21. November 2016

Shantel im Gespräch

Cover - Turkish Girl - Shantel

Shantel im Interview

Am 15. Dezember gastiert Shantel mit dem Bucovina Club Orkestar wieder in Wien. Ein Gespräch über Wiens kosmopolitischen Spirit, was ihn persönlich demütig macht und natürlich über das kommende Konzert im WUK.

Du bist mit deinem Bucovina Club Orkestar auf Tour. Kannst du mir etwas über eure Entstehungsgeschichte erzählen?
Ich bin zu der Band gekommen wie die Jungfrau zum Kind – um es mal metaphorisch auszudrücken. Ich hatte eher so eine Sound-System-Idee, womit ich dann auch zu experimentieren begann, Anfang 2000 ungefähr. Sehr schnell war klar, dass mir dieses Konzept „Laptop und Live-Musik“ überhaupt nicht gefällt. Nach verschiedenen Experimenten hat sich damals zufällig so ein Kern von Musikern, die ich aus Graz kannte, gefunden. Als Band, nicht als Elektronik-Fusion-Ding, sondern wirklich eher als Rock’n’Roll-Partie haben wir es dann in Angriff genommen. Ein paar Mal hat sich die Band auch umstrukturiert, Musiker sind hinzugekommen, ein paar sind gegangen. Das einzig feste und offizielle Beginner-Mitglied ist der Marcus Darius, mein Schlagzeuger – quasi mein Long-Time-Partner seit 20 Jahren.

Ich hab über dich gelesen, du magst dich musikalisch nicht besonders gern wiederholen und willst deinen Megahit „Disko Partizani“ nicht wie eine Marke verwalten. Was unterscheidet denn Songs wie „Disko Partizani“ von deiner aktuellen Platte „Viva Diaspora“?
Also „Disko Partizani“ war eigentlich das Balkan-Pop-Album schlechthin. Als Album-Konzept relativ radikal für meine Begriffe – sehr Bläser dominiert, sehr scharf vom Soundkonzept und eben auch radikal für damalige Zeiten. Es war ein Wagnis dieses Album zu machen. Das kam auch erst einmal gar nicht so gut an. „Viva Diaspora“ ist viel eklektizistischer als Platte konzipiert. „East-West“, dieser Auftaktsong, der hat ein ganz akustisches, filigranes Konzept mit vielen Instrumenten. Es gibt also fast keine Bläser. Es ist vielleicht auch etwas „erwachsener“ – jetzt nicht so auf Party fixiert.

Deiner Musik wird nachgesagt, sie könne überall auf der Welt verstanden werden und du trittst in verschiedensten Ländern auf – was denkst du, wird denn deine Musik überall verstanden? Wie empfindest du das persönlich?
Also grundsätzlich würde ich mal sagen, Musik sollte eigentlich immer eine universelle Sprache sein, die grenzenlos funktioniert und in der Tat ist es so. Ich habe das große Glück als Artist, der mit einem Bein in Deutschland verankert ist, an 350 Tagen im Jahr in der ganzen Welt zu spielen. Es gibt da einen Bedarf, es gibt da Fans im Ausland – sonst würde ich da nicht eingeladen werden. Das ehrt mich natürlich sehr und da bin ich in Demut, dass ich das Glück habe so aufgestellt zu sein. Das ist auch ein knüppelharter Job, aber ich liebe das. Ich könnte mir nichts Besseres vorstellen, es war immer mein Traum als Musiker in der Welt herum zu reisen und Konzerte zu spielen. Es scheint zu funktionieren und da bin ich sehr dankbar.

