10. April 2016

Sonntagsstandln

Sonntagsstandln (c) STADTBEKANNT Wetter-Nohl

Einkaufen am Sonntag

Von der Zeitung to Go, Fladerbeuteln, freier Marktwirtschaft und der Frage: wer ist der Wichtel aus der Kanalisation?

Stummer Verkäufer, Fladerbeutel, Zeitungstasche, Sonntagsstandl

Am Sonn- und Feiertag in Wien da ist so einiges anders als an den anderen Tagen. Zum Beispiel, dass da die Trafiken zugesperrt sind und man so an die Wochenendausgaben der Tageszeitungen also nicht über den normalen Weg herankommt. Dafür gibt es also die Sonntagsstandln, die selbstredend auch als stumme Verkäufer bezeichnet werden. Und manchmal ist es wohl auch besser so, dass sie kein Wort sprechen können, denn vielleicht sollte hier auch über die Bezeichnung „Fladerbeutel“ nachgedacht werden.

Ich spüre an dieser Stelle geradezu wie sich das ein oder andere Augenpaar vor dem Bildschirm hier unschuldig wegbewegt – aber in Wirklichkeit ist das doch so etwas wie ein stilles Gesetz, oder? Bevor ich jetzt allerdings auf diesem glatten Eis auszurutschen drohe, wollen wir uns doch lieber einmal die Geschichte der Flader- ehm Zeitungstaschen ansehen.

Und alles begann mit der Kronen Zeitung

Bis ins Jahr 1962 hatten Trafiken am letzten Tag der Woche nämlich offen. Danach musste eine Lösung her. Angeblich war es Kurt Falk, der die Kronenzeitung in der oben beschriebenen Form auf die Straße brachte. Und dies verschaffte dem Blatt unerwartete Gewinne. Vielleicht weil es ab nun die Möglichkeit gab, anonym an das Papier heranzukommen, irgendwie muss es ja zu dem Status „meistgelesenste Blatt der Welt im Verhältnis zu seiner Einwohnerzahl“ gekommen sein.

Qualität vs. Boulevardzeitung: welche ist am schnellsten vergriffen?

Und tatsächlich wird dem aufmerksamen Beobachter vielleicht auch schon aufgefallen sein, dass die Kronen Zeitung und mittlerweile auch Österreich zu jenen Zeitungen gehören, die am schnellsten vergriffen sind. Ich denke da an die in Jogginganzug herumirrenden Hausmeistertypen, die verzweifelt feststellen müssen, dass sie zu spät für ihr Morgenexemplar dran sind. Ok, das war jetzt schon etwas stark stereotypisiert, aber so in etwa läuft es Sonntag Morgen in Wien doch ab? Die Qualitätszeitungen hingegen bekommt man recht wahrscheinlich auch noch zu späterer Stunde.

Freie Marktwirtschaft

Um wieder auf das Geld zurückzukommen, wollen wir hier noch einmal verlautbaren, dass das tatsächlich eingenommene Einkommen wohl nebensächlich ist. Der eine wirft statt den zwei Euro nur zwei Cent hinein, der nächste gar nichts und der übernächste aus schlechtem Gewissen wegen des letzten Males vielleicht sogar das Doppelte. Es sei sogar schon einmal vorgekommen, dass eine Person ihr Schulden begleichen wollte und an die Redaktion der betroffenen Zeitung einen Zehn Euro Schein schickte.

Auf der anderen Seite kommt es durchaus auch vor, dass das eh schon sehr notdürftig angebrachte Münzeinwurfkasterl zu stehlen versucht wird, was wohl nicht allzu schwer sein wird. Dies ist vermutlich aber wohl auch nicht unbedingt sehr rentabel, um hier einmal mein diebisches Pseudowissen zu verlautbaren.

Wahrscheinlich sind die Sonntagsstandln sogar das wohl beste Beispiel der freien Marktwirtschaft. Jeder zahlt soviel wie ihm das Produkt wert ist. Und wenn man nichts zahlt, dann sollte man immer an folgenden Satz denken: „Wenn dir eine Firma etwas schenkt, dann bist du die Ware!“. Vielleicht ist es dem ein oder anderen auch schon aufgefallen, dass die Werbungsdichte der Wochenendbeilagen doch wesentlich höher ist als bei den Ausgaben von unter der Woche.

Eine Information fehlt uns hier aber noch! Quasi über Nacht poppen die Taschen in unserem Stadtbild auf, doch niemand hat seit jeher gesehen, wie sie dahin kamen. (ich glaube, ich habe in letzter Zeit zu viel Tomte Tumetott von Astrid Lindrgen gelesen). Ja, gut es gibt da so weiße LKWs mit den offenen Schiebetüren, wo fleißige Maxerln rein- und raushüpfen, um die Zeitungstaschen anzubringen und wieder einzusammeln, aber die Vorstellung eines langbärtigen und zeitungslesenden Wichtels, der in der Wiener Kanalisation wohnt und Sonntags halt Zeitungstaschen anbringt, hat doch etwas!

STADTBEKANNT meint

Ohne unsere Zeitung to Go am Sonntag wäre Wien wohl nicht Wien. Wer schlussendlich wie viel dafür ausgibt oder es sich zum Fleiß macht, jeden Sonntag Gratisexemplare zu horten, nur weil es ja eh eine Verleitung zum Diebstahl ist, so offensichtlich, wie man sich daran bedienen kann. An Laternenmasten, Brückengeländern und Parkeingängen fristen sie also weiterhin brav ihr Dasein und so bald wird sich daran hoffentlich auch nichts ändern.

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