9. Juni 2014

Michi, wir lieben dich, aber…!

Ausblick Stephansdom Wien (c) STADTBEKANNT

…eine Häupl Raffinesse kann doch nicht zu viel verlangt sein. Noch einschläfernder als die Schule selbst, ist wahrlich nur mehr das politische Hick-Hack darum. Weil die ÖVP auf Bundesebene mit besorgniserregender Beharrlichkeit jeden Anflug von Fortschrittlichkeit als Utopie abwinkt und einer seriösen Bildungsdebatte somit seit jeher den Weg an die Öffentlichkeit versperrt, muss der gelernte Sozialdemokrat eben versuchen, in der hauptstädtischen Hochburg Kapital aus seinem vermeintlichen Kernthema zu schlagen.

Das Reizwort „gratis“

18 bis 20 Millionen Euro ist SP-Stadtrat Oxonitsch gewillt, in (LehrerInnen-)Personal zu investieren, das an 400 Wiener Pflichtschulen künftig „gratis“ Nachmittags-Förderunterricht für jene SchülerInnen anbieten soll, die dem allgemein geregelten Unterricht hinterherhinken. Was sich auf den ersten Blick als dankenswertes Zuckerl anfühlt, muss sich nach genauerer Betrachtung den Vorwurf eines plumpsplumpen Populismus gefallen lassen: So attraktiv das Wörtchen „gratis“ in einer Ära der Preistreiberei auch klingen mag, es existiert im staatlichen Kontext schlicht und ergreifend nicht. Besagte Maßnahmen müssen wohl oder übel aus Steuergeldern finanziert werden, weswegen „gratis“ nüchtern betrachtet eine Verhöhnung übelster Qualität ist.

Wunder geschehen

Apropos Qualität: Seit etlichen Jahren ächzt die LehrerInnengewerkschaft ob der heillos überbesetzten Klassen nach Entlastung und beklagt die durch Betreuungsdefizit sinkende Unterrichtsqualität. Gleichzeitig hält man ihr von Seiten der Verantwortlichen die errötenden Zahlen vor Augen, die die Umsetzung einer Reform  blockieren würden. Erstaunlich also, wie man jetzt rechtzeitig zum Wahlkampfauftakt zur Nationalratswahl 2015 zig Millionen aus dem Ärmel schüttelt, um dem Symptom dieser Fehlpolitik hinterher zu hecheln, anstatt sich in aller Differenziertheit die Fakten vor Augen zu halten: Strukturelle Defizite, die bereits im Kindergarten beginnen, die Überforderung der Eltern und die prall gefüllten, sozial und sprachlich-heterogenen Klassen.

„Während“, nicht „nach“

Anstatt vakantes Lehrpersonal zu finanzieren, das etwa als Volksschul-BegleitlehrerIn und/oder ZweitlehrerIn schon während des Unterrichts für die nötige Individualbetreuung aufkommen kann, um durch-den-Rost-fallende Mittelschulankömmlinge bereits im Vorfeld aufzufangen, hält man von Seiten der SPÖ an einer konsequenten Politik der Fehlinvestitionen fest, die obendrein streng nach Kalkül müffelt. Vielleicht stünde den Bildungsverantwortlichen Nachhilfe in Sachen Ursachenforschung gut zu Gesicht. Dieses Spongebob-Pflaster auf der Schusswunde ist nämlich nicht gratis, höchstens umsonst.

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