarbeiter der Abteilung Schienen- und Gleisbau ihre Tätigkeit auf. Schwarzkappler findet man hier keine, statt dessen ist alles in Gelb gehalten, von der Sirene der Autos, über die Arbeitskleidung bis zum obligatorischen Helm. Tempo ist hier alles, in ordentlicher Manpower wird angerückt, das schwere Gerät unter hoher Kraftanstrengung über die Treppen in die U-Bahn hinabbefördert. Ab jetzt stehen nur vier Stunden zur Verfügung, um dringende Reperaturarbeiten vorzunehmen. Dann wird der U-Bahnbetrieb wieder aufgenommen und die WienerInnen sollen nach Möglichkeit nichts von der Arbeit der Nacht merken. Fehler rächen sich bitter, denn im Worst Case Scenario müsste der morgentliche Betrieb ruhen, wenn die Arbeit nicht fertig wird. Ist die Schiene noch nicht getauscht, fährt es sich für die U-Bahn bekanntlich ohne nicht besonders gut. Dass das realiter so gut wie nie vorkommt, ist dem Team des Schienen- und Gleisbaus zu verdanken, das jede Nacht, bei Schnee, Regen, tropischer Hitze, oder auch bei ganz normalen Witterungsverhältnissen im Einsatz ist. Schweißen, schleifen, Schienentauschen, Weichen warten und vieles mehr steht auf dem Programm. Unterstützt werden sie von etwa 150 weiteren Mitarbeitern, die sich um die Reinigung, die Elektrik und Kabelverlegung, die Tunnelsanierung und alles was sonst so anfällt kümmern.

Die Mitarbeiter der Schienen- und Gleisbau Abteilung Foto: STADTBEKANNT
Die Mitarbeiter der Schienen- und Gleisbau Abteilung Foto: STADTBEKANNT

Diese Schienen sind Geschichte

Mit den „normalen“ Wiener Linien FahrerInnen und MitarbeiterInnen sind in einer gewöhnlichen Nacht 500 MitarbeiterInnen im Einsatz. Wenn es besonders schnell geht, weil etwa die Station des Grauens wieder spukt, dann werden auch externe Firmen angefordert – denn wie bereits erwähnt, die Zeit eilt und, so oder so, in der Früh muss der Regelbetrieb wieder aufgenommen werden.

Diese Schienen sind Geschichte Foto: STADTBEKANNT
Diese Schienen sind Geschichte Foto: STADTBEKANNT

Wie viel Aufwand es ist ein komplexes System wie das Wiener Liniennetz instand zu halten merkt man als Außenstehender kaum. Insbesodnere das U-Bahnnetz in Stand zu halten ist eine logistische Herausforderung, da es seit dreißig Jahren existiert, unterschiedliche Baualter aufweist, unterschiedlichen Belastungen ausgesetzt ist und ständig erweitert wird, aber trotzdem reibungslos funktionieren muss, da jeder Ausfall für die WienerInnen schmerzhafte Konsequenzen hat.

Schienenarbeit Foto: STADTBEKANNT
Schienenarbeit Foto: STADTBEKANNT

Apropos Belastungen, 250 mal am Tag wird eine Schiene von einem 160 Tonnen Zug überrollt. Das hält sie trotzdem bis zu 15 Jahre aus, aber irgendwann ist eben Schluss.Dann rücken die Mitarbeiter vom Schienebau aus und ersetzen sie durch neue – ein echter Knochenjob. Die Schienen müssen getrennt, entfernt, neu verlegt und neu verschweißt werden. Das alles in raschem Tempo und mit recht wenig schwerem Gerät, denn das ist nicht ganz einfach in die U-Bahnschächte zu bekommen.

Beim Arbeiten zusehen Foto: STADTBEKANNT
Beim Arbeiten zusehen Foto: STADTBEKANNT

Die einen arbeiten, die anderne (Journalisten) schauen ihnen dabei zu.

