17. Januar 2011

Stadtbekannt kontrovers: Wehrpflicht abschaffen

Spätestens im 19. Jahrhundert führten die Fürstenhäuser, die Europa knechteten, die allgemeine Wehrpflicht ein. Nachdem sie von den Revolutionsarmeen Frankreichs ordentlich auf den Deckel bekommen hatten und Napoleon das ganze nochmals durchspielte, kamen auch die Fürsten drauf, dass ohne allgemeine Wehrpflicht im imperialen Wettstreiten mit den verfeindeten europäischen Nachbarn kein Blumentopf zu gewinnen war. 1868 wurde sie schließlich auch in Österreich eingeführt.

Nachdem in Verdun, an der Somme und den anderen Schreckensorten des 1. Weltkriegs, ganze Jahrgänge von Städten und Dörfern verbluteten und mit Müh und Not der Wahnsinn des Nationalsozialismus zwar nicht verhindert, aber beendet wurde, war das Kapitel großer europäischer Krieg mindestens bis heute beendet.

Die Erfindung der Atombombe und die Schrecken der zwei großen Kriege verhinderten weitere Katastrophen. In ganz Europa standen aber nach wie vor große Armeen in der Gegend herum, denen sich jeder männliche Staatsbürger eine gewisse Anzahl von Jahren aussetzen musste. Der kalte Krieg diente als dauerhafte Rechtfertigung für diesen Diebstahl an Lebenszeit bei der jungen Generation. Die 68er wollten dann aber zum Teil lieber nicht mehr kämpfen, ihnen wurde schließlich der Zivildienst aufgezwungen.

Das Evil Empire ist nicht mehr, Krieg ist noch unwahrscheinlicher geworden und die bei Militärstrategen beliebte „humanitäre Intervention“ erfordert weder Truppenmassen, noch hört sie sich, selbst für hartgesottene Militaristen, nach den gescheiterten Interventionen im Irak und Afghanistan besonders verlockend an.

Berufsheer liegt im Trend

Europaweit stellen mehr und mehr Länder auf kleine Berufsheere um. Diese sollen für die Katastrophenhilfe im In- und Auslandseinsätze eingesetzt werden. Der große europäische Krieg mit seinen Millionenheeren ist aus den strategischen Planungen der Militärs und ihrer zivilen ChefInnen verschwunden.

Auch Österreich hat die Planungen für eine Panzerschlacht im Marchfeld gegen die Rote Armee, mit anschließendem Guerillakrieg in den Alpen, begraben.

Als Gag vor den letzten Wahlen hat sich Bürgermeister Häupl überlegt, die Abschaffung der Wehrpflicht in Aussicht zu stellen. Die Wahlen sind geschlagen, dass Thema hat sich jedoch wie kaum anders zu vermuten als sehr populär erwiesen und Verteidigungsminister Darabos hat mittlerweile sieben Modelle für ein zukünftiges Bundesheer vorgestellt, von denen einige ohne Beibehaltung der Wehrpflicht auskommen.

Für die Sozialdemokratie ist die Abschaffung der Wehrpflicht ein großer Schritt. Dienten ihr historisch doch der Austrofaschismus und dessen Einsatz des Militärs gegen die aufständischen ArbeiterInnen, als Begründung für den Staatsbürger in Uniform, der die Waffe im Zweifelsfall nicht gegen die eigene Bevölkerung erhebt.

Diese Argumentation und die Angst, dass ein Berufsheer lediglich zur Vorbereitung eines NATO Beitritts, dem die ÖVP traditionell immer näher stand als die SPÖ, dienen sollte, verhinderten jede Diskussion der Thematik.

Nach 65 Jahren II. Republik ist die Angst vor der faschistischen Diktatur scheinbar weniger groß geworden und die, vom Bundespräsident bis zur Kronenzeitung, liebevoll geherzte Neutralität scheint zum immerwährenden Bestandteil der Republik geworden zu sein.

Wehrpflicht abschaffen!

Die Argumentation, dass es eine allgemeine Wehrpflicht braucht um die Demokratie zu sichern, war fast von Anfang an schwachbrüstig. Während man mit einigem Recht argumentieren kann, dass Europa 1945 wenig Lust auf ein österreichisches Berufsheer hatte, in dem sich mit Sicherheit haufenweise Altnazis getummelt hätten, erscheint die Schutzfunktion der Wehrpflicht generell übertrieben dargestellt zu werden.

Denn eine Demokratie, die sich darum sorgt, dass SoldatInnen auf die Bevölkerung schießen, ist ohnehin schon verloren.

Die zwei Säulen der Wehrpflicht

Die zwei Säulen der österreichischen Wehrpflicht sind das Lohndumping im Sozialbereich und das Festhalten an der Mär vom großen europäischen Krieg. Von beidem könnte man sich gut und gerne trennen, die Jungen Zwangsverpflichteten werden es danken und bis auf ein paar alte Generäle wird niemand ernsthaft darunter leiden.

Die Mär vom großen Krieg der nicht mehr kommen wird, wurde hier schon verhandelt. Die zweite Säule der Wehrpflicht, der Zivildienst, soll hier auch noch zur Sprache kommen.

Zivildienst abschaffen!

