5. November 2017

Peter Pilz: Der tiefe Fall des Paradeguten

Peter Pilz (c) Liste Pilz

Warum auch der Obi Wan Kenobi der heimischen Innenpolitik nicht vor der dunklen Seite der Macht gefeit ist.

 

Peter Pilz wird den Einzug seiner Partei ins Parlament vor dem Fernseher erleben – der Paukenschlag in der heimischen Politiklandschaft nach seinem Rücktritt war gestern ein großer. Mit ein Grund für dessen Lautstärke war die über lange Jahre hinweg eingespielte Rolle von Pilz, und wie viele andere Darsteller beherrschte auch er nur einen Part: Den der Lichtgestalt, des Vertreters der guten Seite der Macht, der im Alleingang gegen die Darth Vaders aus Österreich antritt. Genau das macht seine Fehltritte jetzt besonders schmerzhaft: Von einem Donald Trump erwartet man, dass er Frauen bei der „Pussy grabbed“. Auch dass in Hollywood wie im Fall Weinstein gute Rollen gegen sexuelle Gefügigkeit gehandelt werden, gilt als offenes Geheimnis. Dass aber eben auch der Obi Wan Kenobi der heimischen Politik Dreck am Stecken hat, reißt tiefe Wunden in die Seelen der Neubauer Bobos, die ihrem Heilsbringer noch vor wenigen Tagen ihre Herzen und Stimmen geschenkt haben.

 

Wer nicht anklagt ist selber schuld

Dabei braucht man sich nicht wundern, dass auch Pilz zum Klub der „mächtigen, alten Männer“ gehört. Sexuelle Belästigung ist Alltag, wie auch das Echo der me too Kampagne gezeigt hat, vor allem aber zieht sie sich durch alle Gesellschaftsschichten und politischen Gesinnungen. Offenheit, Feminismus und Toleranz schützen offenbar nicht davor, schwach zu werden gegenüber den sexuellen Versuchungen des Alltages. Natürlich sind nun alle anklagenden Finger der Republik auf den ehemaligen Grünen gerichtet. Verdient hat er das allemal, doch genauso, wie er selbst in den letzten Jahrzehnten der Kläger war, haben sicher auch viele derjenigen, die ihn jetzt verurteilen, Leichen im Keller vergraben. Es ist wie in der Schule: man verpetzt einen Klassenkollegen und schreit so laut es geht, um von der eigenen Schuld abzulenken – Angriff ist eben die beste Verteidigung, unsere ganze Gesellschaft scheint auf dieser Maxime aufgebaut zu sein. Ohne Peter Pilz in Schutz nehmen zu wollen: Vielleicht wäre es angebracht, den Finger auch einmal auf sich selbst zu richten, bevor man sich mit den Verfehlungen der anderen befasst. Dem Gründer der Liste Pilz hätte so ein Verhalten selbst gut getan, stattdessen geht auch er im letzten Akt seiner politischen Karriere noch einmal in die Offensive, besudelt seine ehemalige Partei und sagt aus, er könne sich an nichts erinnern. Mit Würde aus so einer Sache herauszugehen ist wohl nicht möglich, aber er hätte es zumindest versuchen können.

 

Sex Appeal ist nicht immer sexy

Nachdem die Liste Pilz implodiert ist, bevor sie überhaupt noch ins Parlament einziehen konnte, hat sie sich noch viel schneller ihres Sinnes beraubt, als es damals beim Team Stronach der Fall war. One-Man-Shows bergen ein großes Risiko des schnellen Zerfalles in sich, ganz egal, welcher politischen Gesinnung sie angehören. Lichtgestalten wie Pilz haben mehr Sex Appeal, als die biederen Lunaceks des Landes – doch wo Sex Appeal ist, da wird eben auch oft gegrapscht. Pilz ist ein Meister der Selbstdarstellung und so sollte es nicht verwundern, dass hinter dem Marketing oft wenige Inhalte stecken – oder solche, die man lieber nicht gesehen hätte.
Für das Land Österreich ist der Schaden jedenfalls groß: Eine von drei Oppositionsparteien ist mit dem heutigen Tag quasi obsolet geworden. Ihre Mitglieder werden im Parlament wenig mehr als Platzhalter für ihre Nachfolger darstellen. Bei letzteren wird dann hoffentlich wieder über ein politisches Programm gesprochen werden und nicht darüber, wen sie wann vielleicht oder vielleicht auch nicht belästigt haben.

Bild: Copyright: Liste Pilz, Foto: Peter Pilz

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