12. Februar 2013

Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände

Ein Lokalaugenschein

Die Geschichte ist kurz: ein Mann, ein Fahrrad, ein paar Bier zu viel. Mein Freund L., nennen wir ihn Lukas, hat die dafür nun fälligen knappen tausend Euro nicht parat. Die Alternative: eine Woche im Verwaltungsstrafgefängnis.

Lukas ist, auf den Punkt gebracht, eine gute Haut. Ein wohlmeinender Mensch, der von allen anderen meist annimmt, dass sie ebenso wohlmeinend mit ihm sind.
Seine Annahmen von einem einwöchigen Gefängnisaufenthalt waren dementsprechend goldig: die freundliche Polizistin am Telefon hatte noch gesagt, dass die Mitnahme eines Laptops möglich sei, ein Einzelzimmer ebenso. ‘Eine Woche Urlaub’ für Lukas.

In freudiger Erwartung über die Möglichkeiten, die sich zur Belustigung im Polizeigewahrsam bieten, noch über Hotelparalellen gewitzelt. Ob die Kieberei ein auf den Boden geworfenes Handtuch versteht? Tut sie nicht. Verständnis wird nicht groß geschrieben, zumindest nicht auf der Ebene verbaler Kommunikation.

 

Fremdsprache: Polizistisch

Die Polizei spricht in Rätseln; unter Verwendung von Formulierungen, die in sich derart wenig Mehrwert bieten, dass sie fast nur den Sinn in sich tragen können, Verwirrung zu stiften. (Ein bisschen so wie dieser letzter Satz). Hier werden Sachen ausgefolgert, nicht gegeben. Zweiachsiges Fortbewegungsmittel etwa. Damit ist ein Auto gemeint! Könnte man doch einfach sagen! Vielleicht soll es so klüger klingen; es gelingt nicht.

Nach zwei Erklärungen hab ich noch immer nicht verstanden, was mit den 50,- Euro geschieht, die ich für Lukas hierlassen will, damit er sich was kaufen kann. Denn das Gefängnis hat wie jeder Betrieb, der was auf sich hält, einen Kiosk.

Auf der interpersonellen Ebene ist es dafür nicht so schlimm. Vielleicht auch nur, weil man annimmt, Lukas wäre aus Zucker, ist man nett zu ihm. Wenn er etwas braucht, darf er sich an einen Beamten seines Vertrauen wenden. Also dessen Vertrauens, es gab ja nur einen zur Auswahl. Lukas hat zwei offensichtliche Schwächen im Umgang mit der österreichischen Exekutive: er ist Deutscher, und sein Nachname beginnt mit ‘von’. Klassisch verarmter Adel? Man weiss es nicht; aber egal ist es trotzdem nicht. Fern davon! Im Polizeianhaltezentrum wird sein Name sofort despektierlich aufgenommen: der Herr Graf!

 

Wo Schutz noch groß geschrieben wird

Die BesucherInnen herden sich in dem kleinen Empfangsraum. Die Hotelstimmung ist hier schon nicht mehr so präsent wie in sicherer Entfernung. Nachdem alle angemeldet sind, ruft ein Beamter die BesucherInnen auf. Eine Dame ist verwirrt: sie hatte anscheinend erwartet, mit dem Namen des zu Besuchenden aufgerufen zu werden. Aber nachfragen kommt nicht gut: ‘Woins eini oda net?’. Jeden zweiten Tag dürfen die Insassen eine halbe Stunde Besuch von maximal zwei Personen empfangen. Warum ein Besuch zu mehreren wenig Sinn machen würde, merken wir erst recht, als wir allen Ernstes vor einer Glasscheibe mit einem Telefonhörer sitzen, den man sich zu zweit schon kaum teilen kann.
Immerhin sind hier allesamt nur Verwaltungsstraftäter. Dennoch: Schutz vor und Strafe der notorischen Falschparker und Schnellfahrer muss sein.

Lukas ist bei einem soliden Mittelwert zwischen Gefängnisaufenthalts-Vorfreude und substantieller Beeinträchtigung der eigenen Balance durch die äußeren Umstände angelangt. Das mit dem Laptop hat nicht gestimmt; der musste doch draußen bleiben. Die Einzelzelle hat er aus Angst vor tödlicher Langeweile abgelehnt; die fünf anderen Männer in seiner jetzigen Zelle bieten die einzige Unterhaltung. Einer hat sogar einen Fernseher (muss man selbst mitbringen, wenn wir das gewusst hätten!); der richtet sich auf einen längeren Aufenthalt ein.

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