7. Januar 2011

Stadtbekannt kontrovers: Tarifreform für die Öffis

100 Euro für die Öffi-Jahreskarte haben die Wiener Grünen im Wahlkampf plakatiert. Da es aber oft anders kommt als man denkt und das Leben nicht dazu tendiert ein Wunschkonzert zu sein, wird daraus wohl nichts.

Die Grünen regieren bekanntlich nicht allein und beinahe Gratis-Öffis kosten, zu den ohnehin schon immensen Kosten des öffentlichen Verkehrs, noch einmal einiges dazu, weswegen man sich in den Koalitionsgesprächen auf diese Variante nicht einigen konnte.

Ergebnisse sind bald da

Stattdessen wurde eine Arbeitsgruppe zur Tarifreform eingerichtet, die bis Sommer Ergebnisse präsentieren wird. Bis 2012 sollen diese, oder das was im Zuge koalitionärer Kompromissfindung davon übrig bleibt, dann umgesetzt werden.

Klar ist bereits jetzt, dass eine soziale Staffelung der Öffi-Tarife die bisherige Altersstaffelung ersetzen soll.

SeniorInnerabatt fällt?

Vom Seniorenmenü über Kinokarten bis hin zu ermäßigten Öffi-Tickets profitieren SeniorInnen von einer Vielzahl von Ermäßigungen. Als Gesamtgruppe verdienen SeniorInnen tatsächlich weniger als Berufstätige. Warum allerdings ein/e Ärztin in Pension, AltpolitikerInnen, Bankvorstände in spe oder SektionsleiterInnen im öffentlichen Dienst, also Berufsgruppen mit sehr hohen Pensionen, von Ermäßigungen profitieren sollen, ist schwer zu argumentieren. Oder anders formuliert: Eine alleinerziehende Billaverkäuferin hat sicher weniger Geld zur Verfügung als ein pensionierter Minister. Letzterer erhält jedoch verbilligte Öffi-Tickets, erstere nicht.

Mit einigem Recht kann man also sagen, dass die bisherige Altersstaffelung nicht unbedingt gerecht ist. Ziel der Tarifreform soll es daher sein, soziale Gerechtigkeit im Zugang zu Mobilität höher zu gewichten als bisher.

Praktische Probleme

Da Menschen in aller Regel kein Pickerl haben, dass klar ersichtlich macht über welches Einkommen eine Person verfügt, hingegen jede/r PensionistIn durch simples Vorzeigen des Ausweises das Alter „beweisen“ kann, stellen sich bei der Umsetzung einige praktische Probleme.

Eine soziale Staffelung von Tarifen mit höheren Tarifen für manche (gut situierte PensionistInnen müssten beispielsweise Vollpreis zahlen) und niedrigeren Tarifen für andere (GeringverdienerInnen bekämen billigere Tickets), hört sich erstmal sinnvoll an. Wie umsetzen ist jedoch die große Frage.

Wenn Menschen die billigeren Tarife mittels eines komplexen Verfahrens der Feststellung ihres Einkommens erhalten, werden viele vor dieser Hürde zurückschrecken. Gar nicht davon zu reden, dass die Bürokratie zur Bearbeitung dieser Anträge auch nicht ohne wäre.

Sozial gestaffelte Öffi-Tarife zu administrieren ist ein höchst komplexes Problem. Letztendlich ist eine einigermaßen administrierbare Lösung nur die Koppelung an andere Transferleistungen. Beispielsweise wer Heizkostenzuschuss bekommt, kann auch ein billigeres Öffi Ticket beantragen. Bei all diesen Lösungen ist der persönliche Aufwand für die AntragstellerInnen jedoch nicht zu unterschätzen und reduziert damit die Anzahl derjenigen, die diese Leistungen in Anspruch nehmen.

Außerdem führt kaum ein Weg daran vorbei, dass die Tarife, so sie tatsächlich dazu beitragen sollten, dass deutlich mehr Menschen als bisher die Öffis in Anspruch nehmen (ein Ziel des Koalitionsabkommens), sie wohl für alle Gruppen tendenziell billiger werden müssten.

Die mangelnde soziale Gerechtigkeit würde durch höhere Legitimation in der Bevölkerung, einfachere Administrierbarkeit und den Anreiz auf Öffis umzusteigen, zumindest teilweise wieder wettgemacht.

Bei sozial gestaffelten Tarifen ist die Gefahr einer Todgeburt nicht zu unterschätzen. Insofern wird es spannend sein, welche Lösungen die Arbeitsgruppe zur Tarifreform finden wird. Gelingt es den Aufwand administrierbar zu halten, werden diejenigen Grupepn davon profitieren, die es am notwendigsten hätten aber werden es die akzeptieren, die dann mehr zahlen müssen? All diese Fragen müssen gelöst werden.

Legitimation vs. Sozialer Gerechtigkeit

Persönlich bin ich der Meinung, dass Sozialstaaten ihre Legitimation aus der Teilhabe möglichst aller Bevölkerungsschichten an ihren Leistungen beziehen. In der Finanzierung ist die Gerechtigkeit über die progressive Besteuerung ein wichtiges Thema. In den Zugängen letztendlich viel weniger. Denn das letzte was der Öffentliche Verkehr, den schon aus Umweltschutzgründen viel mehr Menschen als bisher in Anspruch nehmen sollten, braucht, sind sinkende Fahrgastzahlen.

Nur wenn es gelingt, dass mehr Menschen als bisher die Öffis nutzen und diejenigen, die billigere Tarife bräuchten, diese auch erhalten, macht eine sozial gestaffelte Tarifgestaltung mehr Sinn.

Ansonsten ist eine steuerfinanzierte generelle Tarifsenkung allemal der bessere Weg.

Ein Kommentar.

Daniel Steinlechner

Mit Fug und Recht: Über Sinn und Unsinn

4 Kommentare

  1. gratisverkehr

    7. Januar 2011

    Öffis gratis
    und zwar für Alle. Hat in Blogna funktionier, warum nicht auch in Wien?

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  2. gratisverkehr

    7. Januar 2011

    ups
    Bologna war gemeint.

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  3. simbel

    8. Januar 2011

    schön wärs!
    und bologna ist halt im vergleich zu wien ein kleines kuh-kaff 😉

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  4. Ralf

    8. Januar 2011

    Finanzierung
    Ich finde, dass die Steuern, Förderungen, Unterstützungen usw. viel mehr auf die einzelnen Gruppen (Pensionisten reich, Pensionisten arm, alleinerziehende Mutter mit 3 Kindern, Politiker (sofern dieser überhaupt UBahn fährt) usw….) fokusiert gehören, sodass die Problematik mit den Fahrscheinkosten dadurch irrelevant wird.

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