14. August 2018

Öffentliche Personenwaagen

Personenwaage (c) STADTBEKANNT Nohl

Nur Mut! Prüfe dein Gewicht!

20 Cent kostet das einmalige Wiegen auf einer öffentlichen Personenwaage. Das ist ja durchaus leistbar! Aber, wer hat sich tatsächlich schon einmal drauf getraut? Eben! Es geht doch um viel mehr als um nur eine Münze, oder?

Wer kennt sie?

Solide und kräftig aber zumeist im Hintergrund stehen in Wien über hundert öffentliche Personenwaagen an Straßenbahnstationen, Bushaltestellen, Parks oder in öffentlichen Bädern. Und wer weiß, wie viele Menschen sie über all’ die Jahre schon gesehen haben. Die meisten von Ihnen ignorieren die Waagen vermutlich, vielleicht absichtlich um sich nicht mit dem eigenen Gewicht auseinandersetzen zu müssen, vielleicht aber auch einfach nur weil sie sie tatsächlich übersehen. Andere haben sich vielleicht als Kind einmal draufstellen dürfen oder in der Jugend geschaut, wie viele Personen die Waage aushält. Möglicherweise gibt es auch noch solche, die sich an die Ursprünge erinnern können oder zumindest an Erzählungen von den Vorfahren aus dem Ende des 19. Jahrhunderts.

Personenwaage Gersthof (c) STADTBEKANNT
Personenwaage Gersthof (c) STADTBEKANNT

Wiegen in Eigenregie

Denn genau in dieser Zeit im Jahr 1888 fand die Geschichte der öffentlichen Personenwaagen ihren Anfang. Im Zuge einer Ausstellung anlässlich des 40-jährigen Thronjubiläums von Kaiser Franz Joseph wurden die neuesten Erzeugnisse der österreichischen Industrie präsentiert. Darunter waren eben auch unsere geliebten Personenwaagen, die das Zeitalter der Münzautomaten einläuteten. Damals war das mit der Scham auch nicht so ein Thema wie heute. Da war man beeindruckt von der Möglichkeit, für so wenig Geld sein Gewicht zu prüfen und das sogar in Eigenregie. Für diese Zeit war das also ein unglaublicher Fortschritt, der heute gar nicht mehr vorstellbar ist.

Was? So viel wiegst du?

Wir haben ja mittlerweile leistbare digitale Waagen für den privaten Hausgebrauch und können vielleicht manchmal öfters als uns lieb ist nach Gewichtsschwankungen Ausschau halten. Und wer möchte sich denn bitteschön heute in aller Öffentlichkeit die Blöße geben, festzustellen, dass der leuchtend rote Zeiger auf der Waage weit über das Traumgewicht hinausschießt und bei einer der hohen Zahlen stehen bleibt? Charmanterweise steht auf dem ein oder anderen Automaten sogar drauf: Prüfe dein Gewicht. Mit erhobenem Finger locken diese Waagentypen, in denen sogar ein Spiegel eingebaut ist, also dreist zur Gewichtskontrolle, der man sich irgendwie nicht zu entziehen traut. Wenn dann der Zeiger auch tatsächlich da landet, wo man sich beschämten Blickes und in der Hoffnung möglichst kein Publikum dabei gehabt zu haben von der Waage heruntertraut, könnte man sich wohl höchstens darauf hinausreden, dass das Ding doch schon so alt ist und bestimmt nicht mehr funktioniert.

Qualität von damals

Aber leider: Fehlanzeige, die Automaten sind noch ziemlich gut in Schuss. Damals war das halt noch eine andere Qualität. Und noch dazu werden die Waagen auch regelmäßig gewartet. Ersatzteile gibt es zwar nicht mehr, aber einen routinierten Schlosser, der sich der Sache professionell annehmen kann.

Eine Waage für mein Wohnzimmer

Was sollen wir also mit diesen Personenwaagen noch anstellen? Naja, da gäbe es zunächst die Option, die Waage einfach als Stadtmöbelteil zu sehen, das sich mit seinem Retrocharme in grün, gold oder rot als Relikt aus Kaiserzeiten ganz gut auf Touristenfotos macht. Neben seinem Leben als Fotomodell wäre es zudem auch vorstellbar, sein Gepäck dort abzuwiegen um sich dann am Weg zum Flughafen noch mit fünf Jacken einen auf Zwiebel zu machen, um auf die 20 Kilo Marke zu kommen. Außerdem: was bekommt man heute schon noch für 20 Cent? (So viel kostet das einmalige Abwiegen!). Eben! Also doch eine Runde wiegen gehen und sich darüber freuen, so wenig Geld ausgegeben zu haben! Achja, und irgendwie würde sich so eine schicke Waage ganz gut in meinem Wohnzimmer machen, wie ich finde. Sind die Teile denn fest angeschraubt?

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