8. Juni 2015

Kein Schutz. Nirgends.

Demo (c) STADTBEKANNT

Schutzsuchende, hütet Euch vor Österreich

Aus der Antike ist eine Tragödie von Aischylos überliefert, in der die Töchter des Danaos in Argos um Schutz ansuchen. Nachdem der dortige Herrscher Pelasgos zunächst vor der Aufnahme der Flüchtlinge zurückschreckt, entscheidet schließlich die Bevölkerung, dass man ihnen trotz eines drohenden Krieges Schutz gewährt. Am Wiener Burgtheater läuft momentan das Stück „die Schutzbefohlenden“ von Elfriede Jelinek, in dem sie den antiken Stoff aufgreift. Aber anders als bei Aischylos stoßen die Schutzsuchenden hier nicht auf einen Herrscher, der ihr Anliegen ernsthaft abwägt oder eine Bevölkerung, die sie in Schutz nimmt, sondern auf taube Ohren und Ablehnung.

Populismus der Mitte

Das Foto der hämisch grinsenden FPÖ-Vertreter, die in Erdberg Flüchtlingskinder mit „Nein zum Asylantenheim“ begrüßen, erregte Mitte letzter Woche einige Aufmerksamkeit. Erschreckend an diesem Bild sind aber mitnichten die paar freiheitlichen Menschenfreunde, sondern dass es symbolisch für den österreichischen Umgang mit Schutzsuchenden steht.
Noch am gleichen Tag fand eine Pressekonferenz des Innenministeriums zur aktuellen Asylpolitik statt. ÖVP-Innenministerin Miki-Leitner verkündete: „das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird sich im Verfahren nun vor allem auf die ‘Dublin-Fälle’ konzentrieren und die dementsprechenden Außerlandesbringungen einleiten. Andere Asylverfahren werden befristet ausgesetzt“; d.h. man prüft erst einmal, wen man alles schnellst möglich abschieben kann und dann beschäftigt man sich eventuell mit den verbliebenen Flüchtlingen. Dieser Politik fallen nicht nur jene Menschen zum Opfer, die nach der Dublin-2-Verordnung in so fremdenfreundliche Länder wie Ungarn abgeschoben werden, sondern auch die verbleibenden Asylwerber in Österreich. Sie werden auf dem Wartegleis abgestellt, müssen in Massenunterkünften ausharren und, dank der populistischen Prioritätensetzung der Regierung, jeden Tag fürchten, auch hier keinen Schutz zu erhalten.

Jenseits der Antike

Schutzsuchende Individuen kennt die Politik nicht und auch die Bevölkerung kennt sie nicht, will sie nicht kennen. Stattdessen halluzinieren nicht bloß Rechtsradikale mit Identitätskrise eine „Überfremdung“ herbei und probieren ihre eigenen Probleme damit zu lösen, kräftig nach unten zu treten. Die Österreicher scheinen in einer totalen Empathielosigkeit erstarrt, die von einer permanenten Angst begleitet wird, zu kurz zu kommen. Da geben sich auch gestandene Sozialdemokraten, Freiheitliche oder Nichtwähler nicht mehr viel. Das Ressentiment gegen Fremde und der Wille, die eigenen Konflikte auf Kosten von Anderen auszutragen, zeigen nicht bloß in der zynischen Debatte um Asylunterkünfte Massentauglichkeit. Die Rot-Blaue-Koalition im Burgenland ist vor diesem Hintergrund kein Skandal, sondern Abbild einer partei- und bevölkerungsübergreifenden Menschenfeindlichkeit. In Hinblick auf Aischylos ist es erschreckend zu sehen, dass die Menschheit vor fast 2500 Jahren schon einmal wesentlich weiter war.

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