15 Meter Schiene ersetzen Foto: STADTBEKANNT
15 Meter Schiene ersetzen Foto: STADTBEKANNT

Immerhin, so erzählte uns ein Mitarbeiter, gibt es seit längerem einen Bagger um die schweren Schienen zu bewegen. Früher musste diese Arbeit händisch verrichtet werden, was sich nicht eben positiv auf die Gesundheit auswirkte. Da die U-Bahn nur in der Nacht, außer am Wochenende, nicht fährt, müssen all diese Arbeiten immer auch des nächtens verrichtet werden. Kein Zuckerschlecken diesen Job auszuführen und doch wird er gemacht. Die meisten Arbeiter werden von den Wiener Stadtwerken selbst ausgebildet und verrichten die Tätigkeit dann oft bis zur Pensionierung. Immerhin, so wurde uns versichert,sind die älteren Mitarbeiter nicht mehr bei den schwersten Arbeiten dabei. Mitarbeiter ist in diesem Fall übrigens wörtlich zu nehmen, denn Mitarbeiterinnen gibt es in dieser Abteilung der Wiener Linien noch nicht.

 

15 Meter Schiene ersetzen

In der Station Unter St. Veit beobachtete ich einen Schienentausch auf 15 Metern Länge. Mit Hilfe eines Zweiwege-Baggers der auf den Schienen fahren kann und bei dieser Wetter- und Lichtstimmung etwas an ein Metallmonster erinnert (siehe Foto) wurden die Gleise getauscht. Monster? Bagger!

Monster? Bagger! Foto: STADTBEKANNT
Monster? Bagger! Foto: STADTBEKANNT

Wir und Kollegen von anderen Medien durften dabei ein bischen stören, Fotos machen, Filmen und uns verwegen fühlen im Angesicht der Schweißgeräte und ihres aufregenden Funken-Feuerwerks. Spektakulär sieht die Arbeit schon aus, trotzdem war wohl jeder von uns froh sie nicht machen zu müssen. Am meisten wohl die Arbeiter selbst, denn Amateure sind hier fehl am Platz. Schon aufgrund des Zeitdrucks muss jeder Griff sitzen und das Team routiniert und eingespielt zusammenarbeiten.

Bergglühen? Foto: STADTBEKANNT
Bergglühen? Foto: STADTBEKANNT

Ein Weichenherz wird geschliffen

Das klingt erstmal romantisch, ist es bei näherer Betrachtung aber nicht. Schienen müssen geschliffen werden, damit es bei der Fahrt nicht holpert und der Zug nicht irgendwann entgleist. Ein Schienenherz ist das Stück eienr Schiene, wo zwei Gleise in einer Weiche zusammen kommen. Da das Schienenstück herzförmig aussieht und vielleicht auch, weil zwei Strecken hier ein Tête-à-tête haben, wird dieses Stück so genannt. Die Schienen wurden in unserem Fall in der Station Hütteldorf geschliffen, dafür mussten die Arbeiter die Weichen manuell verstellen, im Regelbetrieb passiert das automatisch. Recht umständlich muss zuerst die eine Schiene, dann die andere geschliffen werden. Das ganze mit einem zwar rollbaren, aber doch recht schwer wirkenden Schleifgerät das manuell über die Schienen bewegt wurde.

Ein Weichenherz wird geschliffen Foto: STADTBEKANNT
Ein Weichenherz wird geschliffen Foto: STADTBEKANNT

Dabei klärte sich auch das Mysterium, was es mit den Kabeln, die auf den Schienen der U-Bahn verlaufen, auf sich hat. Die U-Bahnen werden ja halbautomatisch betrieben, die Steuerungssignale, aber auch die Verortung der Züge im Netz findet über diese Kabel statt.

 

Aus alt mach neu

Alte Schiene rechts geschliffene neue Schiene links Foto:STADTBEKANNT
Alte Schiene rechts geschliffene neue Schiene links Foto:STADTBEKANNT

Für mich und die Kollegen von anderen Medien war an dieser Stelle Schluss. Wir verabschiedeten uns, überließen die Arbeiter wieder ungestört ihrer Tätigkeit und nahmen wohl alle einen neuen Blick darauf mit, wie viel Arbeit hinter dem für alle offensichtlichen Teil des Wiener Linien Betriebs steckt. Es ist garantiert kein Fehler, wenn einen wieder einmal eine Baustelle stört, sich zu überlegen wie selten es letztlich wirklich größere Beeinträchtigungen im WienerLinien Netz vorkommen. Und das trotz, nein eigentlich wegen des unermüdlichen Einsatzes der Schwerstarbeiter der Nachtschicht.

Daniel Steinlechner

2 Kommentare

  1. Karina

    22. Dezember 2011

    Tolle Bilder
    Echt beeindruckend anzusehen.

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  2. Sandrine

    22. Dezember 2011

    Kompliment an diese Arbeiter
    das ist echt eine Sch… Arbeit. Toll,d ass die sie trotzdem so super erledigen.

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