17. Mai 2010

Oooh, aaah Cantona

In seinem neuen Film „Looking for Eric“ verbindet Ken Loach eindringliches Sozialdrama und erfrischende Komödie mit Ex-Fußball-Star Eric Cantona in der Titelrolle.

Erics (Steve Evets) Leben ist beschissen: Den ganzen Tag Briefe sortieren und austragen, zu Hause zwei undankbare Stiefkinder von denen er den Stinkefinger im Abonnement bezieht, eine Bruchbude welche die Satansbrut mit geklauten Flatscreens zugemüllt hat und dazu noch eine Ex-Frau in die er immer noch verliebt ist aber bei der er es so richtig vergeigt hat. Kein Wunder also, dass er zu Beginn des Films ordentlich aus der Spur läuft, sein Auto in selbstmörderischer Absicht verschrottet und im Krankenhaus landet.
Ein Sozialdrama also, wie es nur von Ken Loach (Sweet Sixteen, Riff-Raff) sein kann, der naturalistisch wie kein anderer die britische ArbeiterInnenklasse beschreibt, möchte man denken. 
Doch dieser Film ist anders. Nicht dass Loach plötzlich Authentizität für Sentimentalität eintauschen würde, wie es viele Filmemacher im ArbeiterInnenmileu gerne tun. So schenkt er uns trotzdem ein Märchen, das Märchen vom St. Eric, der zu einem Fußballfan und glühenden Manchester-United-Anhänger kommt wenn er am tiefsten in der Scheiße sitzt und ihn wieder aufbaut. 

Dieser andere Eric, der Deus-ex-Machina der Geschichte ist selbstredend niemand geringerer als King Eric himself, Eric Cantona, das unbestrittene enfant terriblé, des französischen und gäbe es nicht Paul Gascoigne und Vinnie Jones die sich mit unvergleichlicher Vervé um diesen Titel balgen, des englischen Fußballs gleich mit. 
Anders als Letztgenannter, der inzwischen auch ins Schauspielfach gewechselt ist, glänzte Cantona schon während seiner aktiven Fußballkarriere nicht nur als Haudrauf und mit wunderbaren Toren, sondern auch mit Witz und Geistesreichtum. Diese philosophische Ader war es wohl auch die ihn auf der Pressekonferenz nach dem berühmten Kung-fu-Kick gegen einen Hooligan der versammelten Medienmeute erklären ließ: „Wenn die Möwen dem Fischerboot folgen, dann weil sie glauben Sardinen würden ins Meer geworfen. Danke schön.“ 

Sprüche von diesem Kaliber sind es auch die der berühmte Eric seinem geknickten Namensvetter beim Ofenrauchen und Weißwein schlürfen serviert, um diesen aus der Reserve zu locken und zum eigenen Handeln zu animieren. Schwankt der gesamte Film oft zwischen Sozialdrama und Komödie kann man nicht anders als herzhaft lachen wenn die beiden Erics zusammen tanzen, laufen oder einfach nur kiffend die Probleme des Postboten-Eric erörtern. Unvergesslich dabei Cantonas Appell an den Einfallsreichtum seines Schützlings: „Wenn die Gegner schneller sind als du, versuch nicht, sie zu überlaufen. Wenn sie größer sind, versuch nicht, sie zu überspringen. Wenn sie links stärker sind, geh über rechts. Aber nicht immer! Denk daran: Um sie zu überraschen, musst du dich selbst überraschen.“ Doch vor allem müsse er auf seine Mitspieler vertrauen. Und da sind sie wieder, der alte und doch immer aktuelle Ken Loach und die Solidarität der ArbeiterInnenklasse. Jene gelebte Hilfsbereitschaft unter Gleichwertigen, die so viel an individueller Machtlosigkeit aufwiegen kann und die schlussendlich auch Erics Schwierigkeiten mit einer Bande hemmungsloser Kleinkrimineller löst. Wie, das wird natürlich nicht verraten.

Die Botschaft aber, von der Notwendigkeit zur Solidarität, besonders unter vermeintlich Ohnmächtigen, ist für Loach besonders wichtig. Dies illustriert auch Cantonas Hinweis, dass sein großartigster Spielzug keines seiner vielen wundervollen Tore war, sondern ein Pass – eine vollkommen uneigennützige Aktion. Diese Solidarität ist es, die den Unterschied in der Tat machen kann. Mitleid nämlich bekommt man geschenkt, manchmal sogar von den Mächtigen. 

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