Selbst habe ich noch ein ganzes Jahr Zivildienst absolviert. Beim Roten Kreuz in Innsbruck und entsandt von diesem im Patiententransport der Uni Klinik Innsbruck. Von vielen der hauptamtlich angestellten Rettungssanitäter wurde mein zivildienstlicher Beitrag nicht sehr geschätzt, vielmehr empfanden sie ihn als Entwertung und potentielle Gefährdung ihrer eigenen Arbeit.

Beim Patiententransport am Uni Klinikum schließlich, wo Zivildiener in großer Zahl eingesetzt wurden, hielt sich die Motivation von uns Zivis in engen Grenzen. Wo wir die Möglichkeit hatten etwas langsamer zu arbeiten, haben wir sie auch genützt. Gerade in einem Bereich wie diesem, mit relativ monotonen Tätigkeiten, würde eine ordentlich bezahlte Kraft sicherlich deutlich bessere Ergebnisse erzielen als ein höchst unmotivierter Zivildiener.

Persönlich habe ich den Zivildienst nicht als besonders bereichernde Erfahrung in Erinnerung. Zwar kenne ich auch die zahlreichen Geschichten aus dem Freundeskreis, von Menschen die im Zivildienst viel lernten und erbauende Arbeiten verrichteten. Aber ihr Glück wurde von König Zufall gelenkt und die mangelnde Bezahlung bzw. große finanzielle Belastung für die Eltern trat auch in ihrem Fall auf.

Denn Zivildiener sichern einen bröckelnden Sozialstaat, den sich die Gesellschaft in einem vernünftigen Zustand nicht leisten will. Zwangsverpflichtete junge Männer mit zweifelhafter Motivation füllen die Lücken, die man gesellschaftlich nicht bereit ist zu schließen. In den Bereichen, in denen sie als Lückenbüßer dienen, verhindern sie vernünftige Löhne, denn ein Zivildiener der dieselbe Tätigkeit verrichtet wie eine reguläre Arbeitskraft, ist allzu schnell gefunden.

Den Zivildienst abschaffen bedeutet zahlreiche Stellen im Sozialbereich entstehen zu lassen. An Stelle von Zwangsdienern träten bezahlte Arbeitskräfte. Eine win-win Situation, die einerseits die Lage der Beschäftigten im Sozialbereich verbessern, sowie PatientInnen und KlientInnen tendenziell motiviertere Arbeitskräfte gegenüber treten lassen würde.

Den Zivildienst abschaffen wird mit Sicherheit nicht wie das derzeit postuliert wird, zum Nulltarif möglich sein. Freiwillige werden die Lücke nicht zur Gänze schließen können, ein zusätzlicher Arbeitskräftebedarf wäre gegeben. Zwar arbeiten Freiwillige mit einiger Sicherheit motivierter und damit effizienter als ZivildienerInnen, dennoch wird ihre Zahl den Verlust nicht ausgleichen.

Die zusätzlichen Kosten sind aber eine vernünftige Investition in den Sozialstaat, die sich langfristig allemal auszahlen wird. Wenn irgendwann auch die ÖVP draufkommen sollte, dass die Vermögenden im Land zur Finanzierung des Staates etwas beitragen könnten, wäre die Finanzierung ohnehin kein Thema. So lange das nicht der Fall ist, erhöht die Abschaffung des Zivildienstes zumindest den Druck in Punkto Vermögensbesteuerung etwas zu tun.

Denn mit einer durch die Abschaffung des Zivildienstes entstehenden Unterversorgung, beispielsweise im Rettungsdienst, wird sich die Bevölkerung nicht abfinden.

Abschaffung des Bundesheeres?

Die Abschaffung des Zivildienstes wäre eine längst überfällige, in jeder Hinsicht vernünftige Maßnahme. Aber wie steht es ums Bundesheer, sollte man es abschaffen?

Das Heer in seiner herkömmlichen Funktion hat ausgedient. Das neutrale Österreich hat außerdem für sich entschieden, an Kampfmissionen nicht teilzunehmen. Eine Entscheidung, die allerdings über die EU-Battlegroups teilweise in Frage gestellt ist.

Ein Heer braucht es für die Teilnahme an UNO Missionen, für Einsätze im Rahmen der EU-Battlegroups und für Katastrophenhilfe im Inland. Eine vollständige Abschaffung des Bundesheeres steht daher kaum zur Debatte.

Während sich Zivildiener aber wenigstens noch rühmen dürfen den Sozialstaat mitzutragen, wird beim Bundesheer geputzt, gekocht, geübt und manch einer muss in höchster Gewissensnot Menschen am illegalen Grenzübertritt hindern.

Die Streichung des Dienstes beim Bundesheer wäre deshalb die vielleicht noch erfreulichere Maßnahme, als die des Zivildienstes. Nicht zuletzt hätte die Regierung dann eine Maßnahme zum Vorzeigen, die das Leben der Menschen im Land tatsächlich verbessert und damit im besten Sinne fortschrittlich ist.

Nur ein Punkt ist mit der Abschaffung der Wehrpflicht gefährdet. Der überaus notwendige, weise und kluge Assistenzeinsatz im Burgenland, der das Land sicher macht und die bösen kriminellen Ostbanden vor Furcht zittern lässt, erscheint bei einer Abschaffung der Wehrpflicht doch ernsthaft gefährdet zu sein.

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

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