4. Oktober 2015

Plakatteppich mit Tücken auf der Mahü

Fluechlinge-und-Helfer-c-STADTBEKANNT-Nohl

Plakate auf der Mariahilfer Straße

2.100 Flüchtlinge und Helfer blicken in Form von Schwarz-Weiß Porträts in Richtung Westbahnhof und mit Ihnen die ganze Stadt, das ganze Land, ja vielleicht sogar die ganze Welt. Zumindest eine lokale Aufmerksamkeit erhofft sich die Initiative Inside Out Austria, die in einer Nacht und Nebel Aktion vom 2. auf den 3. Oktober die Mariahilfer Straße mit Fotoplakaten zugepflastert hat. Und die war Ihnen sicher, schließlich ist es immer spannend, wenn mit der Stadt etwas passiert, das aus dem Rahmen fällt, noch dazu, wenn es einer guten Sache dient. Außerdem haben die Wiener und Österreicher in den letzten Wochen ja wohl mehrfach bewiesen, dass Ihnen die Flüchtlingsproblematik nicht egal ist.

Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT
Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT

We are all humans

Der Teppich, der also auf der Mahü ausgerollt oder besser gesagt aufgeklebt wurde, nennt sich Walk of Menschlichkeit. Ziel der Aktion ist es, den abstrakten Flüchtlingsbegriff greifbar zu machen. Getreu dem Motto „we are all humans“ sollen Flüchtlinge und Helfer als Menschen mit Persönlichkeit und Geschichte wahrgenommen werden. 80 Porträts wurden hierbei von professionellen österreichischen Fotografen aufgenommen.

Per Crowdfunding zum Fototeppich

Geplant wurde das Ganze im September, wo man per Crowdfunding Geld für das Vorhaben sammelte. Über 3.000 € sind dabei zusammengekommen. Überschüssiges fließt in weitere Flüchtlingsprojekte. Auch das Datum wurde übrigens nicht dem Zufall überlassen, schließlich wurde am 3. Oktober eine Großdemonstration abgehalten, die vom Westbahnhof vorbei an dem Fototeppich zum Parlament führte.

Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT
Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT

Schauplatz: Mariahilfer Straße und Westbahnhof

Als Popstar der Wiener Einkaufsstraßen bietet sich die Mariahilfer Straße außerdem gut an, um ein möglichst breites Publikum zu erreichen. Ob es außerdem Zufall ist, dass die Porträts gen Westbahnhof ausgerichtet sind, wage ich jetzt einmal zu bezweifeln, schließlich ist dieser einer der Hot Spots rund um die Flüchtlingsthematik. Gleichzeitig versteht sich die Blickrichtung möglicherweise auch als Sinnbild dafür, dass man eben nicht die Augen vor den Problemen verschließen, sondern hinblicken soll zu dem Ort, der als Bahnhof so sinnbildlich dafür steht, dass Ankommende Willkommen geheißen werden möchten! #refugeeswelcome

Vielleicht könnten wir uns ja anfreunden?

Voller Ehrfurcht stand ich an diesem Samstag also vor dem Teppich an Menschenbildern und kaum habe ich mich getraut, diesen überhaupt zu betreten. Ganz vorsichtig arbeitete ich mich am Rand der Bilder entlang, um den Personen möglichst nicht auf das Gesicht zu steigen. Dabei bin ich ins Grübeln gekommen: Vielleicht geht die junge Dame mit den langen Haaren über der Nase auch so gerne tanzen wie ich, vielleicht hat der kleine Bub mit dem frechen Grinsen dieselben Vorlieben für Feuerwehrautos wie der kleine Nachbarsjunge oder vielleicht kann der Mann mit der Haube auch so ein gutes Couscous kochen wie mein Lieblingsrestaurant, vielleicht würde ich mich mit dem ein oder anderen ja sogar anfreunden!

Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT
Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT

Einheit (fast)

Dann beobachtete ich die Menschen um mich herum und spürte eine ganz besondere Kraft, eine Einheit und eine Einigkeit, ein stilles Einverständnis, eine Faszination, ein Wille, eine Entschlossenheit. (wie passend übrigens, dass es auch noch der Tag der deutschen Einheit war!). Doch nicht ganz überall konnte man sich mit dieser Aktion anfreunden. Spannung ging von einem FPÖ Stand aus, der am Ende des aktionistischen Teppichs aufgebaut war. Leo Kohlbauer von der FPÖ Mariahilf sprach von einem „Hohn gegenüber den Bürgern“ und von „Sachbeschädigung“.

Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT
Fluechlinge und Helfer (c) STADTBEKANNT

Achtung Rutschig!

Naja, ich denke, die Mariahilfer Straße wird’s verkraften. Einzig blöd war die Tatsache, dass die Plakate so rutschig waren, dass einige Personen zu Sturz kamen, sodass die Polizei der Feuerwehr am Nachmittag den Auftrag erteilte, die Bilder aus Sicherheitsgründen zu entfernen. Aber durch den Einsatz von Inside Out Austria und spontanen Solidaritätsaktionen der Passanten, die sich auf die Plakate warfen, hinsetzen, hinstellten, Kinderwägen davorstellten, wurde es dann abgebrochen und die Plakate konnten dann bis zum Abend bleiben. Nächstes Mal also bitte rutschfestes Material!

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