11. Januar 2015

Streifzug durch die Burggasse

Vom hippen Szenecafe bis zum schäbigen Beisl

Kaum eine Gasse im 7. Bezirk bietet einen so akkuraten Querschnitt durch Wiens hippsten Bezirk wie die Burggasse und außerdem etliche Gelegenheiten, das Neubauer Nachtleben zu entdecken.

 

Los geht’s entweder bei der U-Bahn-Station Volkstheater oder wie in unserem Fall bei der U6 Burggasse. Wer hier zu späterer Stunde aussteigt, steht zunächst einmal vor der Lugner City, deren Wirkungskreis noch gute einhundert Meter in die Burggasse hineinreicht. Dementsprechend sieht auch das Publikum im Night Train solariumgebräunt und McFit gestählt aus. Highlights sind das pinke Neonlicht und diverse Trinkspecials: wer sich getraut, ein Selfie im Lokal auf Facebook hochzuladen, erhält einen Gratisshot – verliert vielleicht aber ein paar virtuelle Freundschaften.

 

Rotlichtparty

Wir gehen schnell weiter zum Admiralkino, das von außen zwar eher wie ein Rotlichtlokal aussieht, im Inneren wird aber seit nun schon über einhundert Jahren mehr oder weniger alternatives Filmprogramm angeboten. Achtung Hundebesitzer: jeden ersten Donnerstag im Monat werden auch Cineasten auf vier Beinen in den Saal gelassen. Wir lassen die Vorführung aus und bestaunen stattdessen die halbnackte Dame auf dem Poster vorm Kiez – nach dem Hafenjungen das zweite Hamburg inspirierte Lokal in Wien. Bei Veranstaltungen wie „Rotlichtparty“ und „Christmas Kiez-Mess“ geht es allerdings wesentlich ungesitteter zu als beim braven Bruder in der Esterhazygasse.

Burggasse China Bar (c) STADTBEKANNT
Burggasse China Bar (c) STADTBEKANNT

Peking Ente goes Haubenküche

Staunend werfen wir einen Blick durch ein imposantes Stahltor in den Innenhof vor der China Bar. Im wahrscheinlich besten chinesischen Restaurant Wiens verrichtet ein Haubenkoch sein Handwerk, das mit einer imposanten Weinauswahl angeboten wird. Nur wenige Meter weiter befindet sich das Epizentrum der Neubauer Schickeria – das Wirr. In diesem Lokal gab es schon Bobos, bevor der Begriff überhaupt erfunden wurde. Besonders praktisch ist, dass man nach einer durchfeierten Nacht im Keller des Lokals nicht einmal die Location wechseln muss, sondern gleich zum Katerfrühstück im oberen Stockwerk Platz nehmen kann. Gleich nebenan befindet sich die ungleich neuere Pure Living Bakery, die zweite Filiale des ausgerechnet aus dem unhippen Hietzing stammenden Coffee Shops. Hier wird amerikanisch angehauchtes Backwerk verkauft, bei dem die Preise genauso hoch sind wie die erworbenen Kalorien.

Burggasse Pure Living Bakery (c) STADTBEKANNT
Burggasse Pure Living Bakery (c) STADTBEKANNT

Neubau ganz unhipp

Ein paar Schritte weiter nur, inmitten des Herzens der Straße und des Bezirkes, liegt mit dem Zipp das bescheidenste Lokal des Grätzels. Wer hier einen Aperolspritzer bestellt, erhält Hausverbot, Nichtraucher ersticken nach nicht einmal einem Seidel und das Pissoir im Herren WC wird meist zweckentfremdet. Wer ins Zipp geht, tut das um zu trinken und schweigend an der Bar zu sitzen, während man dem einzigen Luxus des Lokals lauscht, denn hier legt tatsächlich sieben Tage die Woche ein eigener DJ auf – in seiner ganzen Unsexyness eines der sympathischsten Lokale der Gasse.

Burggasse Zipp (c) STADTBEKANNT
Burggasse Zipp (c) STADTBEKANNT

Im gerade zehn Jahre alt gewordenen Espresso gibt’s gutes Essen und noch besseren Kaffee sowie einen schönen kleinen Gastgarten. An einem lauen Abend lässt sich hier fast vergessen, dass die Burggasse seit dem Durchfahrverbot der Mariahilfer Straße zu einer Hauptverkehrsverbindung zwischen Gürtel und Ring geworden ist.

