3. August 2011

Kunst und Szene. Einige Beobachtungen.

Anlässlich des Albert&Tina Art Clubbings in der Albertina, ein paar subjektive Beobachtungen am lebenden Subjekt „Publikum“. Dass zeitgenössische Kunst noch immer relevant ist und wichtige Positionen vertritt, das wird wohl niemand bestreiten wollen. Nur, weiß das auch die „Szene“?

Wer eine Vernissage besucht, der tut das wegen dem Rotwein. Das war schon immer so und so wird es wohl auch bleiben. Dass Museen und Offspaces allerdings mittlerweile mit gratis Latte Macchiatos, Bier oder Brötchen in ihre Hallen locken müssen, hat allerdings ein Publikum herangezüchtet, das sich kaum mehr mit der Kunst identifiziert oder gar inhaltlich auseinandersetzt. Und dabei geht es nicht einmal um die Frage, ob das, was da an den Wänden hängt oder am Boden installiert ist, nun gut, schlecht, plakativ oder abgedroschen ist – denn diese Frage stellt sich niemand im Publikum – wenn sich das Gespräch tatsächlich einmal um Kunst dreht, dann ist es selten inhaltlicher Natur, sondern Namedropping gepaart mit „wer ist das und wer kennt ihn“-Attitüde. Warum geht man also dann zu Kunst-Clubbings und derlei Events, wenn die Kunst nicht einmal mehr körperlich Anwesend ist (die Ausstellungsräume bleiben ja meist verwaist, getrunken wird am Buffet oder auf der Terrasse)? Ganz klar: Networken, Networken, Networken.

Das System perpetuiert sich selbst

Aber irgendwie hat man dann das Gefühl, das ganze System der Kunstszene schöpft seine Daseinsberechtigung ausschließlich aus sich selbst – denn wenn es (außer um Häppchen) wirklich um das Networken, um Kontakte oder Jobs in einer Branche geht, um die es eigentlich bei den Events weder vorder- noch hintergründig geht, dann kreist alles um eine leere Mitte, ein rein selbstbezügliches Mis-en-Abyme. Wie in Borges’ Land Tlön, wo eine fiktive Sache durch ein festes dran glauben plötzlich real wird, denn wenn es die Kunst nicht gäbe, um dieses Treiben zu rechtfertigen, man müsste und würde sie erfinden. Ist die zeitgenössische Kunst vielleicht tatsächlich nur von der Brötchenmafia erfunden worden? Verkauft man Kunst mit Häppchen oder verkauft man Häppchen mit Kunst?

Für eine handvoll Häppchen

Klar, jeder weiß, dass solcherlei Events eigentlich überhaupt nichts mit Kunst zu tun haben, dass die schlechten Stehparties nur mit Kunst nobilitiert werden sollen, das ist wohl sogar den Veranstaltern bewusst. Allerdings bleibt die Frage bestehen: warum geht man dann hin? Wie kann man Teil dieses Systems sein, ohne es zu verabscheuen? Wie kann man immer die gleichen Leute abbusseln und immer die gleichen Phrasen dreschen – für einen Hungerlohn (der in der Kunstbranche Usus ist) oder noch schlimmer, für eine handvoll Häppchen? Ist es der Zwang, bei den Events aufzutauchen, um nicht in der Versenkung zu verschwinden? Ist es reiner sehen-und-gesehen-werden Geltungsdrang? Gibt es kritisches Publikum innerhalb der „Szene“? Sollte ich die Branche wechseln? (rmd)

6 Kommentare

  1. Charles

    4. August 2011

    Call it Markt
    Der Kunstmarkt produziert ein Publikum das zu ihm in eine marktförmige Beziehung tritt. Klar, dass da Figuren, nennen wir sie Kunstvertreter, wie Schröder und Matt nicht fehlen dürfen.

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  2. Maja die Biene

    4. August 2011

    Desinteressierte
    gibt es überall. Warum deshalb gleich neue Ansätze um ein neues Publikum zu erreichen, verteufeln?

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  3. jessicafletcher

    4. August 2011

    mehr noch!
    eigentlich greift dieser kommentar noch VIEL zu kurz.
    ja, kunst ist irgendwie eine marke/brand mit der man sich schmückt.

    aber spätestens seit dem
    pratersauna-artspace sollten auch die VERANSTALTER wissen dass es um NICHTS mehr geht als um das posen. dass viele das noch ernst nehmen ist das eigentliche problem.

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  4. Maja

    4. August 2011

    Die moderen Kunst
    ist einfach vollends irrelevant geworden. Außerhalb der Kreise der Kenner, der Käufer und er Konsumenten spielt das keine Rolle mehr. Ein sich selbst bespielendes Feld, in dem es nur mehr um Marktwerte, Besucherzahlen und Preisentwicklungen geht. Klar, dass so ein Feld für die Gesellschaft keine Relevanz mehr hat. Oder kann mir jemand auch nur einen Künstler nennen, der irgend eine gesellschaftliche Relevanz hat. Es geht der modernen Kunst, wie vor ihr der Musik oder der Mode. Der Markt hat sie mit Haut und Haar gefressen und außer Zahlenkolonnen nichts übrig gelassen.

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  5. nudelholz

    4. August 2011

    @maja
    kunst und markt waren immer untrennbar verbunden, gesellschaftliche relevanz haben ebenfalls viele zeitgenössische künstler, ai weiwei, damien hirst…

    nur wenn ich mir viele junge künstler anseh gehts da nur mehr um drogen nehmen, ficken und coole facebook-fotos.

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  6. Maja

    4. August 2011

    @Nudelholz
    Gerade Ai Weiwei ist ein gutes Beispiel dafür, hatte Martin Blumenau unlängst einen interessanten Eintrag dazu. Dass es untrennbare Beziehungen zwischen Markt und Kunst gibt ist so logisch wie banal. Das trifft so auch auf alle anderen gesellschaftlichen Felder zu. Gerade die bildende Kunst wurde in den letzten Jahrzehnten aber in einem Ausmaß aufgesogen, dass kein nicht marktförmiges Element mehr übrig blieb. Nicht umsonst gibt es auch keinerlei Konnex mehr zwischen sozialen Bewegungen und dem Kunstsektor.

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