Deine Tournee bringt dich am 15. Dezember nach Wien. Du warst hier auch schon einige Male zu Gast. Wie fandest du es denn bisher auf Wiens Bühnen?
Wien hat für mich musikalisch eine gewisse Bauchnabelfunktion. Wenn man Südöstliches mit westlichen Einflüssen kreuzt und diese Bipolarität sucht, ist Wien ein super Ausgangspunkt, weil es sehr kosmopolitisch ist. Dieser kosmopolitische Spirit in Wien ist durch aktuelle politische Entwicklungen auch sehr bedroht. Man diskutiert jetzt wieder über Grenzen, über Nationen, Patriotismus wird auf einmal wieder salonfähig. Das sind Dinge, die mir extrem widerstreben. Und Wien ist einerseits stockstarr, konservativ, historisch in Marmor gemeißelt und andererseits frech, revolutionär und sehr hedonistisch veranlagt. Dieser Hedonismus, diese Internationalität, dieser kosmopolitische Spirit, den findet man kaum in einer anderen kontinentaleuropäischen Stadt. Wien ist so der Vorgarten zum Orient. (lacht)

Wenn du sagst Orient – wie feiert denn der Orient?
Der Orient – das ist auch so ein großes Missverständnis. Egal, ob das jetzt Mexiko City, Istanbul, Beirut oder Rosendorf im Waldviertel ist, zum Glück feiern die Leute bei meinen Sachen eigentlich überall gleich. Es gibt da keine kulturellen oder nationalen Unterschiede. Da kommen wir auch wieder zurück zur Musik als universelle Sprache. Ich finde auch gerade die Young-Generation ist in einer globalisierten Welt, was Clubculture, Musik und Vernetzung betrifft, sehr eng beieinander. Du wirst bei einem Kiddy aus dem Nahen Osten ähnliche Songs auf dem Smartphone finden, wie bei einem aus Berlin.

Ein Besucher, der bei deinem Konzert vor einem Jahr im Wiener WUK war, hat darüber geschrieben: „2 Stunden abshaken, feiern und die Sau rauslassen als gäbe es kein Morgen.“ Ist das ein Feedback wie du es dir wünscht?
Das ist mehr als ich jemals zu träumen wagte. Die Messlatte ist halt echt auch in Wien besonders hoch. Wie viele Shows haben wir da im Laufe der Jahre gemacht? – über 30. Meistens ausverkauft. Man muss das ja auch immer irgendwie toppen. Jetzt so ein Zitat zu hören, ist natürlich eine große Genugtuung, aber man darf sich darauf nicht ausruhen. Man sollte es eigentlich schnellstens wieder vergessen.

Letztes Jahr war dein Konzert also zum „Sau rauslassen“, aber auch ruhigere Songs und Covers hast du gespielt. Was erwartet denn Konzertbesucher heuer in Wien?
Ich bereite ja gerade „Shantology“, mein 30-jähriges Bühnenjubiläum nächstes Jahr vor, quasi so eine Art Werkschau, aber kein Best-Of um Gottes Willen. Ich bin gerade so ein bisschen am Kramen in meinen Archiven, was ich so alles an Songs und Cross-Over-Geschichten heraus gebracht habe. Und versuche jetzt – auch in Vorbereitung auf 2017 – in der Wintertour 2016, Repertoire aus diesem Katalog auf die Bühne zu bringen. Das ist so mein Plan. Ob es mir gelingt, steht auf einem anderen Blatt.

Hast du abseits deines Konzerts in Wien ein bisschen Zeit? Wie verbringst du die dann in der Stadt?
In Wien gehe ich in die Pratersauna.

Letzte Frage, du feierst bald dein 30-jähriges Bühnenjubiläum. Wenn du diese Zeit Revue passieren lässt, was ist dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Es gibt ein sehr bedeutsames Ereignis. Da war ich in Rio de Janeiro auf dem Tim Festival und hatte einen Slot nach „Daft Punk und Beastie Boys“. Ich dachte, wie soll ich das, als in Brasilien vielleicht eher unbeschriebenes Blatt, durchstehen (lacht). Ich hab meine Session aber durchgezogen und die Typen von Beasty Boys, damals hat Adam Yauch noch gelebt, haben sich meine ganze Show angeguckt. Das hatte vom Sound so gar nichts mit ihrem klassischen Verständnis von Pop-Kultur und Rock’n’Roll zu tun, das Publikum aber ist extrem abgegangen. Das war für mich schon ein Ritterschlag, wenn so Typen, so alte Legenden sich deine Show angucken und dann sagen: „Ey, das war f**king amazing!“. Da hab ich mich schon sehr geehrt gefühlt.

 

Shantel & Bucovina Club Orkestar im WUK
15. Dezember 2016
Tickets gibt es hier.

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