Burggasse Espresso (c) STADTBEKANNT
Burggasse Espresso (c) STADTBEKANNT

Sightseeing

Wer nach schönen Plätzen in der Burggasse sucht hat es schwer – da sticht der malerische St. Ulrichsplatz wie eine Oase der Ruhe und des Friedens heraus. Die Ulrichskirche versprüht geradezu italienisches Flair und in den letzten Jahren sind auch einige der leerstehenden Lokale auf dem Platz wiederbelebt worden.

 

STADTBEKANNT meint

Die Burggasse ist ein Abbild der Vielfältigkeit Wiens, in welcher viele Szenen oft nur wenige Meter voneinander entfernt existieren, ohne sich jemals zu berühren. Vom hippen Szenecafe bis zum schäbigen Beisl findet sich in der Gasse für jeden etwas. Wer das Nachtleben der Stadt einmal von der anderen Seite kennenlernen möchte, muss also nur die Straßenseite wechseln und kann schon nach wenigen Schritten eine bislang unbekannte soziale Welt betreten.

 

Hotspots in der Burggasse

Night Train – Burggasse 121
Di – Sa: 14:00 – 4:00 Uhr

Admiralkino – Burggasse 119

Kiez – Burggasse 103
Mo: 18:00 – 24:00
Di – Sa: 18:00 – 2:00

China Bar – Burggasse 76
Mo – So: 12:00 – 24:00

Wirr – Burggasse 70
So – Mi: 8:00 – 2:00
Do – Sa: 8:00 – 4:00

Pure Living Bakery – Burggasse 68
Mo – Fr: 9:00 – 19:00
Sa – So: 10:00 – 19:00

Zipp – Burggasse 68
Mo – Fr: 18:00 – 4:00
Sa – So: 20:00 – 4:00

Espresso – Burggasse 68
Mo – Fr: 7:30 – 1:00
Sa – So: 10:00 – 1:30

6 Kommentare

  1. Betti

    11. Januar 2015

    wie kann man das night train erwähnen (warum?) aber zb die easy going bakery oder das backbone irish pub vergessen??? oder das ungar grill, echt nettes lokal… gastwirtschaft schilling?! ums eck vom st ulrich platz gibts noch einen grandiosen italiener u auch noch ein stück weiter richtung volkstheater einen super inder! als ob jemanden die lugner city interessieren würde… das wirr könnte auch unerwähnt bleiben, außer man möchte das mieseste service der ganzen stadt “genießen”… 🙁

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    • Andreas

      15. Januar 2015

      Der Artikel war als Querschnitt durch die Welt der Burggasse gedacht und nicht als ein Best Of. Wird im Text ja auch recht klar gesagt, dass das Night Train nicht unbedingt des Autoren Lieblingslokal ist.

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  2. Iris

    11. Januar 2015

    Wirr hat tatsächlich das grauslichste Frühstück dass ich je gegessen hab. Semmeln die in der Mitte noch gefroren waren, glassige Eier (eine ganz neue Interpretation vom “weichen Ei” wenn das Eiweiss noch durchsichtig ist) und ein nur zum 1/4 gefüllten Marmeladen Glässchen.. und auf die Frage ob ich noch Marmelade haben kann kam die Antwort: “Ja für 2,40€ Aufpreis”. Geh ich sicher niiie wieder hin…

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    • Arual

      13. Februar 2015

      Dann lieber auf ein bier ins zipp 🙂

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  3. Carl

    17. Februar 2015

    Waren Sie in dem erwähnten “Kiez” überhaupt drin, Herr Rainer? Dann wüssten Sie, dass das Lokal mit dem Hamburger Kiez nur das Astra Bier gemeinsam hat. Gemeint ist das Berliner Kiez, was zu Österreichisch nichts anderes als “Grätzl” bedeutet. Die sogenannten Rotlicht-Parties sind eher als Gag gemeint, bei der sich die Stripperin zur Mitternachtseinlage niemals ganz auszieht. Nur eine witzige Party-Einlage. Abgesehen von diesen gelungenen Motto-Parties gibt es hier nur ausgezeichnete Cocktails und regelmäßig gute Live-Musik…

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  4. Kiez

    17. Februar 2015

    Mit Rotlicht und Hamburg haben wir eigentlich nichts am Hut, Rainer! Das waren scherzhafte Motto-Parties. Aber wir verstehen gut, wenn es so rüber gekommen ist, durch die Plakate. Für die Zukunft: wir haben eine ziemlich “gesittete” Cocktailbar mit Events verschiedener Art (Live-Musik, DJs, Motto-Parties, Shows etc…) Das “Christmas Kiez-Mess” zum Beispiel war das jährliche weihnachtliche Musiker-Treffen bei uns, wo die ganze Nacht gejammt wurde…

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